Julia Kirby fragt sich, wie sie das alles verarbeiten kann. Sie möchte gern wissen, was auf sie zukommt und wie sie sich vorbereiten kann. Denn: Ihre Mutter hat letztes Jahr die Diagnose Alzheimer bekommen. Zu allem Überfluss kam diese Diagnose auch noch zeitgleich mit dem ersten Lockdown. Das größte Problem an der Sache: Kirbys Mutter lebt alleine in Baden-Württemberg. Tochter Julia ist in England zuhause. In Zeiten ohne Pandemie könnte Julia Kirby eine Angehörigengruppe besuchen. Leibhaftig hingehen, sich aussprechen – jemand würde einen trösten und einem auch mal den Arm um die Schulter legen.

Moderatorin Ruth Schwarz leitet eine Gruppe für Angehörige von Menschen mit Demenz im Servicehaus Sonnenhalde in Singen. Solche Gruppen ...
Moderatorin Ruth Schwarz leitet eine Gruppe für Angehörige von Menschen mit Demenz im Servicehaus Sonnenhalde in Singen. Solche Gruppen sind in der Region rar. Aber jetzt soll es eine weitere Angehörigengruppe geben, auf die die Alzheimer Gesellschaft hinweist. Die Gruppe soll online stattfinden. | Bild: Uli Zeller

Ruth Schwarz leitet eine solche Angehörigengruppe im Servicehaus Sonnenhalde in Singen und hat schon viele Jahre Erfahrungen gesammelt. Wegen der Pandemie treffen sich die Angehörigen derzeit nicht und halten per WhatsApp Kontakt. Schwarz beschreibt, was den Teilnehmern hilft: „Die Angehörigen können sich austauschen. Sie treffen Menschen in ähnlichen Situationen.“ Niemanden störe es, wenn man von seinen Problemen erzählt. Nein, ganz im Gegenteil – es könne anderen sogar helfen. „Die Teilnehmer finden Halt, Anregung und Zuversicht. Und manchmal geht es auch nur um ganz praktische Informationen“, so Schwarz.

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Juli Kirby geht es als Angehörige ebenfalls um einen solchen Erfahrungsaustausch. „Meine Mutter möchte so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden bleiben“, berichtet sie auf einem Einladungszettel der Alzheimergesellschaft Baden-Württemberg. Sie als Tochter suche nach Erfahrungsaustausch. Julia Kirby möchte eine weitere offene Selbsthilfegruppe gründen und leiten, in der sich Angehörige von Menschen mit Demenz digital treffen. „Sich gegenseitig zuhören, einen vertraulichen Raum gestalten, in dem man Ängste und Sorgen aussprechen kann – all das geht auch digital über eine Videokonferenz“, zeigt sich Kirby sicher.

Viele Fragen werden beantwortet

Ruth Schwarz kann gut zusammenfassen, welche Informationen Angehörige suchen: „Das sind alle Arten von Fragen. Die eine interessiert gerade, welche Unterstützung sie von der Krankenkasse bekommen kann. Ein anderer fragt sich, ob er genug tut. Eine Dritte fühlt sich vielleicht einsam und fragt sich, wie sie Kontakte knüpfen kann.“

Zu so einem Bild kann es im Haushalt von Menschen mit Demenz kommen: Der Geldbeutel wird im Kühlschrank oder die Brille im Briefkasten ...
Zu so einem Bild kann es im Haushalt von Menschen mit Demenz kommen: Der Geldbeutel wird im Kühlschrank oder die Brille im Briefkasten abgelegt. Angehörige von Menschen mit Demenz können an ihre Grenzen kommen, wenn die Vergesslichkeit sich auf den Alltag und die Beziehungen auswirkt. Damit Angehörige sich trotz der Corona-Pandemie austauschen können, soll es nun eine neue offene Selbsthilfegruppe für Angehörige von Menschen mit Demenz geben... | Bild: Uli Zeller

Manchmal kämen Teilnehmer an ihre Grenzen. Oft geht es darum, eine Entscheidung zu treffen, hinter der man mit guten Gewissen stehen kann. Da frage sich zum Beispiel jemand: „Darf ich meinen dementen Partner eigentlich zuhause einschließen, wenn ich einkaufen gehe?“

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Rein rechtlich dürfe man das zuhause, wenn „Gefahr in Verzug“ sei, so Schwarz. Aber natürlich müsse man auch mit guten Gewissen hinter dem stehen können, was man tue. Oder jetzt während Corona komme die Frage: „Wie verhalte ich mich, wenn mein Partner es ablehnt, eine Maske aufzusetzen?“ Die neue Online-Angehörigengruppe will genau für solche Anliegen ein offenes Ohr haben.