Im Weitenried treffen unterschiedlichste Interessen von Landwirtschaft, Trinkwasserversorgung, Naturschutz, Erholungssuchenden, Klimaschutz und anderen mehr zusammen. Dabei zählt es zu den bedeutendsten und größten Mooren in ganz Süddeutschland. Der größte Teil des Moorgebiets gehört zur Gemeinde Steißlingen. So fragte das Regierungspräsidium denn auch bei der Gemeinde an, ob hier zwei Jahre lang Pegelmessungen gemacht werden dürfen. Die Gemeinde war einverstanden. Jetzt liegen die Ergebnisse vor.
Alois Kapfer vom Tuttlinger Fachbüro Kapfer hat die Pegelmessungen im Steißlinger Gemeinderat vorgestellt. Er erklärte die Messergebnisse, welche die Entwicklung des Weitenrieds in den nächsten Jahrzehnten aufzeigen könnten. „Um das Moor zu erhalten, muss mehr als bisher getan werden“, strich er heraus. Er erfasste und bewertete den Torfkörper und den Wasserhaushalt. Zudem lieferte das Fachbüro aus Tuttlingen konzeptionelle Überlegungen zur Sanierung und Sicherung des Moores.

Im wassergesättigten Milieu eines Moores werden abgestorbene Pflanzenreste unter Sauerstoffausschluss nicht vollständig zersetzt. Dabei entsteht der Nährstoffreiche Torf. Lebendige Moore können laut Nabu-Moorexperte Felix Grützmacher in die Höhe wachsen, rund einen Millimeter pro Jahr, und so im Torfkörper das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid binden. Durch die Trockenlegung ganzer Moore werden diese Gase freigesetzt.
Das Moor sinkt immer weiter ab
Früher wurde Torf als Blumenerde und als Brennmaterial gestochen. Heute sind Moore wichtige Kohlenstoffspeicher und tragen damit zum Klimaschutz bei. Inzwischen wird zwar kein Torf mehr gestochen, doch das Moor schwindet trotzdem. Ein Grund sei die intensive Nutzung und Entwässerung, um es landwirtschaftlich zu nutzen. So sei das Ried unter Intensivgrünland um 50 bis 90 Zentimeter vererdet. „Das kann man gut daran erkennen, das historische Wege und Straßen scheinbar aus der Fläche hervorstehen. In Wirklichkeit ist das Moor gesunken“, erklärt Alois Kapfer.

Der Wasserhaushalt wurde mit 19 Geländepegeln und zehn Grabenpegeln gemessen. Auch die Wetterstation Wahlwies, Messdaten aus Quellen sowie die Messungen von Zu-, Ab- und Durchfluss in den Gräben flossen in die Bewertung des Wasserhaushalts ein. Dabei sei auch deutlich geworden, dass Grundwasserdruck im Untergrund früher höher war.
Moorpflanzen fehlt das Wasser
An den Hängen sind Schichtquellen zu finden sowie Quellbereiche im Tal und Ab- und Zuflüsse aus der Aach, dem Weitenriedgraben, dem Wiechser Graben, Nebengräben und Parzellengräben. 23,6 Kilometer Länge hat Kapfers Team gemessen, dies entspreche 41 Meter pro Hektar. Weil so auch bei Trockenheit Wasser abfließe, könne das Oberflächenwasser nicht mehr gespeichert werden. Dies führe zu Wasserknappheit für die moortypischen Pflanzen. Dazu komme noch die Entnahme durch die Trinkwasserförderung.

Darum riet Alois Kapfer, den Moorwasserhaushalt wieder zu sanieren. Die landwirtschaftliche Nutzung solle weiter extensiviert werden und er riet zur Paludikultur: Das heißt das Moor land- und forstwirtschaftlich zu nutzen, ohne es zu schädigen. Andernorts werde beispielsweise die Kultivierung von Pflanzen zur Energiegewinnung aus Biomasse oder von Torfmoosen als Torfersatz für Kultursubstrate im Gartenbau erprobt, um dem Torfabbau entgegen zu wirken. Auch riet er dazu, mehr Wasser im Moor zu halten, zum Beispiel oberflächennahe Wasserstände mit rieselnd bewegtem Wasser im gesamten Moor zu schaffen und unproduktiven Abfluss zu verringern.

„Wir müssen intensiv darüber nachdenken und diskutieren“, regte er an. Dazu müsse man alle mit ins Boot nehmen: „Wasserwerke, Landwirtschaft, Erholungssuchende und andere mehr“. Interessant ist auch die Wirkung des Bibers auf das Weitenried. Zeitgleich warben Alois Kapfer und Susanne Wolfer vom Regierungspräsidium Freiburg für die Gründung einer förderfähigen Projektträger-Struktur wie einem Weitenried-Verein oder einer -Stiftung. Zudem müsse die Datenlage durch andere Gutachten weiter verdichtet werden.
Die Gemeinderäte waren überrascht von der von Kapfer vorgestellten Dynamik. Zumal sie sich bei einer Begehung im Rahmen der Trinkwasserentnahme an andere Aussagen erinnerten. Auch seien die landwirtschaftlich genutzten Flächen wichtig. Zudem überraschten die erhöhten Manganwerte im Wasser, die laut Kapfer aus dem sich zersetzenden Torfkörper kämen. Die Maßnahmen würden auch finanzielle Mittel benötigen. Kapfer erklärte, für vergleichbare Projekte übernehme 65 Prozent der Bund, 25 Prozent das Land und zehn Prozent blieben bei den Gemeinden.
Gemeinderat Stefan Maier (FW) fasste es so zusammen: „Wir müssen Kompromisse mit Maß und Ziel finden.“ Bürgermeister Benjamin Mors fügte an: „Wir sollen und müssen uns Gedanken machen.“