Wird in Städten und Gemeinden der Klimaschutz ausreichend schnell vorangetrieben? Nein, meinen Jana Akyildiz, Beate Weber und Mario Hüttenhofer. Und das vor allem vor dem Hintergrund des Aufsehen erregenden Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts, der Ende April veröffentlicht wurde. Das Gericht hat das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung als unvereinbar mit den Grundrechten eingestuft, sinngemäß weil zu viel der angestrebten CO2-Verringerung auf künftige Generationen abgewälzt wird. Denn konkrete Maßnahmen für eine weitere Reduktion nach dem Jahr 2013 würden in dem Gesetz fehlen, kritisierten die Verfassungsrichter.

Zeit zu handeln, meinen nun Akyildiz, Weber und Hüttenhofer. Alle drei sind bei den Grünen in Ortsverbänden im Hegau aktiv, Akyildiz in Rielasingen-Worblingen, Weber im Ortsverband Steißlingen-Volkertshausen und Hüttenhofer in Singen. Und sie haben schon im November 2020 die Initiative ergriffen für ein Positionspapier der Grünen auf Kreisebende. Dass der Anstoß von der Parteibasis aus dem Hegau kommt, hält Hüttenhofer für eher ungewöhnlich, sind die Grünen doch besonders in der Stadt Konstanz stark. Das Papier enthält elf Punkt und wurde mittlerweile auch vom Grünen-Kreisverband Konstanz bei der Mitgliederversammlung verabschiedet.

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Und was steht nun in dem Papier? Unter anderem ist die Rede davon, dass Kohlenstoffdioxid-Budgets in den Gemeinden festgelegt werden und ein Klimaschutzmanager wie ein Kämmerer arbeiten soll: Ist das Budget aufgebraucht, kann man nicht mehr freisetzen. Dazu gehöre auch festzulegen, bis zu welchem Jahr welche Reduktion erreicht werden muss, samt einer Überprüfung. Gerechtigkeit und Bürgerbeteiligung sind weitere Stichworte.

Viele Ideen für konkrete Schritte, ehe man auf ein fertiges Konzept wartet

Die drei Initiatoren haben im Gespräch noch eine Menge anderer Ideen für Klimaschutz auf kommunaler Ebene. Mehr Anreize für die Gebäudesanierung beispielsweise, ein schnellerer Ausbau von erneuerbaren Energien oder ein Wettbewerb unter den Kommunen, wo es die am besten funktionierenden Ideen gibt, gehören dazu. Und Beate Weber ist wichtig, dass bei alldem auch die Menschen vor Ort mitgenommen werden. In Klimagesprächen könne man die Ideen der Bürger sammeln. Und um alle Akteure im Kreis Konstanz ins Gespräch zu bringen, soll es laut dem Papier auch ein Vernetzungstreffen für Klimaschützer geben.

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Begonnen habe alles damit, dass die Grünen bei der Kommunalwahl 2019 zahlreiche neue Sitze bekommen haben, erzählt Akyildiz beim Pressegespräch per Video-Telefonat. Das Positionspapier soll eine Handreichung für sie, aber auch für alle anderen Mitglieder von kommunalen Gremien in Gemeinden und im Kreis sein, sagt Hüttenhofer. Die Erkenntnis, dass sich etwas ändern muss, sei bei vielen Menschen gewachsen, ist der Eindruck von Beate Weber.

Doch auch die Glaubwürdigkeit der Grünen als Klimaschutzpartei habe vor der Landtagswahl im März auf dem Spiel gestanden, erklärt Hüttenhofer. Nicht zuletzt die neu aufgetretene Klimaliste habe dieses Thema auf die Tagesordnung gebracht. „Die Wahrnehmung war teilweise, dass die Grünen zu sehr im etablierten Politikgeschehen drinstecken“, sagt Beate Weber.

Auch in den eigenen Gemeinden soll es rascher vorangehen

Auch für ihre eigenen Gemeinden würden sich die drei wünschen, dass es mit dem Klimaschutz rascher vorangehe. Konzepte für Klimaschutz und Verkehr würden viel Zeit brauchen. In Singen hat der Gemeinderat kürzlich den Grundsatzbeschluss gefällt, das Klimaschutzkonzept weiterzuentwickeln und eine kommunale Wärmeplanung aufzustellen, die laut Landesgesetzgebung fällig wird. Bearbeitungszeit durch eine entsprechende Fachagentur: Zwölf bis 14 Monate. „Doch schon davor kann man konkrete Maßnahmen ergreifen“, appelliert Hüttenhofer. Nicht zuletzt habe Oberbürgermeister Bernd Häusler die CO2-Neutralität bis 2035 als Ziel ausgegeben. „Ein sehr ambitioniertes Ziel“, wie Hüttenhofer bemerkt: „Da zählt jedes Jahr.“

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Wie realistisch ist es, dass die Forderungen der Grünen gehört werden? Mario Hüttenhofer hält das für „super-realistisch“. Denn der nächste trockene und heiße Sommer werde sicher kommen. „Der Klimawandel geht nicht weg“, sagt er und eigentlich sei es eher eine Krise, die man auch wie eine Krise behandeln müsse. Gerade in der Corona-Pandemie habe sich gezeigt, wie effektiv es sein kann, wenn alle rasch und gleichzeitig handeln, so sein Vergleich. Und das Argument, dass das kleine Deutschland ohnehin nichts bewegen könne, will Jana Akyildiz nicht gelten lassen. Der Pro-Kopf-Ausstoß an CO2 sei in Deutschland doppelt so hoch wie im weltweiten Durchschnitt. Und Beate Weber ergänzt, das könne keine Entschuldigung sein, nichts zu tun.