Michael Buchmüller

Wie wäre das? Eine Studentin an der Uni Konstanz entdeckt während ihrer Forschungsarbeit ein neuartiges Verfahren, mit dem sich noch mehr Kunststoff recyclen lässt, anstatt ihn verbrennen zu müssen. Oder ein junger Mann an der Hochschule Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) entwickelt während seines Grafik- und Designstudiums eine Idee für ein Programm, das die Suche von geeigneten Bildern erleichtert. Und nicht nur das. Mit ihrer Idee würden sie gern eine Firma gründen.

Das könnte Sie auch interessieren

Allerdings stehen die beiden erst einmal vor vielen Fragen. Wie komme ich an Fördermittel? Wer hilft mir durch den bürokratischen Dschungel, wenn es um Prototypen und Businesspläne geht? Und überhaupt: Wer hat die Erfahrung, mir sagen zu können, ob mein Einfall nicht einfach nur eine Schnapsidee ist? Genau dafür gibt es in Konstanz die Startup-Initiative Kilometer 1. HTWG und Universität arbeiten dort zusammen. Ein schlagkräftiges Team aus zwölf Mitarbeitern begleitet inzwischen Studierende und Wissenschaftler auf ihrem Weg zur Gründung.

Ideen aus der Forschung können zum Produkt oder Unternehmen werden

Am Beginn stand eine Ausschreibung des Landes Baden-Württemberg, die die Gründungskultur an Hochschulen fördern wollte. 2017 gingen die beiden Konstanzer Einrichtungen mit einem Verbundprojekt an den Start. Lisa Kuner ist Betriebswirtin und eine der Mitarbeiterinnen von Kilometer 1 an der Uni.

Lisa Kuner von der Universität Konstanz
Lisa Kuner von der Universität Konstanz | Bild: Michael Buchmüller

Ihre Aufgabe ist es, Fördermittel zu finden und an der Uni das Bewusstsein zu fördern, „dass Forschungsergebnisse auch auf ihre Verwertbarkeit überprüft werden könnten“. Das heißt: Lässt sich aus den Ergebnissen vielleicht eine Geschäftsidee entwickeln oder ein neues Produkt erstellen? Professoren seien sehr in Forschung und Lehre eingebunden und hätten schlichtweg wenig Zeit, sich auch noch darum zu kümmern. „Da setzen wir an“, sagt Kuner.

Vier Schritte hat sich Kilometer 1 dafür überlegt. Zuerst gelte es zu sensibilisieren. So werden zum Beispiel Gründungsinteressierte zu öffentlichen Abendveranstaltungen an die Uni eingeladen. „Ideas & Cheers“ heißen die. Ideen vorstellen, sich bei einem Bier zuprosten und dann austauschen. Darüber, was alles geht. Gehen könnte, wenn man es nur anginge.

Mit einem Banner wirbt Kilometer 1 an der HTWG für ihr Projekt. Darauf steht: „Machen ist wie wollen. Nur krasser.“
Mit einem Banner wirbt Kilometer 1 an der HTWG für ihr Projekt. Darauf steht: „Machen ist wie wollen. Nur krasser.“ | Bild: Michael Buchmüller

Kuner gibt zu, dass es hier noch viele Vorbehalte zu überwinden gilt. Aber sie gehe auch in Fachbereiche und höre sich dort an, an welchen Inhalten gerade gearbeitet wird. Um dann immer wieder nachzufragen: Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, das Erarbeitete zu verwerten?

Keine Angst! Denn Gründen ist eine Option, für die es Mut braucht

Für viele Doktoranden aus dem Mittelbau sei dieser Weg hinaus in die Selbstständigkeit ja auch eine Alternative zu der manchmal frustrierenden Berufsplanung an der Uni, wo viele auf wenige Professorenstellen warten. Sicher, ein riskanter Weg, „aber nicht jeder muss ja an der Uni bleiben oder als Angestellter zum Beispiel in der Industrie verschwinden“. Gründen sei eine Option, für die es Mut brauche. Aber zuerst, so Kuner, müsse diese Möglichkeit überhaupt ins Bewusstsein dringen.

Christina Lang von der HTWG arbeitet ebenfalls für Kilometer 1. Sie berichtet von Uni-Städten wie Aachen, Karlsruhe oder München, wo schon lange an dieser unterstützenden Gründerkultur gearbeitet wird. Von deren Erfahrungen profitieren die Konstanzer auch bei Schritt Zwei und Drei: Qualifizieren und validieren.

Christina Lang von der HTWG Konstanz
Christina Lang von der HTWG Konstanz | Bild: Michael Buchmüller

Durch Workshops lernen die Studierenden, unternehmerisch zu denken und zu handeln. Mentoren werden ihnen zur Seite gestellt, die oft viel Praxiserfahrung mitbringen. Zugänge zu Netzwerken werden aufgezeigt und jedes Jahr im Herbst eine Gründungswoche in Konstanz organisiert. Ihre Rolle bei Schritt Vier, der Gründung, verstehen Kuner und Lang schließlich so, dass sie beim ganzen Drumherum helfen.

„Wir können zum Beispiel die Angst vor dem bürokratischen Aufwand nehmen, wenn es um Förderung geht, und die Gründer da entlasten“, so Lang. Damit diese sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können: die Entwicklung ihres innovativen Produktes. „Inzwischen werden wir in Konstanz schon als Experten angefragt, obwohl wir erst fünf Jahre dabei sind.“

Das könnte Sie auch interessieren

Gerade ist eine weitere Förderung für Kilometer 1 bewilligt worden. Vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gibt es über vier Jahre insgesamt zwei Millionen Euro. Auch hier das Ziel: „Gründung sichtbar und erlebbar machen.“

Der Anspruch ist hoch: „Wir von Kilometer 1 wollen die treibende Kraft im Gründungs-Ökosystem von Konstanz sein.“ Beide Mitarbeiterinnen träumen von noch mehr interdisziplinärem Austausch, hoffen auf mehr anwendungsorientiertes Arbeiten und Forschen an den Hochschulen und wünschen sich, dass junge Menschen mutig ihre Ideen verfolgen.

Rückmeldung an den Autor geben