Manche standen schon nur mit ihrer Geldbörse und ihrem Kind vor der Tür. Frauen helfen Frauen in Not unterstützt Frauen, die von ihrem Partner gepeinigt wurden und einen Schlussstrich ziehen wollen. Oft müssen sie ihr ganzes Leben neu ordnen. Der gemeinnützige Verein hilft dabei und überbrückt immer wieder finanzielle Engpässe. Spenden füllen den Nothilfetopf.
Die Pandemie mit dem Corona-Virus und das Herunterfahren des öffentlichen Lebens hat bei der Hilfsorganisation für Frauen die Kontakte hochschnellen lassen: Im Juni habe der Verein gut ein Viertel mehr Anfragen gehabt als noch in den Vorjahren, sagen die Psychologinnen Claudia Nicolay und Lisa Angulo.
Drei bis vier Prozent der Frauen erlebten Gewalt
Beide arbeiten als Beraterinnen bei Frauen helfen Frauen in Not, ebenso wie die Sozialpädagogin Michaela Heller. Die gefühlten Erfahrungen der Beratungsstelle decken sich mit den gemeinsamen Erhebungen der Technischen Universität in München und des Leibnitz-Instituts für Wirtschaftsforschung.
Demnach erlebten drei bis vier Prozent der während des Lockdowns im Frühjahr diesen Jahres befragten 3800 Frauen körperliche, sexuelle oder emotionale Gewalt.
Die langjährige Begleiterin von Frauen in Nöten, Claudia Nicolay, sagt, von Jahr zu Jahr hätten sich bei der Beratungsstelle in Konstanz zwar die erhobenen Zahlen verändert, die Aufteilung der Gewalt sei aber fast immer gleich geblieben.
Statistik zeigt erschreckendes Bild
Nach der Statistik fürs Jahr 2019 wurden bei der Konstanzer Organisation 1446 Beratungsgespräche geführt, am Telefon oder persönlich. Fast 56 Prozent der Frauen, die um größere Unterstützung nachfragten, wurden in der Beziehung körperlich oder emotional gepeinigt. Etwa 15 Prozent wurden vergewaltigt.
15 Prozent haben Vergewaltigungen erlebt, beispielsweise als Kind. In fast allen Fällen seien die Täter im engen Umfeld der Frau zu finden, so die Statistik von Frauen helfen Frauen. In fast 50 Prozent der Fälle sei vom Ehemann oder Partner Gewalt ausgegangen, in knapp jeweils 20 Prozent der Fälle war es ein Bekannter oder der ehemalige Partner oder ehemalige Freund der Frau.
„Vor Corona hat es schon Gewalt gegeben. Sie nimmt leider nicht ab“, sagt die Psychologin Claudia Nicolay. Vielfach seien auch Kinder betroffen. Als im Frühjahr das öffentliche Leben in den Ruhezustand versetzt wurde, hätten Frauen weniger Möglichkeiten gefunden, frei zu sprechen, ohne dass Mann und Kinder zuhörten.
Stalking hat zugenommen
Über die Sommermonate habe die Beratungsstelle auch eine Zunahme der von Frauen angezeigten Stalking-Fälle registriert, also den Nachstellungen, vor allem durch einen früheren Partner. Die Beraterin vermutet, dass getrennt lebende Männer wegen der Corona-Pandemie mehr Zeit hatten, und dann gewaltsam versuchten, sich wieder den Frauen zu nähern, zu denen sie früher eine Beziehung hatten.
Während der Pandemie habe sich nach Feststellung von Claudia Nicolay auch gezeigt: Es habe es an Bedeutung gewonnen, digital präsent zu sein, doch Frauen würden in der Phase der Trennung oft vom Netz abgehängt. So liefen die Verträge oft über den Mann und ihm gehörten auch meist die gemeinsam genutzten Geräte.
Kein Handy, keine Kontakte zu anderen
Manchmal spielten Männer ihre technische Überlegenheit aus, und änderten ohne das Wissen und die Kenntnis der Frau das Passwort zu den gemeinsam genutzten digitalen Medien. Manchmal nehme der Mann einer Frau auch das Handy weg und zerstöre es, um zu verhindern, dass sie informiert ist, und Kontakte zu anderen hält. Der Verein versucht Frauen zu helfen, damit sie digital wieder mithalten können.
Der Bedarf für einen Notgroschen steige, berichten die Beraterinnen. Der Verein versuche möglichst ohne bürokratische Anforderungen einzuspringen, wenn es brennt. Oftmals gehe es um Anschaffungen des Notwendigsten, um Lebensmittel, eine Fahrkarte, ein Bett fürs Kind oder Winterkleider.
Es würden aber auch Spenden aufgewendet, damit die Frau, einmal aufatmen und sich entspannen kann, etwa in der Sauna oder bei einer Massage. Manchmal springe der Verein ein, damit die Frau mit dem Kind einmal etwas unternehmen kann, ohne jeden Cent umdrehen zu müssen.
Verein schafft Auszeit für Betroffene
Die psychischen Belastungen durch Gewalt seien enorm groß, sagt Claudia Nicolay. Der Verein verschaffe den Betroffenen eine Auszeit. Sie sollten Distanz gewinnen zu den Gewaltereignissen, die Möglichkeit haben, Luft zu holen und Perspektiven zu entwickeln für sich und die Kinder.
Manche Anfragen, so heißt es bei der Beratungsstelle, ließen sich in wenigen Minuten erledigen, andere mündeten in eine Begleitung über Monate. Die meisten der Menschen, die sich an Frauen helfen Frauen in Not wenden sind nach Angaben von Claudia Nicolay zwischen 20 und 50 Jahre alt.
Immer mehr ältere Frauen suchen Unterstützung
Zuletzt seien aber immer wieder auch Frauen gekommen, die deutlich über 70 Jahre alt waren, und langjährige Ehen in Frage stellten. Oftmals spiele dabei die Sucht des Partners eine Rolle. Ältere Frauen seien häufig noch finanziell stark abhängig vom Mann.
Die eigene Rente falle gering aus, die Frage, wer welchen Anteil am eigenen Haus habe, sei ungeklärt. Trotz aller Schwierigkeiten machten sie zunehmen Frauen der älteren Generation auf den Weg, um sich vom Partner zu trennen, berichten die Beraterinnen von Frauen helfen Frauen in Not.