Wer zuschlagen will, pumpt sich auf. Er sammelt den Atem, hält ihn an und haut drauf. Leo Lensing ermutigt Männer, zu spüren, wie sich Gewalt in ihnen aufbaut und er bringt ihnen bei, wie sie friedlich aus der Krise kommen können.

Leo Lensing, Psychologe bei Pro Familia Konstanz (Archivbild)
Leo Lensing, Psychologe bei Pro Familia Konstanz (Archivbild) | Bild: Pfanner, Sandra

Seit 15 Jahren kümmert sich der Psychologe und psychologische Psychotherapeut von Pro Familia um die Täter, also um die Männer, die eine Frau und manchmal auch ein Kind immer wieder geschlagen haben. Ohne Spenden würde es das Projekt bei Pro Familia nicht geben. „Wir sind der Notnagel.“ Denn es gebe im Landkreis Konstanz keine Fachstelle zu diesem Thema, bedauert der Psychologe.

Er teilt Männer in drei Gruppen. Die einen griffen niemals zur Gewalt, die anderen würden einmal zuschlagen, und dann so erschüttert sein von der Tat, dass sie diese nie wiederholten. Eine weitere Gruppe aber, stecke in der Spirale der Gewalt: „Ich spreche mit denen, denen immer wieder die Hand ausrutscht.“ Sie verursachten dabei oft schlimme Verletzungen. Er verurteile diese Taten, nicht aber den Menschen.

Das könnte Sie auch interessieren

Lensing steht Männern als Ansprechpartner zur Verfügung, die sich oft schämen für das, was sie angerichtet haben, die versuchen, es wieder gut zu machen, sich geißeln oder sogar mit Selbstmordgedanken spielen. Immer wieder berichteten Gewalttäter, dass sie im Moment des Gewaltausbruchs wie in einem Tunnel steckten und die Umwelt nicht mehr wahrnähmen, berichtet Lensing.

„Ohne Vertrauen geht es nicht“

Er weiß, was in vielen Fällen dahinter steckt: Wer seine sozial nah stehende Bezugspersonen schlage, sei in der Regel nicht in der Lage, die eigenen Impulse zu kontrollieren. Wer sich wirklich ändern wolle, müsse bereit sein, sein Fühlen, Denken und Handeln in Frage zu stellen, so der Psychotherapeut.

Tatsächlich aber kämen manchmal Männer zu ihm, die sagten, sie hätten kein Problem, nur das Jugendamt wolle, dass er mit einer Fachperson spreche. In solchen Fälle, so sagt Lensing, versuche er die Besucher zu ermutigen, einmal über sich selbst nachzudenken. Er lädt dazu ein, die Sache ganz genau zu betrachten. Nur manchmal habe er dabei Erfolg. „Ohne Vertrauen geht es nicht.“

Das könnte Sie auch interessieren

Von den 13 Männern, die im laufenden Jahr zu ihm kamen, habe er mit fünf eine feste Vereinbarung geschlossen, also einen Vertrag mit Zielen, die es zu erfüllen gelte. Er gebe diesen Männern dann zum Beispiel Techniken an die Hand, wie sie Gewalt verhindern und einen Konflikt auf eine andere Weise bewältigen können.

Wer sich auf den Prozess einlasse, sei etwa verpflichtet, pünktlich zu den Treffen zu kommen, im Gegenzug könne er sich auf einen festen Rahmen mit absoluter Verschwiegenheit verlassen. Die innersten Vorgängen und den düstersten Gedanken blieben beim Therapeuten. Unter dem Strich seien es vielleicht zwei Männer im Jahr, denen der Ausstieg aus der Spirale der Gewalt tatsächlich gelinge, sagt der Psychotherapeut.

Verantwortung für das Handeln übernehmen

In einem ersten Schritt gehe es darum, dass Männer die volle Verantwortung für ihr Handeln und ihren Körper übernehmen, stellt Lensing fest. Gern sage ein Mann, er wollte gar nicht gewalttätig werden. Dies passiere immer nur in Gegenwart der einen Frau, die ihn wie keine andere auf die Palme bringe, bis er eben draufhaue.

Hinter dieser Argumentation stehe das Denken, dass nicht der Schläger das Problem sei, sondern die Frau. Lensing versucht an dieser Vorstellung zu rütteln. Er verdeutlicht einem Mann, dass dieser in Ordnung sei, auch mit seiner Wut, aber nicht mit seiner gewalttätigen Art, den Problemen zu begegnen.

Das könnte Sie auch interessieren

Manchmal gehe es darum, dass ein Schläger den Konflikt dort löst, wo er entsteht, also beispielsweise am Arbeitsplatz. In der Regel gehe es darum, zu sich selbst einen besseren Zugang zu finden. „Herzensbildung findet an der Schule selten statt“, bedauert Lensing.

Techniken zur Vermeidung von Gewalt

Die Therapie bei ihm sei dabei nur der Anstoß. Die wirklich wichtigen Dinge würden im Alltag passieren. Dort zeige sich, ob der Mann umsetzen könne, was er im geschützten Rahmen trainiert habe. Er lerne beispielsweise, bewusst den Atem zu steuern. Wer zweimal tief durch den Bauch atme, sei dabei den Automatismus zu unterbrechen, der den Mann zuschlagen lasse. Es sei dann eine bewusste Entscheidung, ob dieser die Gewalt sprechen lasse oder nicht.

Lensing betont, dass die Männer, die zu ihm kommen oder von anderen sozialen Institutionen geschickt werden, aus allen Schichten und sozialen Milieus kommen. Am Runden Tisch, der sich mit Gewalt gegen Frauen und Kinder beschäftige, sei die Notwendigkeit erkannt worden, sich auch mit den Tätern zu befassen. Ein Beratungsangebot sei dann bei Pro Familia eingerichtet worden. In der Regel seien übrigens tatsächlich die Männer die Gewalttäter. „Es sind ganz wenige Frauen, die übergriffig werden“, sagt Leo Lensing.