Georg Lange

Friseurmeisterin Sandra Auer ist die Begeisterung deutlich anzumerken. „Es war unglaublich. Man ist von einer Gänsehaut zur nächsten geflogen. Es haben sich wirklich alle sehr gefreut“, berichtet sie über die Telefonate zur Wiedereröffnung ihres Geschäftes an der Seestraße in Radolfzell.

Wegen der Corona-Pandemie hatte sie vor sieben Wochen zwangsweise die vereinbarten Termine absagen und ihren Betrieb schließen müssen. In dieser Woche nun waren die betroffenen Kunden von damals die ersten, die bei ihr einen Termin für einen Haarschnitt in der „Glückssträhne“ bekamen.

Tamara Gillert, Friseurmeisterin des Salons Eden-Hair in der Poststraße, ging es ähnlich. Kunden hätten ihr Blumen als Dankeschön und Ausdruck der Wertschätzung mitgebracht. Die Auftragsbücher der Meisterinnen sind bis zum Monatsende voll.

Im Radolfzeller Friseurbetrieb „Eden-Hair“ herrscht bei Tamara Gillert auch im offen sichtbaren Farblabor Transparenz bei ...
Im Radolfzeller Friseurbetrieb „Eden-Hair“ herrscht bei Tamara Gillert auch im offen sichtbaren Farblabor Transparenz bei jedem Arbeitsschritt. | Bild: Georg Lange

Auf dem Boden der „Glückssträhne“ sind Pfade für die Kunden aufgeklebt, um Mindestabstände einhalten zu können, falls sich zwei zugleich im Geschäft aufhalten. Sandra Auer beschäftigt vier Mitarbeiter, die in drei über den Tag verteilten Schichten die Haare der Kunden waschen, frisieren und föhnen. Der Betrieb hat sich ein besonderes Risiko-Management erarbeitet: Jede Schicht endet mit einer halbstündigen Schließung, damit sich die Mitarbeiter aus dem Weg gehen können – und der Betrieb trotzdem geöffnet bleiben könnte, falls Kunden Infektionen mitgebracht haben. Aufgenommen werden auch die Kontaktdaten der Besucher. Falls sich jemand ansteckt, geht die Liste an das Gesundheitsamt.

Ungewohntes Arbeiten mit Mund- und Nasenschutz

Neu sei das Arbeiten mit Maske, sagt Sandra Auer. Das Reinigen der mechanischen Geräte sowie das Desinfizieren der Werkzeuge müsse man als Friseurin von jeher machen. Die Handschuhpflicht findet sie sogar positiv – das sei auch ein Modell für die Zukunft.

Auf ihr Team ist Sandra Auer stolz. Es sei ihr sehr schwer gefallen, die Mitarbeiter in die Kurzarbeit zu schicken. Sie standen ihr in der Krise bei, übernahmen den Umgang mit den sozialen Medien und entwickelten mit ihr die Umsetzung von Vorschriften. Sehr angetan war die Friseurmeisterin auch von den Informationen, die sie von der Aktionsgemeinschaft Radolfzell, der Stadt und der Industrie- und Handelskammer während der Krise erhielt. Die freie Zeit habe sie genutzt, um sich im Internet in Schulungen der Branchenführer weiterzubilden, erzählt sie.

Tamara Gillert von Eden-Hair war bereits vor der Corona-Pandemie auf mögliche Notzeiten vorbereitet. Als Solo-Selbstständige hatte sie Vorkehrungen für unvorhergesehene Ausfälle getroffen. Zwar litt auch sie unter dem Verlust von Einnahmen, doch die Friseurmeisterin mit den Zwölfstundentagen nahm die Schließung ihres Betriebes als eine Art Urlaub. Wann habe man schon mal sechs Wochen für sich selbst, gewinnt sie der Krise eine positive Seite ab.

Friseurmeisterin vermisst ihre Kundschaft

Gillert vermisste allerdings ihre Kundschaft. Zur Wiedereröffnung erhielt sie viele Anrufe von Kunden, die erleichtert darüber waren, dass ihr Geschäft überlebt hat – ein schönes Gefühl, gebraucht und wertgeschätzt zu werden.

Gegründet hatte sie ihren Friseurbetrieb in Radolfzell vor einem Jahr. Mit ihrer Schwiegermutter bereitete sie nun die Wiedereröffnung nach der Zwangspause vor. Sie desinfizierten die Räume und Böden, brachten Plakate mit den Hygienevorschriften an und errichteten einen Servicetisch, an dem Kunden ihre Hände desinfizieren können.

Allein für sich selbst benötige sie neun Masken am Tag, erzählt Gillert. Für jeden Kunden hält sie eigene Handtücher und Frisierumhänge bereit. Ohne eine Maske wird nicht frisiert. Und wie Sandra Auer kennt auch sie Tricks, wie man Konturen schneiden kann, obwohl die Kunden Mundschutz tragen.

Extras sind momentan nicht drin

Was Gillert bedauert: Der Zusatzservice, den sie für gewöhnlich bietet, muss derzeit ausfallen. Ein Latte Macchiato mit Gebäck sowie eine Zeitschrift zum Lesen während der Wartezeit beim Färben der Augenbraue – das ist momentan Schnee von gestern. Gesichtsbehandlungen mit dem Schneiden und Färben von Brauen sind ebenso wie das Trimmen von Bärten untersagt. Ungewohnt auch: Selbst beim Kurzhaar- und Maschinenschnitt für Männer ist das Waschen der Haare jetzt Pflicht.

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Eine Veränderung bemerkt Gillert auch bei den Gesprächen mit ihren Kunden – und das nicht nur, weil sie durch die Maske nicht mehr so deutlich zu verstehen sind. Früher berichteten sie darüber, was sie am Nachmittag oder Abend noch so vorhaben. Nun würden die meisten nur noch kurze Einkäufe erledigen und dann nach Hause gehen.