Wie hat sich die Einsamkeit der Pandemie auf Menschen mit noch nicht abgeklärter Demenz ausgewirkt?

Einerseits konnte die Einsamkeit, die durch die Corona-Maßnahmen entstand, die Entstehung einer Demenz begünstigen. Auch bereits bestehende Demenzen konnten sich durch die Einsamkeit schneller verstärken. Andererseits haben sich Menschen während der Pandemie noch mehr gescheut, mit Symptomen zum Arzt zu gehen. Bereits ohne Pandemie schämen sich Patienten mit demenziellen Symptomen häufig.

Dr. Achim Gowin ist Chefarzt des Zentrums für Altersmedizin des Gesundheitsverbundes Landkreis Konstanz.
Dr. Achim Gowin ist Chefarzt des Zentrums für Altersmedizin des Gesundheitsverbundes Landkreis Konstanz. | Bild: GLKN

Ist denn jeder gleich dement, nur wenn er mal ein bisschen verwirrt ist oder sich zurück zieht?

Nein. Manchmal handelt es sich bei solchen Symptomen überhaupt nicht um eine Demenz. Es könnte zum Beispiel sein, dass jemand depressiv ist. Bei einer beginnenden Demenz ziehen sich Betroffene nämlich häufig zurück. Ganz ähnlich wie bei einer Depression. Gibt es aber eine Diagnose, kann man die richtige Krankheit behandeln.

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Und wenn es doch eine Demenz ist?

Dann ist es wichtig, die Form genauer abzuklären. Es gibt zum Beispiel den Hydrocephalus, den man im Volksmund als Wasserkopf bezeichnet. Dieses Problem ist aber frühzeitig gut behebbar. Lässt man Hirnwasser ab, sinkt der Hirndruck und die demenziellen Symptome lassen nach.

Ist Demenz und Alzheimer eigentlich das Gleiche?

Nein, Demenz ist der Überbegriff über verschiedene Formen. Die Alzheimer-Erkrankung ist die häufigste Form. Aber nicht jede Hirnleistungsstörung sollte man vorschnell als Alzheimer bezeichnen. Darum ist es ja so wichtig, Symptome genau abklären zu lassen. Jede Demenz gehört mit Feingefühl und Engagement abgeklärt.

Was sind andere häufige Formen?

Da gibt es die vaskulären Demenzen, die Blutgefäße betreffen. Und dann sind da noch die Mischformen zwischen vaskulärer Demenz und der Alzheimer-Erkrankung.

Wie klärt man so eine Demenz eigentlich genau ab?

Zunächst führen wir bei uns in der Klinik einen Grundtest mit rund 30 Fragen durch. Da sieht man dann schon einmal eine Tendenz. Parallel dazu schließen wir erst einmal eine Depression aus.

Und weiter?

Dann muss jeder einmal in die Röhre. Wir führen eine Computertomographie (CT) oder – noch besser – eine Kernspintomagraphie (MRT) durch. Dadurch haben wir einen Ausgangsbefund. Ist Hirnmasse geschrumpft, geht es eher in Richtung der Alzheimer-Erkrankung. Sieht man eher Narben und Löcher, deutet das auf einen Schlaganfall hin. Weiter untersuchen wir das Blut. Ein entgleister Diabetes (Zuckerkrankheit) kann zum Beispiel auch demenzielle Symptome hervorrufen. Ist im heißen Sommer der Natriumspiegel zu niedrig, kann dies ebenfalls Verwirrtheitszustände auslösen.

Warum sollte man Demenzsymptome genau abklären lassen?

Einem Menschen pauschal eine Demenz zuzuschreiben, ohne es genau abgeklärt zu haben, ist eine Beleidigung. Schon rein sprachlich bedeutet „De-menz“ so etwas wie „ohne Verstand“. So möchte man doch niemanden bezeichnen. Wer demenzelle Symptome ernst nimmt und genauer abklären lässt, nimmt dagegen den betroffenen Menschen ernst.

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