Was für ein Leben! Die Hühner spazieren in aller Ruhe über die Wiese, scharren mal hier, picken mal dort und lassen sich von den Menschen nicht stören.
Im Gegenteil. Huhn Ava hat die Menschen im Blick, denn Familie von Stechow hat zur Hühnerparty eingeladen und da könnte doch hier und da etwas vom Tisch fallen.

Starhuhn Pingu hat es sich auf dem Schoß des neunjährigen Enea von Stechow gemütlich gemacht und genießt die Streicheleinheiten des Jungen.
So geht es zu bei der wohl ersten Hühnergenossenschaft in der Stadt.
„Sie schnurrt wie eine Katze“, sagt Enea über Huhn Pingu. Das Tier riskiert derweil klammheimlich nicht nur einen Blick auf den gut gefüllten Tisch. Huhn Neila hingegen erbeutet derweil ein Stück Pizza aus der Hand eines Kindes.

Ausschlaggebend für die kleine private Hühnerzucht auf einer Freifläche im Stadtgebiet war die Erkenntnis: „Frische Eier schmecken viel besser“, stellt Randi von Stechow fest und erläutert: „Meine Schwiegermutter in Süditalien hat selbst Hühner.“
Der Familienrat tagte und der einstimmige Familienbeschluss lautete: „Wir bekommen Hühner“, erinnert sich der 13-jährige Valentin von Stechow, der mittlerweile ein richtiger Hühnerexperte geworden ist.
Gemeinsam mit Vater Salvatore Esposito und Freunden der Familie bauten die Jungen großzügige Hühnerställe mitsamt Freilaufgehege. Auch in den Boden wurden Gitter eingegraben.

Warum? „Weil sich sonst Wiesel, Füchse oder Marder in den Hühnerstall graben könnten“, sagt Valentin von Stechow.
Alles war vorbereitet und dann kam der große Tag.
„Wir sind nach Fischbach zu einem Kleintiermarkt gefahren und haben zwei Leghorns gekauft. Das sind Hühner, die sehr viele Eier legen, aber nicht brüten“, erläutert Valentin. Fischbach ist ein Ortsteil von Niedereschach nahe Villingen-Schwenningen.

Der 13-Jährige deutet auf ein anderes Huhn und meint: „Das ist ein Australorps; ein wunderschönes, schwarzes Huhn mit seidigem Gefieder.“ Valentin von Stechow kann noch mehr erzählen, etwa über weitere Hühnerrassen wie Silberhals, Königsberger und Bielefelder Kennhuhn.
„Mit fünf Hühnern und einem Hahn haben wir angefangen“, erzählt Randi von Stechow.
Mittlerweile tummeln sich auf dem kleinen privaten Hühnerhof 20 Hühner und 15 Küken. Doch bereits in der Anfangszeit der Hühnerhaltung stellt die Familie fest: „Jeder von uns isst jeden Tag ein oder zwei Eier. Unsere Hühner legen aber mehr und das bedeutete: Wir brauchten Abnehmer“, berichtet Randi von Stechow.
Die von Stechows fragten Nachbarn und Freunde, und diese seien sofort begeistert gewesen; wie beispielsweise Werner Fleig: „Ich fand die Idee gut und habe natürlich auch bei der kleinen Farm mitgeholfen.“
Frische Bio-Eier von glücklichen Hühnern, die artgerecht gehalten werden – was gebe es schon Besseres?
Ein weiterer positiver Nebeneffekt: „Wir werfen eigentlich nichts mehr weg, denn Hühner sind Allesfresser“, sagt Randi von Stechow.

„Zehn Leute sind in unserer kleinen Hühnergenossenschaft und jeder gibt eine Ei-Lage“, erklärt Randi von Stechow. Ei-Lage bedeutet: „Jeder gibt etwas Geld, so viel, wie er geben möchte, und finanziert so das Futter mit. Es funktioniert hervorragend.“
Denn: Wenn Familie von Stechow in Urlaub fährt, dann kümmern sich die Hühnergenossinnen und –genossen um das Wohl der Tiere und bekommen einen persönlichen Bezug zu diesen. „Es ist schon nett, wie zutraulich die Hühner sind“, sagt Werner Fleig.
Eine innige Beziehung
Die zutraulichsten Hühner seien jene, die die Familie selbst aufgezogen hat. Schließlich gebe es auch Fälle, in denen Hühnermütter ihre Küken nicht annähmen.

„Die haben wir dann zu Hause unter eine Lampe gelegt und aufgepäppelt“, sagt Enea von Stechow. Füttern müsse man die Küken nicht.
„Die picken sofort. In den ersten Tagen haben sie gekochtes Eigelb, dann spezielles Kükenfutter bekommen“, sagt Valentin.

Eine besondere Beziehung zu den Hühnern hat insbesondere Salvatore Esposito, der sich am meisten um die Vögel kümmert.
„Die Nähe macht viel aus“, sagt er, „seit wir Hühner haben, esse ich kein Hühnerfleisch mehr.“ Die Hühner seien gute Abfallverwerter, seien ideale Rasenmäher, lieferten Eier und seien somit ideal für den ökologischen Kreislauf und pädagogisch wertvoll: „Die Kinder bekommen einen ganz anderen Bezug zu den Tieren, der Natur und Lebensmitteln.“
Und Esposito fügt noch eines hinzu: „Das ist unser Beitrag zum Klima- und Naturschutz. Es zeigt im Kleinen, dass man gemeinsam etwas zum Positiven verändern kann.“
Das Modell
Randi von Stechow, Salvatore Esposito und deren Kinder Valentin und Enea gründeten im März 2018 eine private Mini-Hühnerfarm, um als Selbstversorger jeden Tag frische Bio-Eier von artgerecht gehaltenen Hühnern zu haben. Die Idee der ökologisch nachhaltigen Hühnerhaltung kam so gut an, dass sich daraufhin zehn Hühnerfreunde zusammentaten und sich den Namen „Konstanzer Hühnergenossenschaft“ gab. Jeder Genosse gibt eine freiwillige Summe für Futter.