Singen Wer sie nicht kennt, ist noch zu jung. Denn in den 1950er-Jahren eroberten sie die Kinos: die Filme über Sissi, die österreichische Kaiserin Elisabeth. Über 20 Millionen Zuschauer haben damals die Sissi-Trilogie angeschaut. Die Liebesgeschichte weckte Emotionen bei den Menschen, die heute im Pflegeheim leben. Und so passte es gut, dass die Event- und Modelagentur Sissis Erben aus Villingen mit neun Personen mit historischen Gewändern zu Besuch ins Emil-Sräga-Haus kamen. Betreuungsassistentin Hannelore Hassfeld hatte den Auftritt organisiert.
Heimleiter Raffale Giampa erläutert: „Wer kennt es nicht? Ein Blick auf eine besondere Tracht, das Geräusch eines Motors oder der Geruch seiner Lieblingsspeise – und plötzlich werden die Erinnerungen an besondere Momente in unserem Leben zurückgerufen. Es sind nur kleine Impulse an die Sinne unserer Bewohner nötig, um jedem diese großen Ereignisse zurückzubringen.“ Bei den Bewohnern im Emil-Sräga-Haus kam der Besuch gut an.
Rund 50 Personen verfolgten den Auftritt – darunter Heimbewohner, Besucher und Personal. „Wir sind öfter in Pflegeheimen. Wir machen den alten Leuten gerne eine Freude“, sagt die Leiterin der Gruppe, Marion Mesle-Reichert. Sie wusste sehr wohl, dass es vor allem die Gefühle sind, die die Senioren an früher erinnern. Denn Gefühle sind gerade für Menschen mit Demenz wichtiger als Fakten. So erklärte sie Wissenswertes über die Kostüme aus der Zeit, in der Sissi lebte. Doch vor allem die Dinge, die Gefühle wecken, betonte sie. Etwa, dass die feinen Damen damals Hüte trugen. Denn sie wollten nicht braun werden. Wenn eine Dame blass war, wusste man schließlich von ihr: Das ist eine feine Dame, die nicht auf dem Feld arbeiten muss.
Die meisten Kostüme hat Mesle-Reichert selbst genäht, obwohl sie keine Schneiderin ist. „Wir tragen Stoffe wie damals. Kein Plastik, kein Lumpengedöns“, betont sie. Dass man heutzutage zerrissene Jeans trägt und das auch noch schön findet, kann sie nicht verstehen. Viele Bewohner des Pflegeheims nicken. Heimbewohnerin Reinhilde Künz hat sich nach der Modeshow mit einigen der Trägerinnen unterhalten. Sie sagt: „Mich haben die Stoffe interessiert, die man früher verwendet hat. Ich kann mich an eine Zeit erinnern, als wir im Handarbeitsunterricht noch keine Nähmaschine hatten.“ Auch sei es erstaunlich, dass man damals so lange Kleider getragen habe. Sie gingen bis zum Boden, und dieser war damals noch nicht asphaltiert. Da sei der Stoff doch bestimmt schmutzig geworden. Und eine Waschmaschine gab‘s bei Sissi bekanntlich auch nicht.
Und was ist eigentlich mit den Männern? Drei Männer haben bei der Modenshow im Emil-Sräga-Haus ebenfalls mitgemacht. Im feinen Zwirn, eher dezent. „Das war damals so üblich“, berichtet Model Luise Maier, „die Herren, die Geld hatten, haben es an den Damen gezeigt, dass sie Geld hatten.“ Sissis Erben sind weiterhin unterwegs. Anfang Oktober zum Beispiel an ein paar Tagen auf dem Schlossfest auf der Mainau.