Amokläufe, Burnout, Naturkatastrophen, Terroranschläge – alles schlimme und schreckliche Dinge, die sich niemand wünscht, die aber trotzdem vorkommen. Und die zum täglichen Brot von Karin Clemens gehören. Clemens ist Psychologin und Therapeutin, sie leitet als Geschäftsführerin das Unternehmen Humanprotect Consulting, das eine Tochter der R+V Versicherungen ist und seinen Sitz in Köln hat. Das Kerngeschäft des Unternehmens: psychologische Nothilfe nach schlimmen Ereignissen. Am Donnerstag, 20. April, ist sie zu Gast beim Wirtschaftsforum in der Singener Stadthalle. Unter dem Titel „Meine Resilienz stärken – die sieben Säulen der Resilienz“ will sie Mitarbeitern von Unternehmen dabei helfen, widerstandfähig gegen Unsicherheiten zu werden.

Wenn Clemens über die Arbeit spricht, die sie selbst und ein bundesweites Netzwerk von Psychologen und Therapeuten erledigen, klingt das wie eine Zusammenstellung all dessen, was man sich gerade nicht wünscht: „Wir sind im Einsatz nach Terroranschlägen oder nach Amokläufen wie in Freising, Winnenden oder im Münchner Olympia-Einkaufszentrum.“ Auch nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs sei die psychologische Nothilfe des Unternehmens gefragt gewesen.

Fabian Hambüchen, Olympiasieger und Weltmeister Kunstturnen, ist Gastredner der Abendveranstaltung beim Wirtschaftsforum in der Singener ...
Fabian Hambüchen, Olympiasieger und Weltmeister Kunstturnen, ist Gastredner der Abendveranstaltung beim Wirtschaftsforum in der Singener Stadthalle. | Bild: Georg Wendt/dpa

In der Frühzeit von Humanprotect sei sie sogar nach New York geflogen, erzählt die 58-Jährige. Sie sei gerade dabei gewesen, mit einem Kollegen ein Netzwerk aus Psychologen und Therapeuten aufzubauen, die Nothilfe leisten können, als am 11. September 2001 der Terroranschlag auf das World Trade Center die Welt erschütterte. Eine Bank mit Sitz in Deutschland, die in New York eine Niederlassung hatte, habe sich damals an sie gewendet, um die dortigen Mitarbeiter und ihre Angehörigen zu betreuen. „Da haben wir Akut-Intervention gemacht“, erzählt Clemens. Auch bei der Flutkatastrophe im Ahrtal im Jahr 2021 sei die Agentur gefragt gewesen.

Betroffene sollen ohne bleibende Schäden leben können

Das Ziel der Einsätze: Menschen, die Traumatisierendes erlebt haben, sollen keine bleibenden psychischen Schäden davontragen. „Deswegen unterstützen wir sehr frühzeitig, damit nichts Schlimmeres passiert“, sagt Clemens. In der Phase nach dem ersten Schock könne ein Experte abschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass jemand psychisch erkrankt. Und in dieser Phase könne man auch mit therapeutischen Methoden Einfluss auf die seelische Heilung nehmen.

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Was Clemens und das Mitarbeiterteam machen, nennt sie im Fachjargon Sekundärprävention. Diese soll dafür sorgen, dass Menschen, die etwas Schlimmes erlebt haben, gar nicht erst erkranken. Im Gegensatz dazu bedeutet Primärprävention, dass man traumatisierende Ereignisse verhindert – was aber nicht immer möglich ist. Ein Beispiel sind schwere Arbeitsunfälle, bei denen ein Mitarbeiter verletzt wird und Kollegen zuschauen mussten. Mit Kurzzeittherapien habe man bei der Krisenintervention gute Erfahrungen gemacht.

Tipps für die eigene Widerstandskraft

Doch Menschen können auch selbst ihre Widerstandskraft gegen Krisenereignisse steigern. Als Beispiel nennt Clemens, dass man regelmäßig seine eigenen Gedanken und Gefühle überprüfen könne. Denn Gefühle seien ein Ergebnis von Bewertungen, die wiederum häufig auf frühkindlichen Prägungen beruhen würden. Wer wunde Punkte bei sich erkennt, die regelmäßig zu starken Gefühlen wie Ärger oder Unsicherheit führen, könne auch trainieren, solche Themen mit mehr emotionalem Abstand zu betrachten.

Unter anderem mit praktischen Übungen wolle sie beim Wirtschaftsforum am 20. April vermitteln, wie man widerstandsfähig im Umgang mit Krisen wird – in der Fachsprache Resilienz genannt.

Banküberfälle waren der Ursprung der Tätigkeit

Warum fühlt sich nun ausgerechnet eine Versicherung dafür zuständig, diese Art von Nothilfe anzubieten? Clemens erklärt das mit den Ursprüngen des Unternehmens. Um die Jahrtausendwende seien Banküberfälle ein großes Problem gewesen. Die heutige Unternehmensmutter R+V versichere auch Banken und habe jemanden gesucht, der Opfer von Banküberfällen betreuen kann, erzählt Karin Clemens. Sie habe damals als Therapeutin in der ersten Trauma-Ambulanz Deutschlands in Köln gearbeitet und sei in das Thema eingestiegen.

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Mittlerweile seien Berufsgenossenschaften, Banken, Versicherungen und andere Unternehmen ihre Auftraggeber. Teilweise kämen aber auch Privatleute zu ihnen, die von Versicherungen geschickt würden, so Clemens, die nach wie vor selbst auch sehr gerne therapeutisch arbeitet.

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