Blickt Thomas Blaser vom Balkon seines Hauses über die Bücklestraße hinweg auf das gegenüberliegende Grundstück, lassen Erdreste erahnen, wo noch vor wenigen Wochen eine braune Hügellandschaft den Asphalt bedeckte.
Eigentümer des Grundstücks ist das Konstanzer Unternehmen BDS-Universal-Bau. „Mitte Mai haben hier bestimmt 40 Lastwagen Ladung um Ladung Bauschutt auf das Gelände gekippt“, sagt Blaser, der mit Frau, Tochter und Enkelkind im Haus gegenüber wohnt. „Sobald Wind aufkam, ist eine große Staubwolke durch die Gegend gezogen“, sagt er, „und das inmitten der Stadt.“
Es lag keine Genehmigung vor
Ende Mai schickt Blaser deshalb eine E-Mail an die Konstanzer Stadtverwaltung, genauer: an das zuständige Baurechts- und Denkmalamt. Darin weist er auf die aus seiner Sicht unzumutbare Situation für die Bewohner nördlich der Bücklestraße hin – und wirft die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Lagerung auf. Offenbar zurecht. Denn wie sich später herausstellen wird, liegt eine entsprechende Genehmigung zu diesem Zeitpunkt nicht vor. Eine Antwort auf sein Schreiben erhält Blaser nicht.

Tatsächlich aber verschwinden die Erdhügel, die laut BDS von einer Baustelle in Allensbach stammten, nun nach und nach wieder. Ein Abtransport, der erneut viel Staub aufwirbelt – wie Blaser offenbar zuvor mit seinem Schreiben. Als alles vorbei scheint, folgt die nächste Überraschung: Anfang Juli stellt das Bauunternehmen bei der Verwaltung einen Antrag, das Gelände bis Ende 2020 als Zwischenlager für Aushub- und Baumaterialien nutzen zu können.
Baurechtsamt weist auf Versäumnis hin
Den Hinweis darauf, dass eine solche Genehmigung dringend erforderlich ist, hatte die BDS vom Baurechtsamt erhalten, wie eine Sprecherin der Firma auf SÜDKURIER-Nachfrage bestätigt. Die Beschwerde eines Anwohners sei ihr jedoch nicht bekannt.
Ein schriftlicher Widerspruch, den Blaser als Antwort auf den Antrag einreicht, wird vom Baurechtsamt Ende August für ungültig erklärt. Blaser sei „kein Eigentümer eines direkt angrenzenden Grundstückes“, heißt es in einem Schreiben, das dem SÜDKURIER vorliegt. Dass Blasers Haus nur einen Steinwurf entfernt auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht, er somit von dem Antrag unmittelbar betroffen ist, spielt baurechtlich keine Rolle.
Bücklestraße wird schon bald zur Dauerbaustelle
Blaser ärgert das. „Auf uns Bewohner nördlich der Bücklestraße kommt in den nächsten Jahren ohnehin genug zu“, sagt er. „Warum soll ich diese vollkommen unnötige, zusätzliche Belastung einfach so hinnehmen?“ Der 63-Jährige meint damit das Wohn- und Prestigeprojekt, das das ehemalige Siemens-Areal südlich der Bücklestraße, heute noch Gewerbegebiet, ab dem Jahr 2021 zu einer Dauerbaustelle machen wird.
Dass die BDS das Gelände aber bereits jetzt als Zwischenlager nutzt, ist für ihn „absolut unverständlich“. Eine zusätzliche Befürchtung: Bei dem Aushub könne es sich um „gesundheitlich bedenkliches Material“ gehandelt haben, so Blaser. „Das wurde ja nie transparent gemacht.“

Laut BDS kein gesundheitlich bedenkliches Material
Auf Nachfrage aber gibt das Bauunternehmen Entwarnung: Das Aushubmaterial, das vom ehemaligen Höfler-Areal in Allensbach stamme, sei „standardmäßig im Vorfeld verprobt“ worden und „in keinster Weise belastet“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.
Das Gelände in der Bücklestraße, das die Firma eigenen Angaben zufolge rund vier Wochen als Zwischenlager nutzte, liege seit 2012 brach. Seit 2014 gehöre es der BDS, die im darauffolgenden Jahr einen „Antrag auf Nutzung als gewerbliche Lagerfläche für Boote, Jachten, Aufleger und Caravans“ gestellt habe. Diese Nutzungsberechtigung sei auch heute noch gültig. Das Abladen des Aushubs erfolgte demnach ohne Genehmigung – und somit illegal.
Baurechtsamt ordnet Auflösung des Lagers an
Das bestätigt auch das Baurechts- und Denkmalamt, das die BDS nach eigenen Angaben auf die erforderliche „Genehmigungspflicht der erfolgten Bauschuttlagerung“ hingewiesen und eine „Auflösung des fraglichen Lagerplatzes“ angeordnet habe. Dem sei das Unternehmen nachgekommen. Eine ungewöhnliche Staubentwicklung, wie sie Anwohner Blaser beschreibt, habe von Mitarbeitern des Baurechtsamtes bei einer Ortsbesichtigung nicht beobachtet werden können.
Die Frage, welche rechtlichen Konsequenzen im Falle einer nicht genehmigten Lagerung drohen, blieb bis Freitagnachmittag unbeantwortet. Dass die BDS die Fläche künftig legal als Zwischenlager nutzen möchte, bis auch dort irgendwann Wohnungen entstehen, lässt sich aus dem nun erfolgten Antrag ableiten. Der befinde sich derzeit noch „im Stadium der Ämteranhörung“, so die Behörde. Bis wann die zuständigen Stellen in diesem Fall entscheiden werden, bleibt also offen.
Bauunternehmen will die Fläche künftig „im Bedarfsfall kurzfristig nutzen“
Aktuell sei bis auf Weiteres keine weitere Lagerung von Aushub geplant. Völlig ausschließen kann und möchte das Bauunternehmen das aber offenbar nicht. So sei der Antrag bei der Stadtverwaltung gestellt worden, „um die Fläche im Bedarfsfall kurzfristig nutzen zu können“, schreibt die BDS.
Eine Nachricht, die Nachbar Thomas Blaser nicht erfreut. „Wir wohnen nun mal nebenan und sind dadurch direkt betroffen, das ist Fakt.“ Er richtet deshalb die Bitte an die Stadtverwaltung, „dass auch die Bewohner der Nordseite angehört werden, auch wenn es keine Einspruchsmöglichkeit gibt.“
Immerhin: Das Baurechtsamt teilt mit, dass Blaser über den Ausgang des Genehmigungsverfahrens informiert werden soll.