Andreas Friedel kann es selbst noch gar nicht glauben. Erst vor wenigen Wochen hatte er den SÜDKURIER zum ersten Mal bei sich zu Hause begrüßt, um von seiner Erkrankung an Multipler Sklerose (MS) zu berichten – und von einer Therapie, die ihm helfen könnte, die aber rund 60.000 Euro kostet und privat bezahlt werden muss. Damals hatte der 52-Jährige die Hoffnung, ein Bericht könne ihn seinem großen Traum ein Stück näher bringen. Nur rund vier Wochen später hat er das erste Etappenziel tatsächlich erreicht.
Denn Andreas Friedel hat die gesamte Summe zusammen, die er für die Behandlung in einer Klinik in Mexiko benötigt. Die Therapie selbst kostet dort rund 52.000 Euro, dazu kommen noch die Flüge, die Kosten für eine Rundum-Betreuung vor Ort und eventuell für neue Bilder aus dem Magnetresonanztomografen (MRT). Insgesamt fallen etwa 60.000 Euro an.
Über einen Aufruf in Facebook, in der Stadt verteilte Flyer, einen Kuchenverkauf und das Engagement des Fußballvereins FC Paradies Konstanz hatte er schon vor einigen Wochen ein gutes Drittel der nötigen Summe zusammen. Doch ein Beitrag im SÜDKURIER, der auch in seiner Heimatstadt Schwäbisch Hall in der Zeitung veröffentlicht wurde, brachte jetzt den endgültigen Erfolg.
„Ich bin allen Spendern total dankbar“, sagt Andreas Friedel beim zweiten Besuch in seiner Wohnung. Er strahlt und sagt: „Ich hätte nie gedacht, dass ich das Geld so schnell zusammenbekomme. Sogar Kinder haben fünf Euro ihres Taschengeldes gespendet.“ Den größten Beitrag, eine fünfstellige Summe, steuerte ein sozial eingestellter Unternehmer aus Schwäbisch Hall bei.
Große Vorfreude, aber auch Respekt
Jetzt kann sich Andreas Friedel ganz auf die Therapie konzentrieren, die nicht ungefährlich ist und in Deutschland nur bei ganz bestimmten Patienten angeboten und bezahlt wird. Friedel gehört nicht dazu. „Ich bin zu alt, und die Krankheit ist zu weit fortgeschritten“, sagt er. Denn bezahlt wird die Stammzelltherapie bei Patienten mit schubförmiger MS nur, wenn diese noch mehr als 100 Meter gehen können, jünger als 50 Jahre sind und die Krankheit vor nicht mehr als 15 Jahren ausbrach.
Chronische MS-Patienten müssen sogar jünger als 40 Jahre alt sein und die Krankheit weniger als zehn Jahre haben. Bei Friedel brach die MS vor rund 25 Jahren aus, seit 2012 sitzt er im Rollstuhl. Den rechten Arm kann er nicht mehr bewegen, den linken zunehmend weniger.
„Ich wusste sehr lange gar nichts von der Möglichkeit der Stammzelltherapie, weil einem das hier kein Neurologe sagt“, erzählt Friedel. „In Deutschland gelten MS-Patienten als unheilbar.“ Viele deutsche Ärzte seien skeptisch, was die Stammzelltherapie angeht.

Sie kann tatsächlich Risiken bergen, denn dabei wird erst das Immunsystem mittels hoch dosierter Chemotherapie auf Null gesetzt und danach mit Hilfe der zuvor entnommenen, eigenen Stammzellen neu und gesund wieder aufgebaut. „Ich habe bei aller Freude auch großen Respekt vor der Behandlung“, sagt der zweifache Vater. „Denn während der zweiwöchigen Chemotherapie habe ich kein Immunsystem mehr und könnte am kleinsten Infekt sterben.“
Doch er hat großes Vertrauen in die Klinik in Mexiko. „Die bieten diese Behandlung seit 2006 an. Während in Zürich nur 38 Patienten eine Stammzelltherapie erhielten, waren es in Mexiko schon über 3000, davon 1000 MS-Patienten“, hat Friedel herausgefunden. „Ich glaube nicht, dass die seit fast 20 Jahren etwas machen, das nicht funktioniert.“
Ganz pragmatisch fügt er hinzu: „Außerdem kommen auch viele US-Amerikaner, Kanadier und Australier nach Mexiko zur Behandlung. Sie muss Erfolg haben, denn Leute aus diesen Nationen ziehen schnell vor Gericht.“
Andreas Friedel ist bei allem Optimismus gleichzeitig aber auch Realist. Er weiß, dass die teure Behandlung keine Wunder bewirken kann. „Den Rollstuhl werde ich auch danach nicht verlassen. Mein Ziel ist, dass die Krankheit nicht weiter fortschreitet. Ich lasse mich überraschen, ob sogar Verbesserungen eintreten werden.“

Sehr wichtig wäre ihm, wieder mit der rechten Hand schreiben zu können. Aus der Not heraus stieg er auf links um, aber auch das klappt nur bedingt. Der Familienvater nimmt ein Blatt Papier und schreibt mühsam mit der linken Hand „Andreas“. „Sieht aus wie bei einem Erstklässler“, kommentiert er. „Ich würde so gern auch den Katheter und den Urinbeutel loswerden und wieder Gitarre und Bass spielen können“, sagt er. Als Student trat er mit verschiedenen Bands auf.
Der Termin in Mexiko steht
Die Finanzen sind also geklärt. Nun konzentriert sich Andreas Friedel auf die Vorbereitungen für die Behandlung. „Ich hatte ein Online-Gespräch mit der Klinik in Mexiko und erhielt einen Termin für den 6. Februar 2023“, erzählt er. „Eigentlich wollte ich noch dieses Jahr hinfliegen, aber die 24-Stunden-Betreuung vor Ort hat erst wieder im kommenden Jahr Kapazitäten. Naja, die paar Monate bis zum Termin werden schnell vorbeigehen.“
Ohnehin ist noch einiges zu organisieren. So muss zum Beispiel die Frage geklärt werden, ob jemand den Konstanzer begleiten kann. „Vielleicht kommt mein Bruder mit, aber zur Not sitze ich allein im Flieger. Vor Ort werde ich am Flughafen abgeholt und zur Klinik gebracht“, sagt er.
Seine Frau Jana und die beiden Söhne, zwölf und 14 Jahre, freuen sich jedenfalls sehr mit Andreas Friedel, der am 4. März 2023 nach Konstanz zurückkehren wird und dann noch einen Plan hat: „Wenn alle Kosten bezahlt sind und Geld übrig sein sollte, spende ich den Rest“, sagt er und denkt dabei an jemanden in einer ähnlichen Lage wie er selbst, an ein Kinderhospiz oder einen Leukämiekranken.
„Ich habe so viel bekommen und möchte jetzt auch was weitergeben“, sagt Andreas Friedel.