Tom Leonhardt ist barfuß. Draußen ist es heiß, in seinem großen Atelier in der Freien Kunstschule Wangen etwas kühler. Er sitzt entspannt auf dem großen Sofa und dreht sich erst einmal eine Zigarette.

Seine Antworten kommen bedächtig, er überlegt, bevor er erklärt, wie er die vergangenen zwei Jahre erlebt hat: „Durch die Pandemie wurde mir von heute auf morgen die Arbeitsgrundlage entzogen“, erzählt er. „Es gab keine Ausstellungen und keine Veranstaltungen mehr, meine Schule musste ich schließen.“

Sein Unterricht funktioniert nur in Präsenz

Die Freie Kunstschule Wangen ist als öffentlicher Ort konzipiert: Es gibt den großen Unterrichtsraum für etwa sieben Malschüler, Leonhardts eigenes Atelier und im Keller einen kleinen Veranstaltungsraum, wo Konzerte oder Lesungen stattfinden. Denn nicht nur Berufliches ist dem Künstler weggebrochen, auch privat verloren sich Kontakte, etwa die zu seiner Band. „In meiner Band habe ich die Rolle des Sängers und Texters, Gitarrist ist ein sehr versierter Instrumentalist“, sagt er.

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„Ich habe meinen Malschülern angeboten, Kontakt über das Internet zu halten. Aber Kunstunterricht, so wie ich ihn anbiete, funktioniert nur in Präsenz. Denn die Unmittelbarkeit, von der die Bildende Kunst lebt, kann man nicht ersetzen.“ Er habe finanzielle Hilfe vom Staat beantragt und auch etwas bekommen: „Die Coronahilfe hat uns den Hintern gerettet.“

Kein Netzwerken möglich

Da die Netzwerkarbeit, die für einen freischaffenden Künstler so wichtig ist, flach fiel, bleiben auch Angebote für Ausstellungen aus. „Ich hatte ein Angebot nach Berlin. Aber dort, wo die Ausstellung stattfinden sollte, sind heute ukrainische Flüchtlinge untergebracht. Hätte ich nicht die Schule, könnte ich nicht leben.“

Über das Internet biete er keinen Verkauf an, er lade immer in sein Atelier ein: „Denn sonst bleibt nur die Idee vom Bild, nicht das Bild selbst.“

„Ich lebe im Hier und Jetzt“

Dennoch kann Tom Leonhardt der Pandemie auch etwas Gutes abgewinnen. Er habe seit langem nicht mehr so intensiv gearbeitet wie in den vergangenen beiden Jahren. „Ich lebe im Hier und Jetzt, meine Bilder reflektieren das.“

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Das zeigt sein Bild mit dem Titel „Tango“: Die völlige Isolierung von Menschen in Luftblasen, die sich nicht berühren und durch die Unendlichkeit driften. Immerhin sind es tanzende Paare, die die Sehnsucht nach dem Positiven zeigen. „Hier an der Hauptstraße, die über die Höri führt, war fast kein Verkehr, ich hörte die Vögel zwitschern. Die Stille machte Konzentration möglich, denn Malerei hat für mich immer auch etwas Meditatives.“

Tom Leonhardts Bild „Tango“ zeigt, wie isoliert Paare in der Pandemie waren
Tom Leonhardts Bild „Tango“ zeigt, wie isoliert Paare in der Pandemie waren | Bild: Veronika Pantel

Er lässt sich nicht unterkriegen

Leonhardt fühlte sich von seinen beiden kräftezehrenden Jobs als Künstler und Kunstvermittler manchmal ausgebrannt, denn die pädagogische Arbeit sei zwar bereichernd, aber auch anstrengend. Mit Kindern arbeitet der Künstler ganzheitlich, singt mit ihnen, geht an den See und lässt sie kreativ arbeiten: „Es gibt kein Richtig oder Falsch. Man lernt bei mir Sehen.“

Begabte Jugendliche bereitet er auf Mappenvorlagen vor, so konnte ein Schüler in London studieren, eine Schülerin in Kiel und eine weitere trat ihre Lehrstelle als Kirchenmalerin in Leipzig an. Und die Erwachsenen? „Jeder bringt seine eigene Geschichte, sein eigenes Drama mit. Das belastet natürlich auch emotional.“

Und seit Februar 2022 ist er durch den Ukraine-Krieg noch deutlich mitgenommener als durch die Pandemie, denn er unterrichtet auch ukrainische Kinder. „Da kommen Dinge auf den Tisch, die treiben mir die Tränen in die Augen.“

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Tom Leonhardt lässt sich dennoch nicht unterkriegen. Denn er hat früh gelernt, zu entscheiden, Prioritäten zu setzen und für Schwieriges Lösungen zu finden. So schaut er positiv gestimmt in die Zukunft: „Im Juli und August feiert meine Kunstschule zehnjähriges Bestehen mit einer Ausstellung von Schülerarbeiten in der alten Scheune der Familie Tödtmann am Otto-Dix-Weg in Hemmenhofen. An der Vorbereitung arbeiten wir gerade.“