Eine größere Gemeinschaftsunterkunft (GU) des Landkreises für bis zu 120 neu angekommene Flüchtlinge wird es – zumindest vorerst – auf der Insel Reichenau nicht geben.

Der Gemeinderat lehnte denkbar knapp den Vorschlag von Bürgermeister Wolfgang Zoll ab, dem Landkreis hierfür im Gewerbegebiet Tellerhof die Wiese östlich des Feuerwehrgerätehauses zunächst für fünf Jahre zu verpachten: mit vier Nein- gegen zwei Ja-Stimmen und bei acht Enthaltungen.

„Wir hätten unser Defizit kompensiert“

„Ich bedaure das sehr“, sagte Zoll. Er habe dies als Chance gesehen, denn es gebe dringend Handlungsbedarf bei der Unterbringung von Asylbewerbern. „Wir hätten unser Defizit kompensiert und die kommenden Jahre den Rücken frei.“ Für die Gemeinde wie den Landkreis hätte sich eine Win-Win-Situation ergeben, meinte der Bürgermeister.

Denn klar sei, dass die Gemeinde nun selbst auf eigene Kosten und recht bald an mehreren Standorten kleinere Unterkünfte für die so genannte Anschlussunterbringung schaffen müsse, also von Flüchtlingen, deren Asylantrag anerkannt worden ist oder die bereits zwei Jahre lang in einer Gemeinschaftsunterkunft gelebt haben.

In der Gemeinde fehlen jetzt schon 51 Plätze

Denn die wieder deutlich steigende Zahl an Flüchtlingen, die in Deutschland ankommen und Asyl beantragen, sorgt im Landkreis Konstanz für Probleme. Irgendwo müssen die Menschen untergebracht werden, die das Land der Region jeden Monat zuweist. Und Reichenau hinkt bei der Anschlussunterbringung schon lange hinterher und bezahlte deshalb in den vergangenen Jahren eine Fehlbelegungsabgabe an den Kreis.

114 Flüchtlinge sollte die Gemeinde aktuell schon untergebracht haben, es sind aber nur 63. 51 Plätze fehlen. Damit liege Reichenau im kommunalen Ranking im Landkreis auf Platz 24, erklärte Monika Brumm, die Leiterin des Amts für Integration im Landratsamt, im Rat. Zugleich müsse aber auch der Landkreis stetig mehr neu zugewiesene Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften aufnehmen. Deshalb sei man dabei, weitere aufzubauen.

100 neue Flüchtlinge pro Monat im Landkreis

„Die Zeit drängt etwas“, sagte Brumm. „Wir sehen, dass wir bis Ende des Jahres in eine Not geraten werden.“ Man erwarte jeden Monat im Schnitt 100 neue Flüchtlinge im Kreis, bis vergangenen Sommer sei man noch von 30 ausgegangen. Das bedeute, dass auch die Kommunen mehr Menschen aufnehmen müssten. Der Gemeinde Reichenau würden nach aktuellem Stand allein bis April 13 Flüchtlinge zugewiesen.

Doch Brumm und Zoll warben im Rat vergeblich für eine größere Gemeinschaftsunterkunft. Zoll argumentierte, dass die 120 Flüchtlinge in der GU der Gemeinde bei ihrem Aufnahme-Soll angerechnet würden. Man müsste also bis auf Weiteres keine Anschlussunterbringung ermöglichen. Und die Kosten, Betreuung und Organisation der GU lägen allein beim Landkreis.

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Monika Brumm räumte ein, dass 120 Menschen sich schon viel anhöre. Aber bei dieser GU-Größe sei immer genug Personal vor Ort – Heimleitung, Hausmeister, Sozialarbeiter und notfalls Security. Und die Gemeinde würde Zeit gewinnen, um später noch Räume für eine Anschlussunterbringung zu schaffen.

Unterschiedliche Meinungen im Rat

Einige Räte äußerten sich zwiespältig. „Ich glaube, die Zeit würde uns gut tun“, sagte Matthias Graf (CDU). Armin Okle (Freie Wähler) meinte, die GU-Lösung hätte schon Charme, aber: „Im Moment sind zwei Herzen in meiner Brust. 120 auf einmal ist schon eine riesige Hausnummer.“ Laut Grundsatzbeschluss des Gemeinderats sollen Flüchtlinge in kleineren Einheiten mit um die 20 Personen aufgenommen werden, um die Integration möglichst zu erleichtern.

Gabriel Henkes (Freie Liste Natur) klagte: „Wir haben nicht alle Möglichkeiten durchdiskutiert.“ Stephan Schmidt (FW) äußerte Bedenken, wenn es viele Familien mit Kindern gäbe, die dann alle auf einmal in Schule und Kindergärten von der Gemeinde betreut werden müssten. „Das darf man nicht unterschätzen.“ Er sowie Graf und Thorsten Schneider (FW) schlugen als Alternative einen Standort auf dem Reichenauer Festland vor.

Alternativen auf dem Festland

Speziell geht es dabei um ein Grundstück im Gewerbegebiet Göldern, das die Gemeinde jüngst von einem vormaligen Interessenten für 130.000 Euro zurück erworben hat. Doch ob dieses für eine GU reichen würde, ist zweifelhaft. Der Bürgermeister sagte nach der Sitzung: „Ich vermute, dass das Grundstück zu klein ist.“ Das im Tellerhof habe rund 2000 Quadratmeter, das in Göldern nur circa 770.

In der Gemeinde Reichenau gibt es Überlegungen, auf diesem noch freien Grundstück im Gewerbegebiet Göldern eine Unterkunft für ...
In der Gemeinde Reichenau gibt es Überlegungen, auf diesem noch freien Grundstück im Gewerbegebiet Göldern eine Unterkunft für Flüchtlinge zu errichten. Es hat allerdings nur rund 770 Quadratmeter. Rechts im Bild das fast fertige Gebäude der Firma Sanitär und Herizung Hueske sowie das im Bau befindliche des Solartechnik-Anbieters rmSolar. | Bild: Zoch, Thomas

„Für mich ist das ein Grundstück für die Anschlussunterbringung“, meinte Wolfgang Zoll. Wobei noch die bauplanungsrechtliche Voraussetzung geschaffen werden müsste, damit Menschen im Gewerbegebiet wohnen könnten. Zudem müsse die Gemeinde in den kommenden Monaten auch den Tellerhof für die Anschlussunterbringung angehen. Bereits im vergangenen Jahr hatte der Rat beschlossen, im Sandseele eine Unterkunft aus Containern für 20 bis 25 Personen zu errichten. Dies verzögert sich wegen Lieferschwierigkeiten.