Singen – Er sitzt noch gar nicht richtig am Klavier, da geht es auch schon los. Die Finger gleiten geschmeidig über die Tastatur, die Töne Perlen durch den Saal. Enrico Pieranunzi steht eben nicht erst seit gestern auf der Bühne. Der 74-Jährige kann mittlerweile auf eine beachtliche Karriere zurückblicken. Mehr als 70 Alben hat er aufgenommen, hat sowohl auf der Bühne als auch im Studio mit einer Vielzahl anderer Jazz-Größen zusammengearbeitet. Chris Potter, Chet Baker oder auch Paul Motian gehören zu seinen Partnern, um nur ein paar davon zu nennen. 2014 erhielt der gebürtige Römer den Deutschen Echo Jazz als bester internationaler Tastenkünstler.
Doch obwohl er eine unglaubliche Routine an den Tag legt, kann hier von Altersmüdigkeit keine Rede sein. Der Pianist sitzt dermaßen entspannt an seinem Instrument, dass man die Anwesenheit des Publikums in der Singener Gems glatt vergessen könnte. Trotzdem sind alle seine Interpretationen voller Schwung und Vitalität. Mit einer kindlichen Freude spielt er Klassiker à la „My Foolish Heart“ vielleicht schon das hundertste Mal vor Zuhörern und trotzdem nimmt man Pieranunzi seine Begeisterung zur Musik voll ab. Schelmisch neckt er seine beiden Trio-Partner, Bassist Thomas Fonnesbaek und Schlagzeuger Mauro Beggio, täuscht die ersten Akkorde an, um dann doch mit etwas ganz anderem loszulegen. Da ist es wohl mehr als passend, wenn er im Jazzclub seine Eigenkomposition „The Heart of a Child“ spielt.
Sowohl Fonnesbaek als auch Beggio sind eine ideale Ergänzung für den agilen Römer. Sie geben ihm genau den richtigen Rahmen, um sich an seinem Instrument auszutoben, stehen ihm aber dennoch nicht nach. Die Kombo ist da sehr ausgewogen in ihrem Zusammenspiel. Die Solos von Bass und Schlagzeug sind ebenso mitreißend wie die des Maestros selbst. Leidenschaft für ihr Tun, die merkt man dem ganzen Ensemble an. Jeder Ton sitzt, die Musiker sind ohne Frage versiert, und dennoch ist es alles ein großer Spaß für die drei Männer – und für die Zuhörer.