Apotheker und Apotheken stehen allgemein nicht im Verdacht, in harten ökonomischen Schwierigkeiten zu stecken. Zu Unrecht, sagen die Apotheker jetzt und wollen auf ihre Probleme hinweisen. Diese ergeben sich aus komplexen Abhängigkeiten von Krankenkassen und durch die Bundesregierung vorgegebenen Festhonoraren. Am Mittwoch, 14. Juni, ist ein bundesweiter Aktionstag geplant.
Wie man an seine Medizin kommt
Daran werden sich auch etwa 90 Prozent der Konstanzer Apotheken beteiligen. Die Apotheker Murat Baskur und Daniel Hölzle erläutern, worum es geht und worauf sich Kunden einstellen sollten.
- Werden Konstanzer Apotheken am 14. Juni geöffnet sein? Zu 90 Prozent nicht. Möglich ist, dass ein oder zwei Apotheken in der Innenstadt geöffnet bleiben. Alle anderen machen mit dem Streiktag auf ihre Forderungen aufmerksam, dazu findet in Singen eine zentrale Aktion statt.
- Wer kümmert sich um die Versorgung der Patienten an diesem Tag? Regulär geöffnet bleibt die Apotheke in Litzelstetten, die am 14. Juni Notdienst hat. Wer dringend ein Medikament braucht, sollte sich dorthin wenden.
- Worum geht es beim Streik? Es geht im Wesentlichen um drei Punkte: Zum einen fordern die Apotheker eine Erhöhung der Festhonorare bei Medikamenten, zweitens wünschen sie sich eine Eindämmung der ausufernden Bürokratie. Drittens machen sie weiterhin auf die Lieferengpässe bei Medikamenten aufmerksam, die ihre Tätigkeit seit etwa einem Jahr erschweren.
Wie das System funktioniert
- Was hat es mit den Festhonoraren auf sich? Apotheken erhalten beim Verkauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten ein festes Honorar von 8,35 Euro pro Arzneimittel von den Krankenkassen vergütet – und zwar unabhängig vom Einkaufspreis. „Dieses Festhonorar ist seit zehn Jahren nicht mehr erhöht worden“, erläutert Daniel Hölzle. Im Gegenteil: Apotheken erhielten einen noch geringeren Betrag, weil die Krankenkassen einen Kassenabschlag in Höhe von zwei Euro pro Packung abziehen. Als Beispiel: Kostet ein Medikament 50 Euro im Einkauf, so geben die Apotheken den Preis von 58,35 Euro an den Kunden weiter. Von diesen werden zwei Euro Kassenabschlag abgezogen, tatsächlich bleibt den Apotheken eine Marge von 6,35 Euro.
- Warum ist das ein Problem – und wie lautet die Forderung? Die Honorierung habe weder mit Lohn- noch Inflationsentwicklung Schritt gehalten, sagen Baskur und Hölzle. Zwar habe die Bundesregierung schon lang versprochen, das Honorar anzuheben, doch Verhandlungen mit den Krankenkassen seien immer wieder gescheitert. Das Honorar sei längst nicht mehr auskömmlich angesichts des gestiegenen Aufwands und der gestiegenen Betriebskosten. Der Apothekerverband fordert daher eine Honorierung in Höhe von 12 Euro pro Arzneimittelpackung.

- In welcher Hinsicht ist die Bürokratie ein Problem? „In jüngster Zeit haben wir es mit einer vollkommen ausufernden Bürokratie zu tun“, sagt Murat Baskur. Zum einen müssten viele Vorgänge durch die Kassen genehmigt werden, etwa wenn ein Blutdruckmessgerät an den Kunden abgegeben werden soll. „Allein der elektronische Genehmigungsvorgang ist sehr zeitintensiv und bindet einen Mitarbeiter für sicher 15 Minuten“, sagt Baskur.
- Wie stark belasten die Lieferengpässe? Es handelt sich um ein Problem der jüngsten Zeit. Bei nicht lieferbaren Medikamenten versuchen die Apotheker, sich um Ersatzprodukte zu kümmern. Ein Anruf beim verschreibenden Arzt ist unerlässlich, um den Verkauf eines Ersatzprodukts genehmigen zu lassen. „Unser Personal muss den Arzt aber erst einmal erreichen.“
Beide Apotheker stellen klar: Die Suche nach Ersatzmedikamenten bei Engpässen sei ihre ureigenste Aufgabe. „Das machen wir gern für den Kunden“, betont Hölzle. Doch dies binde in einem Maße Personal, das zuvor nicht vorstellbar war. Zudem steige auch dabei der bürokratische Aufwand enorm. Es sei Pflicht, genau zu dokumentieren, welches Medikament nicht lieferbar sei, welches als Ersatz dafür abgegeben werde. Ein Sonderkennzeichen muss dafür vergeben werden.
Wenn bei diesem Prozess ein Fehler passiert, hätten die Krankenkassen das Recht, diesen Verkaufsvorgang nicht zu vergüten. „Unser Personal hat inzwischen Angst vor dieser Dokumentation und dass wir am Ende ohne Geld dastehen“, sagt Hölzle.
Wie sich Corona auswirkte
- Haben Apotheken während der Pandemie nicht ganz gut verdient? Dem widersprechen beide Apotheker. Zwar seien ihre Geschäfte während des Lockdowns geöffnet geblieben. „In der Tiergarten-Apotheke in der Konstanzer Innenstadt war aber kaum Betrieb, weil alles rundum geschlossen war“, erläutert Daniel Hölzle. In seiner zweiten Apotheke in Singen sei es besser gelaufen, da sie an ein Lebensmittel-Center angebunden ist. Die Umsätze seien also trotz Öffnung eingebrochen.
„Zudem bekamen wir Zusatzaufgaben wie die Ausstellung von Impfzertifikaten“, berichtet er. Diese Aufgabe sei zwar durch den Staat ordentlich honoriert worden – für die Ausstellung des Zertifikats gab es jeweils sechs Euro. „Doch das war nicht ohne Aufwand. Vor allem die Überprüfung der Echtheit der Impfung war recherche-intensiv“, sagt Hölzle. Die Vergütung sei aus seiner Sicht völlig okay, sie habe auch einen gewissen Ausgleich für andere Einbrüche geschaffen. Dass Apotheken in der Pandemiezeit jedoch privilegiert gewesen seien, das bestreiten beide Apotheker. - Welche Probleme gibt es in Konstanz noch? Vor Ort ins Konstanz stelle sich insbesondere das Personalproblem drängend. „Wir wollen unsere Mitarbeiter gut bezahlen“, sagen Hölzle und Baskur, „zumal es sich ausschließlich um Fachkräfte handelt.“ Doch angesichts der hohen Mietpreise und der Probleme, eine Wohnung zu finden, werde es auch immer schwieriger, Personal zu bekommen. „Die Grenzen der Lohnerhöhungen sind erreicht. Der Umsatz der Apotheke reicht aus, um die Kosten zu decken, Investitionen aber sind beim derzeitigen System nicht denkbar“, betont Hölzle.
Was die Arbeitskräfte angehe, erschwere die Nähe zur Schweiz die Lage. Insgesamt befürchten die Apotheker, dass etliche Apotheken in naher Zukunft schließen werden, weil sich der Betrieb nicht mehr lohne. Irgendwann sei auch eine angemessene Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln in Gefahr.