Die Eingangstür zur Sporthalle der Gemeinschaftsschule Gebhard geht auf, nacheinander kommen immer mehr Prüflinge heraus. Die Freude steht ihnen ins Gesicht geschrieben: Endlich geschafft! Die erste Hürde ist genommen, das Deutsch-Abitur geschrieben. Das ist nicht nur für die Prüflinge eine Besonderheit. Auch für die Schule ist einiges neu, denn der erste Jahrgang der Gebhardschule legt derzeit das Abitur ab.

Die 19-jährige Leony Matthies erzählt direkt nach der Klausur am Dienstag: „Wir konnten corona-bedingt sieben Schulstunden lang schreiben, aber ich dachte fünf Minuten vor Schluss: Oh, die Zeit ist ja schon rum!“ Leony wählte die Aufgabe Materialgestütztes Schreiben. Dabei erhalten die Abiturienten verschiedene Vorlagen und sollen auf dieser Basis Argumente abwägen und einen eigenen Text verfassen.
„Wir waren sehr gut vorbereitet, trotz Corona“
„Es ging um die Frage, ob eine gendergerechte Sprache eingeführt werden soll“, erläutert Leony. Sie habe zehn Seiten geschrieben. „Am Vorabend war ich total aufgeregt und dachte, krass, morgen beginnt mein Abitur. Aber wir waren sehr gut vorbereitet, trotz Corona. Jetzt bin ich erleichtert!“
Die Lernbegleiter, wie die Lehrer an der Gemeinschaftsschule heißen, hätten den Abiturienten mit einer Glückskarte sowie Schokokäfern auf jedem Tisch zusätzliche Motivation gegeben. Auch die 19-jährige Noem Kissmehl ist zufrieden: „Anfangs konnte ich mich schwer konzentrieren, aber ich bin mit einem guten Gefühl aus der Prüfung gegangen und habe mein Bestes gegeben.“
Emilia Kraus, 18 Jahre, war einige Tage vor der Deutschprüfung sehr aufgeregt. „Als ich aber gesehen habe, dass das Thema gut machbar ist, fiel der Druck von mir ab“, sagt sie. Emilia wählte den Werkvergleich zwischen E.T.A. Hoffmanns „Der goldene Topf“ und Hermann Hesses „Steppenwolf“. „Das Abitur kam mir früher unerreichbar vor, aber es ist machbar“, lautet ihr Fazit. „Deutsch war ein guter Einstieg.“

So sieht es auch die 18-jährige Lea Stadel: „Ich bin entspannt an den Lektürevergleich herangegangen und habe erstmal meine Gedanken sortiert, bevor ich mit dem Schreiben begonnen habe. Ich bin total zufrieden mit meiner Leistung.“ Die 19-jährige Gemma Quielisch rückt den Fokus schon auf die nächste Prüfung: „Ich habe ein bisschen Angst vor Geschichte am Freitag. Ich hoffe, dass ich mein Wissen gut formulieren kann und mich nicht in irrelevanten Details verliere.“
Prüfungen finden nach Test und mit Maske statt
Rektorin Elke Großkreutz ist froh, dass unter Coronabedingungen alles gut geklappt hat. „Das ist ein großer organisatorischer Aufwand“, sagt sie. „Schon die Vorbereitungszeit war anders, wir mussten viel Stoff in unterschiedlichen Formen darbieten, analog und digital.“ Dazu kamen die Coronatests an den Schulen mit wöchentlich neuen Bestimmungen.
Am Tag vor einer Prüfung können sich alle Abiturienten erneut an der Schule testen lassen. Durch eine Kooperation mit dem Labor Brunner kann – im Fall eines positiven Schnelltests – der zusätzliche PCR-Test bevorzugt ausgewertet werden. „Das wurde toll vom städtischen Schulamt vorbereitet“, sagt Elke Großkreutz. Wer sich nicht vor der Prüfung testen lassen will, muss sie in einem separaten Raum schreiben. An der Gebhardschule ließen sich vor dem Deutsch-Abi aber alle den Abstrich nehmen und waren negativ.

Carsten Heinichen, Abteilungsleiter Oberstufe der Gemeinschaftsschule, trägt derweil einen Stapel blauer Hefte aus der Sporthalle. Auch er atmet durch. „Da die Aufgaben dieses Mal digital kommen, ist das ein zusätzlicher Nervenkitzel. Denn erst am Prüfungstag um sechs Uhr morgens erhalten wir die Passwörter, um auf die Aufgaben zugreifen zu können. Ich war sicher nicht der Einzige, der um diese Uhrzeit am Computer saß und versucht hat, die Dateien zu öffnen.“
Trotz aller Euphorie blicken die Abiturientinnen der Gebhardschule auch ein wenig nostalgisch auf die Schulzeit zurück. „Schon schade, dass sie bald vorbei ist und wir viele Freunde und Lernbegleiter nicht mehr sehen“, meint Gemma. Sie möchte gern ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im Bereich Umwelt oder Bildung im Ausland machen.

Noem freut sich auf neue Erfahrungen und ein politisches FSJ sowie auf die künftigen Klassentreffen. Lea möchte Praktika machen und interessiert sich für die Kosmetikbranche sowie für eine Qualifikation als Handelsfachwirtin.
Leony beginnt im September eine Ausbildung zum Mentalcoach in Konstanz und Emilia macht ihr FSJ an der Sonnenhaldeschule. Dass eine Pandemie das Lernen eineinhalb Jahre lang veränderte, finden die Schülerinnen schade. „Vieles fiel weg, was die Schulzeit und eine Gemeinschaft eigentlich ausmacht“, sagt Emilia.