Rasmus Peters

„You gotta fight for your Right“ von den Beastie Boys dröhnt aus den Lautsprechern vor dem Singener Constellium-Werk. Du musst für dein Recht kämpfen. Verstärkt von lauten E-Gitarren strömen dutzende Arbeitende der Metall- und Elektroindustrie über das Werksgelände. Sie tröten, hupen, pfeifen und trommeln. Ohrenbetäubender Lärm, rhythmisch durchbrochen von hallenden Schlägen auf ein Blechfass. Unter dem Banner der IG Metall versammelten sich am Mittwoch Demonstranten von Constellium, Amcor und 3A Composites, um für mehr Geld in der Lohntüte zu streiken. Der Zug führte innerhalb des Alu-Singen-Werks über die Werkstraße zur neuen Verwaltung. Die Mitarbeitenden fordern acht Prozent mehr Lohn. Sie recken eine Vielzahl Transparente in die Höhe: „Möge die Acht mit uns sein“ oder „Zehn Prozent Inflation, acht Prozent mehr Lohn“. Der Demonstrationszug nähert sich dem sich füllenden Vorplatzes am Haupteingang. Dort läuft derweil ein neuer Song: „Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist wie sie ist, es wär‘ nur deine Schuld, wenn sie so bleibt“, singt die Band Die Ärzte. Der Soundtrack des Warnstreiks ist deutlich: Rock und Punk. Harte Musik geschmiedet in der Arbeiterklasse.

Ein Demonstrant bei der Kundgebung am Haupteingang des Constellium-Werks in Singen
Ein Demonstrant bei der Kundgebung am Haupteingang des Constellium-Werks in Singen | Bild: Rasmus Peters

Mit dem Warnstreik soll der Druck auf die Arbeitgeber weiter steigen. Bereits am 2. November legten in der Region Singen knapp 3000 Mitarbeitende aus der Metall- und Elektroindustrie die Arbeit nieder. Nach Angeboten des Arbeitgeberverbandes spricht Frederic Striegler von der IG Metall Friedrichshafen-Oberschwaben und Singen, von „ersten zarten Pflänzchen zu einer Einigung“.

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Helene Sommer, die erste Bevollmächtigte der IG Metall Friedrichshafen-Oberschwaben spricht von „drei Stellschrauben“ für die anstehende Verhandlung: „Die Einmalzahlung, die Höhe der prozentualen Lohnerhöhung und die Laufzeit der Tarifverträge. Die Forderung steht aktuell bei acht Prozent Lohnerhöhung über zwölf Monate.“ Für den Arbeitgeberverband Südwestmetall spricht Volker Steinmaier. Er sagt auf Anfrage, dass dies unrealistisch sei, die Firmen litten aktuell ebenso unter den Kosten. Im Gespräch mit dem SÜDKURIER betont Steinmaier aber auch den Willen zur Einigung, um einen ausufernden Arbeitskampf zu umgehen.

Thomas Fuchs aus dem Betriebsrat von 3A Composits bei der Kundgebung
Thomas Fuchs aus dem Betriebsrat von 3A Composits bei der Kundgebung | Bild: Rasmus Peters

Thomas Fuchs aus dem Betriebsrat von 3A Composites ruft fragend in die Menge: „Seid ihr bereit für den Arbeitskampf“. Schallender Jubel bricht los, tröten, pfeifen, trommeln. Es folgt ein musikalischer Beitrag, eigens geschrieben von Bernhard Widmann, Betriebsratsvorsitzender bei Constellium. Mit einem roten Bandana im Zeichen der Gewerkschaft singt er im Refrain: „Hey hey Boss, wir brauchen acht Prozent“. BCS-Betriebsrätin Line Burow spricht für die Jugend: „Wir brauchen die acht Prozent, damit sich die Jugend das Leben wieder leisten kann. Die Acht Prozent sind für alle, und damit auch für die Jugend.“

Das bisherige Entgegenkommen eines Inflationsausgleichs von 3000 Euro über 30 Monate fanden auf Arbeitnehmerseite kaum Zustimmung. Etwa bei Sebastian Gola, der eigens seinen Dudelsack zum Warnstreik mitbrachte, kommentiert: „Das ist wie mit dem Tankrabatt, die Arbeitgeber können aber müssen das nicht weitergeben.“

Sebastian Gola mit seinem Dudelsack. Er arbeitet im Constellium-Werk als 1. Packer.
Sebastian Gola mit seinem Dudelsack. Er arbeitet im Constellium-Werk als 1. Packer. | Bild: Rasmus Peters

Für Helene Sommer ist die Aktion schon jetzt ein Erfolg. „Die Hallen sind leer, wer nicht hier ist, ist nach Hause gegangen. Mit dem Werk in Gottmadingen waren es heute bestimmt 2500 Streikende“, sagt sie im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

Streiks verteilen sich auf den deutschen Südwesten

Die Streiks in Singen sind Teil einer umfassenden Protestaktion der Gewerkschaften im gesamten deutschen Südwesten. Über 155.000 Streikende aus über 420 Betrieben vermeldet die IG Metall Singen.
Die nächste und bereits fünfte Verhandlungsrunde wird am Donnerstag, 17. November, in Ludwigsburg stattfinden. Kommt es dann nicht zu einer Einigung, sieht Frederic Striegler eigentlich nur zwei Möglichkeiten: „Entweder den 24-Stunden-Streik oder eine Urabstimmung“. Helene Sommer gibt ihm Recht. „Wir wollen das nicht, wir wollen ein Ergebnis“, sagt sie.

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