Die ersten Kinder kommen hier schon rein, wenn es bis zum Schulbeginn noch eine ganze Stunde dauert. Das Zimmer mit den vielen Fotos an den Wänden und den glitzernden CD-Mobiles am Eingang ist für sie etwas von allem: Kinderzimmer, Klassenraum, Rückzugsort, sicherer Hafen und sozialer Treffpunkt.
Jeden Tag steht diese Tür offen im ersten Stock der Schule am Buchenberg. Und das auch künftig, was einem kleinen Wunder gleichkommt. Denn die von der Stadtverwaltung beabsichtigte Kürzung an der Schulsozialarbeit ist, nach einem ungewöhnlichen kommunalpolitischen Vorgang, erst einmal vom Tisch.
Der Sozialpädagogin Ellen Friedriszik, aber auch der Schulleitung im Nicole Friedrichs und Susanne Dreymann fiel ein Stein vom Herzen, als klar wurde: Der Gemeinderat trägt es nicht mit, dass ausgerechnet an einer Schule für ganz besonders benachteiligte Kinder die Sozialarbeit gekürzt wird. Es hätte bedeutet, dass die Tür zu diesem wichtigen Raum nicht mehr täglich hätte offenstehen können.
Und auch nicht schon frühmorgens, wenn die ersten jungen Nutzer hierherkommen – weil sie dort etwas finden, was ihnen sonst oft fehlt. Jemanden, der sie so annimmt, wie sie eintreten. Jemanden, der ihnen einen Keks für den frühstückslosen Magen gibt. Und jemanden, mit dem man auch mal über Bauchweh reden kann.
All das ist Teil der Arbeit von Ellen Friedriszik. Auch künftig kann sie mit einer 80-Prozent-Stelle an der Schule am Buchenberg helfen. Die Herausforderung ist groß, die Schule ist ein SBBZ, ein Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum, mit dem Förderschwerpunkt Lernen.
Die Kinder hier leisten viel, brauchen oft aber auch besondere Unterstützung, auch jenseits des Klassenzimmers. Deshalb hatten Nicole Friedrichs und Susanne Dreymann auch einen engagierten Appell an den Gemeinderat gerichtet: Mache der Kinder an der Schule seien „vernachlässigt, sind oft ausgegrenzt, frustriert, demotiviert.“ Gegen den Teufelskreis aus Armut und Kriminalität helfe frühe Sozialarbeit.
Wenn im Sozialamt Stellen gebraucht werden, muss es an anderer Stelle einsparen
Von 80 auf 50 Prozent einer Vollzeitstelle sollte die Arbeit von Ellen Friedriszik an der Buchenbergschule reduziert werden, so hatte es das städtische Sozial- und Jugendamt selbst vorgeschlagen – nachdem der Gemeinderat erst im Frühjahr die Erhöhung auf 80 Prozent beschlossen hatte. Hintergrund ist der Spardruck in der Verwaltung.
In anderen Bereichen des Jugendamts müssen zwei Stellen aufgebaut werden, um Kindern in einer Gefährdungslage besser helfen zu können. Den geforderten Einsparbeitrag sah das Amt in der Schule am Buchenberg. Um Friedrisziks Job ging es dabei an einer Stelle: Der Träger, bei dem sie angestellt ist, hätte sie eben anderswo verstärkt eingesetzt.
Sozialbürgermeister Andreas Osner erinnert an die „Verantwortung für den Gesamthaushalt“. Man habe die Kürzung „schweren Herzens“ vorgeschlagen. Den beiden Schulleiterinnen beschied er in öffentlicher Sitzung, er habe „volles Verständnis dafür, dass Sie Ihr Statement abgegeben haben“. Da zeichnete sich schon ab, dass der geplante Abbau politisch scheitern könnte.
Später legte Khaled Badawi, Vorsitzender der Jugendvertretung der Stadt, nach: Wer an dieser Stelle spare, behindere Aufstiegsmöglichkeiten vor allem zu Lasten von Kindern, die ohnehin schon benachteiligt seien. Für ihn selbst seien die Angebote der Schulsozialarbeit extrem wichtig gewesen – und so sei es auch vielen anderen Migranten ergangen.
Das ist Kommunalpolitik: Ganz nah an den Menschen und mit der Chance zum Umdenken
So wird die Auseinandersetzung zu einem kleinen Lehrstück der Kommunalpolitik. Die direkt Betroffenen erhalten Gehör, die Politiker setzen sich mit ihren Argumenten auseinander – und bewerten die Lage neu. Im Haupt-, Klima- und Finanzausschuss war die Abstimmung noch sechs zu sechs ausgegangen, damit hätte die Stadt die Kürzung vornehmen können. Im Gemeinderat dann schwenken viele auf die Position der Freien Grünen Liste um, bis hin zu den bürgerlichen Fraktionen.
Manche der Stadträte hatte es irritiert, dass Stadtkämmerer Ulrich Schwarz angesichts der Kosten von rund 10.000 Euro pro Jahr Steuererhöhungen ins Gespräch brachte. Oberbürgermeister Uli Burchardt wiederum findet es offenbar eher überraschend, dass der Rat nicht der Empfehlung des Fachamts folgte, das ja keineswegs generell gegen die Schulsozialarbeit sei.
Wenn sich der Gemeinderat eine einzelne Personalie herausgreife und diese zum öffentlichen Politikum mache, verzerre sich das Bild. Denn solche Diskussionen führe die Verwaltung das ganze Jahr intern. Die Fotos an der Wand und der leere Kindermagen bildet sich dann in Planstellen ab.