Normalerweise wäre die Kanzleistraße deutlich voller. Doch es ist weiterhin nichts normal in diesen Corona-Zeiten. Immerhin, die Einkaufsstraße belebt sich allmählich. Es ist Montagvormittag, die Geschäfte haben seit einigen Stunden wieder geöffnet.
Für Angela Distel soll es nur der kleine Ausflug sein. Sie ist mit ihren zwei Kindern in der Stadt unterwegs und will nur kurz in einem Drogeriemarkt vorbei schauen. „Eigentlich das,was auch die vergangenen Wochen schon möglich war“, sagt sie. Mit den Kindern will sie nicht zu lang in Geschäften unterwegs sein, das wäre für ihre Große zu langweilig. „Aber Lise freut sich jetzt auf ein Eis. Und die Atmosphäre ist schon anders mit offenen Geschäften.“

Vorsichtiges Herangehen an den Einkaufsbummel
Auch im Lago tasten sich einzelne Kunden an ihren ersten Einkaufsbummel seit Wochen. „Man traut sich kaum in die Geschäfte hineinzugehen“, bekennt Brigitte Höhne, die sich am Lago-Eingang die Hände desinfiziert. „Jetzt schaue ich mal, was ich so entdecke“, sagt sie noch und zieht weiter.

Die Stille in dem großen Einkaufszentrum ist nach wie vor spürbar. Die meisten Modefilialen haben geöffnet, aber längst nicht alle. Für manche kam die Nachricht, dass das Lago doch öffnen darf, vermutlich zu spät für eine Ladenöffnung am Montag.

Vereinzelt streift eine Kundin zwischen den Regalen voller Blusen und farbenfroher T-Shirts umher. In vielen Filialen verbringen die neueste Frühlingsmode und das Verkaufspersonal noch einen einsamen Vormittag.
Schüchterne Kundin
Auch Conny Weber, Kundin in einer Modefiliale, rechtfertigt sich beinahe für ihren sehr spontanen Einkaufsbummel: „Ich wollte eigentlich nur Lebensmittel einkaufen, jetzt bin ich doch spontan hier vorbei gekommen“, sagt sie. „Die Ladenöffnung ist gut für die Psyche, bedeutet ein wenig Ablenkung.“
Linda Nikolic, Filialleiterin eines Modeladens im Lago, bestätigt die Zurückhaltung: „Es ist natürlich nicht wie sonst. Aber wir haben etwas Laufkundschaft. Immerhin haben bereits zwei Kunden etwas gekauft“. Sie ist optimistisch, dass im Lauf der Woche deutlich mehr Kunden kommen. Und bisher gebe es auch so genügend zu tun. Plexiglasschutz habe sie schnell im Baumarkt besorgt, als sie am Samstagmittag erfuhr, dass sie ihre Filiale öffnen darf. Jetzt misst sie Abstände aus, um dafür zu sorgen, dass sich Kunden nicht an Engstellen begegnen.

An anderem Ort ist deutlich mehr Betrieb: Andi Walter hat gerade einen größeren Einkauf getätigt und sieht zufrieden aus: Im Outlet von Sport Gruner ist relativ viel los, Kunden weichen einander geschickt aus. Snowboard, Bindung, Schuhe, Skateboard und Badminton-Schläger. Das ist Andi Walters Ausbeute. „Ich wollte das alles schon ewig kaufen und habe extra dafür gespart. Jetzt habe ich die erste Gelegenheit genutzt“, sagt er. Das Snowboard soll gleich zur nächsten Saison eingesetzt werden.

René Kolb, Juniorchef bei Sport Gruner, ist froh, dass es im Outlet so gut läuft. Die große Nachfrage liege vermutlich auch am Wetter der vergangenen Wochen und daran, dass viele sich auf Sport und Freizeit im Freien eingestellt hätten. Dennoch sei es bitter, dass im Haupthaus nicht einmal eine abgegrenzte Fläche von 800 Quadratmetern öffnen dürfe. „Das ist nicht ganz gerecht, zumal das Lago öffnen darf“, sagt er. Trotzdem biete auch das Outlet ein Vollsortiment.
Verkaufsgespräch auf Abstand
Auch wenn Genuss an diesem Einkaufstag noch nicht im Vordergrund steht: Ein winziges bisschen Luxus darf vielleicht doch schon sein. Valentina Idrisi, Filailleiterin der Parfümerie Gradmann, ist mit Angelika Ley ins Verkaufsgespräch vertieft. Es geht um Duft und Flair, zarte und kräftigere Noten. Die beiden halten professionell 1,50 Meter Abstand und sind sich atmosphärisch doch nahe. „Ich habe mich absolut gefreut, heute in die Stadt zu können“, sagt Ley. Die Pflegekraft hat ihre Lieblingsgeschäfte besucht und möchte sich etwas Kleines gönnen.

Das ist ganz in Idrisis Sinn, die bestätigt, dass die Kunden das Angebot der geöffneten Geschäfte zunächst verhalten annähmen. „Aber die, die kommen, sind wirklich gut drauf“, freut sie sich. Die ersten Arbeitsschritte in der Parfümerie sind für sie und die Mitarbeiter ungewohnt. Ihr beruflich wichtigster Sinn wird maßgeblich durch ihre Mundschutzmaske behindert: „Es ist ganz schwierig, ohne Nase zu arbeiten“, sagt Valentina Idrisi und lacht. Es überwiegt aber die Erleichterung, dass das Geschäft nun wieder anlaufe. Idrisi ist eine der wenigen, die an diesem Tag die Schweizer Kunden erwähnt: „Wir müssen vielleicht auch einmal lernen, ohne sie auszukommen und uns auf unsere Konstanzer Kunden zu konzentrieren“, sagt sie noch.
Positive Bilanz bei Treffpunkt Konstanz
Daniel Hölzle, Vorsitzender der Händlervereinigung Treffpunkt Konstanz, zieht eine überwiegend positive Bilanz des ersten Verkaufstags. „Es lief wie erwartet“, sagt er, „es gibt eine gewisse Zurückhaltung unter den Kunden, aber in der Stadt geht es schon viel lebhafter zu.“ Er habe von den Händlern die Rückmeldung, dass viele Kunden eher Bedürfnis-Käufe getätigt hätten, das Lust-Shopping müsse noch warten. „Es schwankte zwischen Neugier und Zurückhaltung“, sagt Hölzle. Und auch die Händler bewegen an diesem Tag eher gemischte Gefühle. „Überwiegend spüre ich Zufriedenheit“, ergänzt er, aber auch Verunsicherung darüber, wie sich die Umsätze weiter entwickeln werden.
Beim Eisverkauf läuft‘s
Nini Zandanel ist einer der Geschäftsinhaber, die mit großem Optimismus vorausblicken können. Seine Eisdiele bietet zu diesem Frühlingstag das klassische Sortiment. „Die ersten Zeichen sind sehr gut“, sagt Zandanel, „wir durften bereits am Samstag öffnen“. Eis geht immer, bei gutem Wetter noch besser, und in der Krise ist es das süße Stück gute Laune am Tag. Das sieht auch Kunde Wolfgang Schönwald so: „Mein erstes Eis des Jahres“, sagt er beim Bezahlen. „Ein großer Dank an Konstanz und unsere Kunden“, sagt Zandanel noch, als sein Kunde die Eisdiele schon wieder verlassen hat. „Der Lockdown hätte viel schlimmer verlaufen können.“
