Erika Fuchs hat schon wieder Nachschub bekommen. Mit einem dicken Stapel Briefe und Bilder steht sie im Hof des Margarete-Blarer-Hauses im Paradies, das sie leitet. Es ist ein wunderschöner Frühlingstag. Hinter ihr tragen Pfleger mit Mundschutzmasken eine mannshohe Tafel nach der anderen hinaus in den Hof. Alle Bewohner sollen die Geschenke, die daran befestigt sind, in der Sonne betrachten können.

Hunderte Bilder und Briefe, sogar ein Rap
Es sind Hunderte Bilder, Geschichten, Briefe, die Menschen aus Konstanz an die Senioren und ihre Betreuer geschickt haben, damit sie sich trotz des Besuchsverbots nicht einsam fühlen. Vorausgegangen war der Flut an Zuschriften ein Aufruf im SÜDKURIER. „Ich bin einfach nur baff“, sagt Erika Fuchs. Sie wedelt mit dem dicken Stapel an neuen Bildern und Briefen in ihrer Hand. „Die kommen einen Tag in Quarantäne, dann hängen wir sie auf.“

Ein Satz wie ein Witz, jetzt nicht mehr, nicht in Corona-Zeiten
Ein Satz, der noch vor einem Monat wie ein Witz geklungen hätte. Nun sind Briefe, die in Quarantäne geschickt werden, neue Normalität – nicht nur im Margarete-Blarer-Haus. Auch die Mundschutzmasken, die Betreuer und Pfleger nun tragen müssen, wenn sie mit den Bewohnern sprechen, sind keine Besonderheit mehr. Barbara Evers, die den Sozialdienst des Seniorenwohnheims leitet, sagt: „Wir hatten Sorge, dass die Bewohner, insbesondere die dementen, schlecht darauf reagieren.“
Smileys auf dem Mundschutz
Doch es kam anders. Viele Mitarbeiter haben ihre Masken bemalt, mit lachenden Gesichtern, mit Smileys. „Alle haben sich schnell daran gewöhnt,“ sagt Evers. Glück gehabt. Ist es doch schon schwer genug in diesen Zeiten, Normalität aufrechtzuerhalten. Die Nachrichten aus anderen Heimen, in denen reihenweise alte Menschen an Covid-19 erkrankt sind, versucht man, von den Bewohnern fernzuhalten.

Stattdessen setzt man auf Ablenkung. „Die vielen Zuschriften haben so sehr geholfen“, sagt Erika Fuchs. Hinter ihr sind nun alle Tafeln mit Briefen und Bildern aufgebaut, vier an der Zahl. Ein gutes Dutzend Senioren aus dem Wohnheim steht davor. Auch Ernst-Dieter Martin ist dabei, ein 70-jähriger Mann in grauem Pullover.
Herr Martin skypt
„Herr Martin“, ruft Sozialdienstleiterin Barbara Evers mit einem Smartphone in der Hand, „Ihr Bruder will skypen.“ Der Senior lacht und macht sich mit seinem Rollator auf zu Evers, die auf einer Bank Platz genommen hat. Es tutet zweimal aus dem Smartphone und schon hört man in voller Lautstärke die Stimme des Bruders.

„Ja“, sagt Barbara Evers, „wir sind jetzt alle digital. Es gibt Skype- und WhatsApp-Tage, an denen die Verwandten anrufen können, ich habe eine Liste. Es wird sehr, sehr gut angenommen.“ Ernst-Dieter Martin sagt zu seinem Bruder: „Wir sind draußen, es ist schön.“
Großes Gelächter im Hof des Margarete-Blarer-Hauses
Aus dem Smartphone-Lautsprecher schallt die Antwort über den gesamten Margarete-Blarer-Hof: „Schön, da kannst du quarzen!“ Barbara Evers, Erika Fuchs und zwei Seniorinnen brechen in Gelächter aus über das Bedürfnis nach einer Zigarette.

Unterdessen hat ein Mitarbeiter mehrere Kisten in den Hof gestellt. In ihnen hundert Bälle von Martin Mauz, die er nach dem Aufruf im SÜDKURIER ans Seniorenheim spendete.

„Hoffentlich schaffen wir es.“
Schnell ist Bewegung in der Gruppe. Es wird mit den Bällen gekickt und gelacht. Ein perfekter Nachmittag in der Sonne. Erika Fuchs betrachtet die Szenerie am Rande, und ihre Miene ist plötzlich ernst geworden: „Ganz wichtig sind für uns die Sonntage, weil da normalerweise der Besuch kommt, wir versuchen das auszugleichen“, sagt die Heimleiterin. „Wir spielen nun mit den Bewohnern: Activity und Stadt-Land-Fluss.“ Gottesdienste werden per Video übertragen und kürzlich gab es sogar ein kleines Live-Konzert im Hof. „Wir tun alles, um die Stimmung zu halten. Hoffentlich schaffen wir es.“
