Samstagmorgen im Hause Badawi. Vater Mohamed sitzt am Rechner und verfasst wie so oft einen Artikel für eine sudanesische Zeitung. „Ich erhielt eine Mail und hatte schon so ein komisches Gefühl“, blickt er zurück. „Als ich die Mail öffnete, war ich schockiert und bekam Herzrasen.“ Der Inhalt: rassistische Aussagen. Der Absender: unbekannt und nicht nachzuvollziehen. „Die Art und Weise hat mir zu denken gegeben“, erzählt Mohamed Badawi, der für die Freie Grüne Liste bei den Kommunalwahlen am 26. Mai antrat und von allen 280 in Konstanz zur Wahl stehenden Kandidaten mit 25 142 die meisten Stimmen erhielt.
Reaktion auf einen SÜDKURIER-Artikel?
Als am Freitag die Stadt wegen des Brückentages kurz vor einem Verkehrskollaps stand, forderte er im Gespräch mit dem SÜDKURIER nachhaltigere Maßnahmen, um das Verkehrsaufkommen im Zentrum von Konstanz in den Griff zu bekommen: „Ich wäre dafür, Autos graduell aus der Innenstadt zu verbannen.“
Keine 20 Stunden später kam die Mail mit diesem Inhalt: „Da kommt also so ein Mohamad aus dem Sudan und will Deutschen vorschreiben, dass sie ihr DEUTSCHES Auto nicht mehr in der Innenstadt benutzen sollen. Mohamads haben wir hier eh schon zu viele. Und von mir aus stechen sie sich alle gegenseitig ab. Aber vorschreiben lassen wir uns von diesen gar nichts. Also ab in den Sudan und dort gegen Autos kämpfen, falls es dort überhaupt welche gibt.“
„Das ist eine offene Drohung“
Wegen diverser islamkritischer Artikel bekam er nach eigener Aussage schon öfter Drohbriefe, bei Lesungen in Kairo wurde er von Leibwächtern beschützt, in Saudi-Arabien, so sagt Mohamed Badawi, sei er nicht gerne gesehen. „Doch diese Mail beschäftigt mich sehr. Ich nehme das ernst und werde sehr vorsichtig sein. Ich lasse mich von diesen Typen aber nicht kleinkriegen.“ Diese Typen – damit meint er Menschen mit offenbar rechter, rassistischer Gesinnung: „Für mich ist das eine offene Drohung.“

Noch am Samstag hatte er Kontakt mit einem Freund aus Frankfurt, der ebenfalls aus dem Sudan stammt und Erfahrung mit dem Thema hat. „Er ist auch der Meinung, dass die Art des Inhaltes auf Rassisten deutet und dass ich aufpassen sollte.“ Inzwischen hat er bei der Polizei Anzeige erstattet. „Die Staatsanwaltschaft entscheidet, ob ein Straftatbestand vorliegt oder nicht“, erklärt Polizeisprecher Markus Sauter. „Wenn ja, werden Ermittlungen aufgenommen. In so einem Fall können wir immer nur raten, aufs Revier zu kommen und den Fall anzuzeigen.“
Seit 1991 wohnt Mohamed Badawi in Konstanz. In den ersten beiden Jahren pendelte er noch zwischen Lyon, wo er sein Studium begann, und dem Bodensee. „Diese Region ist einzigartig in der Welt. Einfach wunderschön“, sagt er zu seiner zweiten Heimat, die ihm so sehr ans Herz gewachsen ist. Die Kandidatur für den Gemeinderat war für ihn eine logische Folge seines wachsenden Engagements für Konstanz und das Kulturleben im Städtle (siehe Infokasten). „Es gibt viel zu tun und und ich möchte etwas bewegen“, nennt er seine Beweggründe.
Der ganz normale Alltagsrassismus
Alltagsrassismus ist ihm Zeit seines Lebens in Europa hin und wieder begegnet: Hier sei ihm die ausgestreckte Hand nicht geschüttelt worden, dort habe er sich ungewöhnlichen Leibesvisitationen unterziehen müssen, beispielsweise am Flughafen. Doch viel lieber spricht er von den unzähligen Händen, die ihm Menschen in Konstanz reichen, „und ohne die ich nicht hier stehen würde“, wie er es ausdrückt. Das Leben hier sei viel zu schön, um sich von Rassisten einschüchtern zu lassen. „Von daher sage ich: Jetzt erst recht.“
Mohamed Badawi
Der 54-Jährige ist in Konstanz bekannt als Kommunalpolitiker, Maler, Schriftsteller, Journalist und Dozent der Uni Konstanz beim Sprachlehrinstitut. Darüber hinaus ist er Komponist und Sänger und spielt neben Oud, welche im Mittelpunkt seiner musikalischen Darbietungen steht, eine spezifisch sudanesische Bongo-Variante, die aus drei Trommeln besteht. Die Wurzeln seiner Songs finden sich in Nubien, bei den Beduinen und den Sufis. Mohamed Badawi stammt aus der Sufi-Familie der Gadiriyya und lebt seit 1984 in Europa. Bereits mit sieben Jahren lernte er die traditionellen Beduinen- und Sufi-Rhythmen, die bis heute seine Musik prägen. Er deckt mit seinem Gesang eine außergewöhnliche Bandbreite ab, von historisch religiösen Sufigesängen bis zur westlichen Musikkultur der Gegenwart. Seit 1987 hat er auch in zahlreichen internationalen Projekten mit Musikern mitgewirkt. In Konstanz lebt er seit 1993 mit seiner Frau zusammen, zuvor pendelte er zwei Jahre zwischen Lyon und Konstanz. Das Paar hat zwei Kinder.