Das war eine grandiose Idee: Jedes Jahr eine Bruckner-Sinfonie im Konstanzer Münster aufzuführen. Marcus Bosch, seit 2016 Erster Gastdirigent der Südwestdeutschen Philharmonie, ist profunder Kenner der Bruckner-Sinfonik und sorgte auch dieses Mal für ein ausverkauftes Münster. Wie gut diese Musik in einen Kirchenraum passt, davon braucht man Bruckner-Fans nicht zu überzeugen. Und trotz der gewaltigen Enge im Altarraum konnte sich die Musik raumfüllend entfalten.
Wie er aus Klangnebel Tongewalt entstehen lässt, also wie dynamisch sich die Lautstärke spannungsreich entwickelt, wie blockartig und doch geschmeidig Gruppen-Soli und Orchester-Tutti nebeneinander wirken, wie durchsichtig alle Stimmen des Orchesters Themen durchschreiten und wie Generalpausen nachklingend ausgekostet werden – das ist Dirigierkunst auf höchstem Niveau. Marcus Bosch tat gut daran, die Urfassung von Bruckners Dritter von 1873 zu wählen, die zwar länger als die beiden folgenden, aber auch authentischer ist, wenn man bedenkt, dass Anton Bruckner seine Fassungen von 1876/77 und 1888/89 durchaus dem Zeitgeschmack anpasste oder äußeren Zwängen folgte. Die klanggewaltige erste aber enthält alle Wagner-Zitate, folgt in Klang und Harmonik oft dem von ihm verehrten Meister.
Doch Bruckner schuf dennoch genial Eigenes: Mit melodisch weitschweifenden Gedanken, etwa im herrlichen „Adagio“, wo sich schwer wogender Streicherklang hoch ins Gewölbe aufschwingt oder mit monumentalen Formen, wie im rhythmisch und thematisch vielfältigen, fast dreißigminütigen ersten Satz – das klingt ebenso mysteriös-grüblerisch wie erregt und leidenschaftlich im Ausdruck. Wirbelnd und tänzerisch das „Scherzo“ und mit majestätischen Bläser-Signalen, grollenden Paukenwirbeln und aufwirbelnden Streicherfiguren ausgestattet, schließlich das im hymnischen, triumphalen Schluss endende Finale.
Großes Lob gilt den Orchester-Abteilungen: Glanzvoll, markant und sauber aufspielende Blechbläser, sicher artikulierende Holzbläser, eine homogene Streicher-Riege und ein unbestechlich präziser Paukist lassen die Musik zum Erlebnis werden – für Musiker und Zuhörer gleichermaßen. Der gewaltigen und erhebenden Musik, die den ganzen Körper belebend durchströmt, tat auch die zwischendurch wahrzunehmende Live-Pop-Musik vom Münsterplatz keinen Abbruch. Nur ein unbekümmertes Eintauchen in den Abendtrubel wollte nach Bruckner nicht so recht gelingen!
Bruckner-Fans sollten schon mal den 8. Mai 2018 im Kalender vormerken. Dann erklingt die einstündige, sechste Sinfonie in A-Dur von 1879/81 unter Marcus Bosch um 19.30 Uhr im Konstanzer Münster.
Zur Person
Marcus Bosch (47) ist seit 2011 Generalmusikdirektor des Staatstheaters und der Staatsphilharmonie Nürnberg. 2002 bis 2012 war er Generalmusikdirektor der Stadt Aachen. International beachtet wurden seine Gesamtaufnahmen der Sinfonien von Bruckner und Brahms. 2016 wurde er zum ordentlichen Professor für Dirigieren an die Musikhochschule München berufen. Seit 2016/17 ist er Erster Gastdirigent der Südwestdeutschen Philharmonie.