Das Anruf-Sammeltaxi kommt beim SÜDKURIER-Test pünktlich an die Gottmadinger Haltestelle Kornblumenweg. Dort sind früher Leute aus dem Wohngebiet in den Bus eingestiegen, um nach Singen zu kommen. Viele Gottmadinger, vor allem ältere Bürger, monieren, dass die Busverbindung nach Singen vor einigen Jahren gestrichen wurde und nur noch Züge verkehren. Parallelfahrten sollten dadurch vermieden werden und die gesparten Kosten Zubringer-Verbindungen zugute kommen. Der Weg wird für gehbehinderte Menschen besonders mühsam, seit Aufzüge an den Bahnhöfen immer wieder ausfallen. Dabei kann ein Anruf-Sammeltaxi für eine bequeme Fahrt sorgen. Bei einer SÜDKURIER-Veranstaltung berichtete die Kandidatin für den Gottmadinger Senioren-Beirat, Marie-Therese Oni, dass ältere Bürger das Ruftaxi meiden, weil es für viele umständlich sei, wenn sie es telefonisch bestellen müssen. Vereinzelt sei es gar nicht gekommen.
"Die Fahrgastzahlen sind noch spärlich. Es werden nun aber fast täglich Taxi-Fahrten angefordert. Beschwerden kamen noch nicht. Solche gehen erfahrungsgemäß direkt an das Rathaus", berichtet Matthias Kossmann vom Gottmadinger Hauptamt. Im Rathaus informiere ein Flugblatt gut, wie das Ruftaxi bestellt werden kann.
Andernorts finden Ruftaxi-Linien eine wesentlich bessere Nachfrage. Das berichtet ein Steißlinger Fahrgast, der im Gewerbegebiet Goldbühl bei der SÜDKURIER-Taxifahrt zusteigt. Im bequemen Ambiente lässt es sich gut plaudern. "Steißlinger nutzen Anruf-Sammeltaxis ganz stark, besonders, wenn die abends bis nach Mitternacht anstelle von Bussen im Einsatz sind. Bei großem Andrang kommen mitunter sogar zwei oder drei Taxis", schildert der 20-jährige Simon Würfele. Er fährt regelmäßig zu seinen Schichten als Mechatroniker mit dem Ruftaxi von Steißlingen nach Gottmadingen und zurück, tagsüber über den Singener Bahnhof zur Weiterfahrt mit dem Bus. "Bisher gab es kein Probleme. Wenn ich in einer Woche jeden Tag fahre, reicht ein einmaliger Anruf", so Würfele. "Einige ältere und jüngere Leute fahren öfters mit dem Ruftaxi zwischen Gottmadingen und Singen. Andere Linien sind aber besser belegt", berichtet Taxifahrer Hasan Batalli.
Die Stadtwerke Singen setzen verstärkt auf den Einsatz von Anruf-Sammeltaxis. Besonders Nachtschwärmer aus den Singener Stadtteilen sollen davon profitieren. So ist es möglich, deutlich nach Mitternacht noch von Singen aus zurück nach Bohlingen, Überlingen, Hausen, Beuren und Friedingen zu gelangen. "Wir hatten im Jahr 2017 auf den Linien des Anruf-Sammeltaxis bis 23 Uhr 11 733 Fahrgäste und auf der Nachtlinie ab 23 Uhr 5687 Fahrgäste. Wir beförderten ebenfalls 1172 Fahrgäste mit Mobilitätseinschränkungen im Anruf-Sammeltaxi,", schildert Carlo Maroni, der bei den Stadtwerken Singen für den Verkehr zuständig ist. Das Ruftaxi sei im vergangenen Jahr etwa 78 000 Kilometer im Stadtgebiet und den Ortsteilen gefahren. "Die Information für die Nutzer wird im jährlich erscheinenden Fahrplanheft bereit gestellt. Wir machen aus Kostengründen keine weitergehende Werbung, da uns das Anruf-Sammeltaxi im Jahr etwa 120 000 Euro und die Nachtlinie um die 70 000 Euro kostet", erklärt Maroni.
Das Modell und die Praxis
- Bedarfsorientierte Verkehre: „Anruf-Sammeltaxis sind eine bedarfsorientierte Bedienungsform im Öffentlichen Personen-Nahverkehr, die europaweit in Schwachverkehrszeiten zum Einsatz kommt. Da Standardlinienbusse in diesen schwach frequentierten Zeiten nur mit sehr wenigen Fahrgästen besetzt sind, stellt dies eine ökologisch sinnvolle Alternative zum Buseinsatz dar“, betont Benedikt Graf, Pressesprecher des Landratsamtes Konstanz, das zusammen mit den Beförderungsunternehmen und dem Verkehrsverbund Hegau-Bodensee (VHB) den ÖPNV koordiniert. „Da der Landkreis durch die europaweite Ausschreibung ein attraktives Angebot, insbesondere in der Neben- und Schwachlastverkehrszeit, anbieten möchte, wird es ab 2020 auch bedarfsorientierte Verkehre auf verschiedenen Linien geben. Wo solche zum Einsatz kommen, resultiert aus Fahrgasterhebungen“, schildert Graf.
- So funktioniert das AST: Die Anruf-Sammeltaxis (AST) fahren im Auftrag der Südbaden Bus Gesellschaft. Es gibt ein beschränktes Platzangebot. Sie sind nicht als reine Innerortsverkehre konzipiert. Anmeldung bei AST-Zentrale unter (0 77 32) 942 33 38 spätestens 45 Minuten vor Abfahrt. Es gelten die VHB-Tarife. Ausstiege sind auf Wunsch zwischen den Haltestellen für 1 Euro Aufschlag möglich. Anruf-Sammeltaxis sind auf den Fahrplänen mit einem Taxi-Symbol gekennzeichnet. Anruf-Sammel-Taxis in Singen fahren im Auftrag der Stadtwerke Singen. Sie müssen bis spätestens 30 Minuten vor Abfahrt unter (0 77 31) 16 99 33 bestellt werden. Tagsüber ist die AST-Benutzung für Besitzer von Monats- und Jahreskarten des VHB kostenlos, Einzelfahrten 2,20 Euro (ermäßigt 1,20 Euro). Für die Nachtlinie muss zum VHB-Tarif ein Zuschlag von vier Euro bezahlt werden. Ohne Zeitkarten sind 5 Euro (ermäßigt 4 Euro) fällig. Das Nachttaxi fährt aber – im Gegensatz zu den Tageslinien – von Haustüre zu Haustüre.
Weitere Informationen: www.vhb.de und www.stadtwerke-singen.de