Gerade noch hatte Robert Leitner Kontakt mit Delta, Charlie, Charlie. Er legt das Mikrofon beiseite, während sich ganz im Osten des Konstanzer Flugplatzes ein kleiner weißer Punkt in Bewegung setzt. Das Brummen des Motors wird immer lauter. Der weiße Punkt wird immer größer.
Schließlich rauscht ein Ultraleichtflugzeug am offenen Fenster des Towers vorbei. Willkommen am Arbeitsplatz von Robert Leitner, der hier jeden Tag einen Kleine-Jungen-Traum leben darf.
Seit 1999 ist der gelernte Kaufmann aus Bietingen im Hegau, der lange Jahre sein Geld als Zimmermann verdiente, hier Flugleiter und darüber hinaus Landesbeauftragter für Flugaufsicht. Als sein Vorgänger in Rente ging, Leitner ist Anfang 40, beschloss der Freizeitpilot und Fluglehrer, sein Hobby zum Beruf zu machen.
„Ich fühle mich wohl und habe die Entscheidung noch nie bereut“, sagt er an seinem Schreibtisch, von dem aus er die grüne Piste überblickt.

Es ist ein schöner Job, ein abwechslungsreicher, aber auch einer mit großer Verantwortung. „Es erfordert ein spezielles Wissen. Man sollte ein erfahrener Pilot sein“, sagt der 63-Jährige, der auf Deutsch und Englisch per Funk mit den Piloten kommuniziert.
Stolz erzählt Leitner von Teenagern, die er bei ihren ersten Erfahrungen im Cockpit begleitet hat. Manche von ihnen leben wie er ihre Leidenschaft und sind inzwischen bei großen Airlines angestellt. „Es kann schon vorkommen, dass sie mich hier unten anfunken und grüßen, wenn sie mit dem Airbus in zehn Kilometern Höhe über dem Konstanzer Flugplatz unterwegs sind“, sagt Leitner mit glänzenden Augen.

Über das Jahr verteilt sorgen der von der Flugplatz GmbH fest angestellte Robert Leitner und seine beiden Vertretungen für die Sicherheit bei etwa 6000 bis 7000 Starts und Landungen. An einem schönen Sommerwochenende können es zwischen 100 und 150 pro Tag sein. „Wir sind hier einer der wenigen Verkehrslandeplätze der Region. Die nächsten sind in Friedrichshafen und Donaueschingen. Alles andere sind Sonderlandeplätze oder Segelfluggelände“, erklärt der Flugleiter. In Konstanz gibt es seit Jahren Debatten um den Erhalt des Flugplatzes.
Robert Leitner hat in allen sicherheitsrelevanten Dingen das Sagen. Sollte er zu dem Schluss gelangen, dass der Platz nicht befliegbar ist, etwa wegen zu starken Nebels oder zu viel Wasser auf der Start-und Landebahn, darf er ihn schließen.

Robert Leitner, der Feuerwehrmann. Direkt neben dem Tower steht ein rotes Auto für Notfälle bereit. Bei einem der seltenen Einsätze kam vor etwa zehn Jahren ein Flugzeug direkt auf den Tower zugeschossen. Robert Leitner brachte sich durch einen Sprung ins Treppenhaus in Sicherheit, ehe er sofort den brennenden abgestürzten Flieger löschte. Zuletzt ist im August 2018 ein Flugzeug verunglückt.
„Das gehört halt auch dazu. Meistens sind die Unfälle aber glimpflich ausgegangen“, sagt Leitner – wie der im vergangenen Jahr. „Das ist auf der Straße nicht anders.“

Der übliche Arbeitsalltag beginnt am Morgen, wenn Robert Leitner die Halle, in der es nach Benzin riecht, aufschließt und in den Tower geht. Am Schreibtisch checkt er seine E-Mails und beantwortet die Telefonate vom Anrufbeantworter. „Viele Piloten erkundigen sich schon im Voraus, ob und wann sie kommen können“, sagt der Flugleiter, der sich selbst augenzwinkernd als Mädchen für alles beschreibt.
Nach dem Bürodienst geht er die enge Wendeltreppe nach unten, um die Tankstelle aufzuschließen, wo die Flieger mit speziellem Flugzeugbenzin, Aviation Gasoline, Avgas genannt, betankt werden.

Dann beginnt die Qualitätskontrolle. Robert Leitner fährt mit einem gelben Kleinwagen die Start-und-Landebahn ab, um zu überprüfen, ob alles sauber ist. Er entfernt Steine, Flaschen oder abgebrochene Äste von der Wiese, sodass einem reibungslosen Tagesablauf nichts im Weg steht.
Erste Flugschüler kommen, die eine Platzrunde machen wollen. Fluglehrer Helge Loschan checkt das Ultraleichtflugzeug vor dem Start. Robert Leitner schaut dem erfahrenen Kollegen bei der Vorbereitung über die Schultern.

Zwischendrin kümmert der selbst ernannte „Handwerker und Hausmeister“ Robert Leitner sich um kleinere Reparaturen an der Anlage. „Ich bin auch Landwirt“, sagt der 63-Jährige, lacht und zeigt auf seinen alten Traktor. Leitner hat dafür Sorge zu tragen, dass die Wiese auf dem Flugplatz immer in einwandfreiem Zustand ist.
„Die Trockenheit hat letztes Jahr viel kaputt gemacht. Ich musste zwei Lastwagen-Ladungen mit Humus ausbringen und neuen Rasen aussähen“, sagt Leitner, der für das hohe Gras am Rand der Piste eine Sense aus der Garage holt.

Immer wieder starten und landen Flugzeuge oder Helikopter auf dem Flugplatz, der auch von Bundes- und Landespolizei genutzt wird. „Mit der Zeit kennst du Gott und die Welt“, sagt Leitner, der bereits zahlreiche prominente Politiker oder Sportstars wie Sebastian Vettel und Jérôme Boateng in Konstanz begrüßte.
Für sie und andere Gäste gibt er den Entertainer oder Touristenführer. „Viele erkundigen sich, was sie unternehmen können“, sagt Leitner, der im Eingangsbereich des Towers jede Menge Flugblätter bereitstellt.

Viele Starts und Landungen später stellt Robert Leitner gegen 19 Uhr sein Funkgerät ab und legt das Mikrofon weg. Zeit für den Feierabend am Arbeitsplatz der Kleine-Jungen-Träume. Dort, wo bald schon wieder Motoren röhren und manch einer in die Luft geht.