Es wirkt komisch, fast absurd. Peter Simon, der sein Leben der Schauspielerei widmete, verstellt sich kein bisschen. Das Gespräch aus Anlass seines 80sten Geburtstags hat noch gar nicht richtig begonnen, da platzt es auch schon aus ihm heraus. "Sie müssen mich und meine Frau Milly zuhause besuchen. Im Sommer, wenn es schön ist..." Peter Simon zeigt seine Sympathien ohne Umstände, ist echt und unverfälscht. Authentisch, sagt man heutzutage dazu. Es ist der moderne Ausdruck für ein zu jeder Zeit knapp bemessenes Gut menschlicher Eigenschaft.
Es gibt nicht Wenige, die auf diese Eigenschaft hätten verzichten können, denn Peter Simon hat auch im umgekehrten Fall aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht. Dokumente belegen, wie sehr er sich fetzen konnte. Erst jüngst, bei der Präsentation eines Dokumentationsbandes zum 40jährigen Bestehen des Singener Theaters, bot dies für Oberbürgermeister Bernd Häusler die Grundlage für seine Rede.
Er zitierte aus einem Brief Peter Simons an den Journalisten einer überregionalen Zeitung, der in einer Kritik eine Inszenierung der Färbe in die angebliche Rückständigkeit Singens einordnete. Der Brief ist mehr als eine Beschimpfung. Peter Simon überführt darin den Kritiker just jener Kleingeistigkeit, die er der Färbe und der Stadt wegen ihrer geografischen Lage zuschrieb.
Der Vater als Vorbild
Er selbst konnte sich Dünkelhaftigkeit nicht leisten. Die Mutter musste rechnen – nicht nur wegen der fundamental anderen wirtschaftlichen Umstände in Peter Simons Kindheit und Jugend. Der Vater zieht sich vor den Nazis nach Singen und damit wie viele andere in die Randlage an der Schweizer Grenze zurück, wird zeitweise im Kloster Beuron versteckt. Er stirbt 1942 und der Sohn nimmt das Erbe an.
Lebenslang fragt er sich in schwierigen Situationen, wie wohl der Vater gehandelt hätte. Und auch die Theaterleidenschaft ist vom Vater vorgeprägt. Er ist Regieassistent am Theater und so kommt's, dass Käthe Dorsch, ein bis heute nachklingender Name in der Schauspielerei, die Patentante von Peter Simon wird.
Doch aus dem Theater wird zunächst nichts. Peter Simon verbringt als Alibi-Armer eine Zeit am Internat Salem, er macht eine Lehre als Kaufmannsgehilfe in Stuttgart, übernimmt als Hilfsarbeiter Nachtschichten bei Maggi, ist für jeweils ein Jahr kaufmännischer Angestellter in Unternehmen in Hilzingen und Konstanz. Kurz träumt er von einer Sportlerkarriere, er reitet Turniere, aber ohne eigenes Pferd ist eine solche Laufbahn illusorisch. Nebenher nimmt er Schauspielunterricht in Konstanz und am 24. Mai 1966 legt er die Reifeprüfung beim Deutschen Bühnenverein ab – es ist das offizielle Eintrittsbillett in die Szene.
Gastspiele an vielen Bühnen
Nicht, dass Peter Simon darauf übermäßigen Wert legt. Wichtiger ist ihm die Schauspielerei selbst und so tingelt er durch die Lande. Engagements führen ihn nach Frankfurt, Heidelberg, nach Chur in der Schweiz, dann nach Rendsburg in den hohen Norden, nach Luzern und nach Mainz, dann wieder spielt er in Jagsthausen, bekommt ein Engagement am Staatstheater Darmstadt und steht in Zürich auf der Bühne. Er selbst hat die Stationen samt Rezensionen in zwei dicken Ordnern fein säuberlich dokumentiert und das wiederum zeigt einen weiteren Charakterzug: Peter Simon ist ein akurater Mensch.
Mit Disziplin durchs Theaterleben
Wie überhaupt die Disziplin ihn als Leitstern durch die schillernde Theaterwelt führt. Um 6 Uhr steht er auf, der junge Mann lernt seine Texte im Gehen, an seiner Seite oft ein Hund. Den Hang von Kollegen zur Sauferei beobachtet er mit Ekel, die Kartenspielerei zum Zeitvertreib in den Pausen hat er immer gehasst.
Da bleibt er lieber allein und gegen das Lampenfieber macht er Liegestützen. Klar, das Leben auf Achse führt ihm Amouren zu und manchmal gibt es bei den Beziehungen zeitliche Schnittmengen. Eine Rolle, sagt er, hat er dabei aber nicht gespielt, wusste professionell zwischen Leben und Schauspielerei zu unterscheiden. "Theater ist eine kultische Handlung", sagt er. "Der Schauspieler wird ein anderer und wenn der Zuschauer sich darin vergisst, dann ist die Inszenierung geglückt."
Bei einem Klaus Kinski kann das zu einem gefährlichen Experiment ausarten, das weiß Peter Simon, er selbst aber vermengt die Lebenswelten nicht. Die Strapazen des Berufs jedoch kennt er nur zu genau und so nimmt er sich 1977 eine Auszeit. Zusammen mit Milly van Lit lässt er sich in Singen nieder, baut für seine Lebenspartnerin in der gepachteten Färbe einen Ballett-Saal ein und als 1978 als Nebenprodukt die Inszenierung "Warten von Godot" auf der Bühne der Singener Kultkneipe abfällt, ist das die Geburtsstunde des Singener Theaters "Die Färbe".
Das Stück wird ein Erfolg und Peter Simon hat damit seine Bestimmung für die zweite Lebenshälfte gefunden. Mehr und mehr wächst ihm die Rolle des Impressarios zu, er versucht das Haus auch finanziell auf eigene Beine zu stellen. Das kann nicht gelingen und also kämpft Peter Simon um Zuschüsse, legt sich an, streitet. Im Rückblick vollzieht sich der Wandel vom Schauspieler, der im Grunde nichts anderes als seine Profession im Sinn hat, zum Regisseur und Theatermanager. Es ist der Weg aus dem Elfenbeinturm der Kunst in die harte Realität ihrer Umstände.
Ein Geschenk für die Stadt Singen
Geschenkt bekommt er dabei wenig, aber er gibt viel. Zahlreichen Schauspielern eröffnet er den Weg in den Beruf, er leitet an, gilt vielen als unerbittlicher Lehrmeister. "Ich kenne keine Tötungsart, die ich mir bei ihm nicht überlegt habe", sagt seine ihn seit mehr als drei Jahrzehnte begleitende Dramaturgin und Nachfolgerin Cornelia Hentschel schmunzelnd, "aber er hatte leider in allem immer Recht." Das hat auch die Stadt Singen längst erkannt, Peter Simon und seine Färbe gilt ihr als Geschenk. Eines muss er deshalb jetzt annehmen: Es ist die tiefe Verneigung.
Was soll die Feier?
Wie feiert man seinen Geburtstag, wenn er auf den 24. Dezember fällt? Laut Cornelia Hentschel, die mehr als ihr halbes Leben Wegbegleiterin des Färbe-Gründers ist, macht sich Peter Simon nicht viel aus dem Tag. Die Arbeit sei ihm stets wichtiger gewesen und so standen auch an Weihnachten die Vorbereitungen für die nächsten Aufführungen im Vordergrund – nicht selten werkelte der handwerklich begabte Peter Simon am Bühnenbild. Zu ihren Lebzeiten habe Peter Simon an Heiligabend seine Mutter besucht, heute werde er sich vermutlich mit seiner Ehefrau Milliy van Lit einfach nur einen gemütlichen Abend machen. (tol)