Mit Headset und Mikrofon geht Adam Wolke durch die Konstanzer Altstadtgassen. Dabei filmt ihn sein Kameramann Tom Knoll. Gelegentlich greift Adam Wolke an den Kopfhörer in seinem Ohr. Dann schaut er kurz nichts und niemanden direkt an, sondern hört auf die Stimme, die aus dem Headset zu ihm spricht. Gerade steht er neben einem Pappkartonhaufen vor einem Geschäft. Verschmitzt lächelnd dreht er sich zu dem Haufen und sagt in die Kamera: "Ihr wollt also das ich da hineinspringe?" Mit "ihr" meint er seine Zuschauer, denn alles was er momentan unternimmt, wird live in HD ins Internet übertragen.
Adam Wolke ist ein YouTuber, also jemand, der seine Aktivitäten aufzeichnet und auf der Videoplattform YouTube für andere zur Verfügung stellt. Er besitzt dort selbst einen Kanal. Der Name: skylineTV. Die Stimme in seinem Ohr gehört zu einem Freund, der in einem Sprachstudio in Hamburg sitzt: Er beobachtet den Live-Chat, in dem die Zuschauer in Echtzeit Kommentare zur Live-Sendung von Adam Wolke abgeben können. Anders als beim normalen Fernsehen, gestalten die Zuschauer den Stadtrundgang durch die ständige Interaktion mit Wolke aktiv mit.
Jeden Donnerstag ist er von 18 bis 22 Uhr in einer anderen deutschen Stadt unterwegs. Der Ablauf seines Live-Auftritts ist dabei überwiegend lose. Manchmal spricht er sich vor seiner Übertragung mit Leuten vor Ort ab und besucht sie während der Aufzeichnung in ihrem Geschäft: In Konstanz spricht er mit dem Eigentümer eines Comic-Ladens. Der restliche, größere Teil ist improvisiert: "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Bewohner einer Großstadt schnell abgenervt, hingegen Leute an kleineren Orten zugänglicher sind."
Auf eine Gruppe letzterer Kategorie, trifft Adam Wolke während seiner Tour nahe dem Bürgeramt: junge Studenten. Sie sind gerade auf einer Schnitzeljagd. Von dem Comic-Ladenbesitzer hat er ein Boulespiel geschenkt bekommen. Mit einem der angehenden Akademiker probiert er das Spiel auch prompt vor dem Hotel Barbarossa aus.
Während dem Rundgang durch Konstanz filmt der Kameramann volle vier Stunden nonstop, jedes Mal in HD: Das kostet. Wie finanziert Adam Wolke das? "Meine Zuschauer können vorab spenden und so entscheiden in welche Stadt ich als nächstes reise." Für Konstanz beläuft sich die Spendensumme auf 1200 Euro. Für vier Stunden Live-Rundgang nicht schlecht. Doch Adam Wolke dämpft an dieser Stelle die zukünftigen Job-Erwartungen seiner jungen Zuschauer: "Durch das gespendete Geld bezahle ich meinen Kameramann, den Zusammenschnitt von vier Stunden Videomaterial zu einem kürzeren Video mit allen Highlights sowie den Sprecher in Hamburg und mein Equipment muss ich auch noch abbezahlen, von meinen eigenen Reisekosten ganz zu schweigen."
Warum ist der gelernte Webentwickler dann jeden Donnerstag aufs Neue in einer anderen Stadt und das seit Anfang diesen Jahres? Es mache ihm einfach Spaß: "Vier Stunden auf Sendung zu sein ist eine enorme Leistung. Dazu setze ich live die Aktionen um, die sich meine Zuschauer von mir wünschen. Außerdem war ich schon früher der Klassenclown und erlaube mir gern Späße mit anderen."
Letzteres merkt der Beobachter spätestens dann, wenn der gebürtige Frankfurter während seinem Live-Auftritt zwei Papprollen entdeckt, diese zusammensteckt und mit seiner Konstruktion wahllos Leuten von hinten auf die Schulter tippt, um sich danach hinzustellen als hätte er mit all dem nichts zu tun. Ob er denn auch mal verrückte Sachen macht? "Ich habe mal während einer Live-Übertragung in Dresden eine Currywurst mit Schärfegrad 6 vertilgt.
Danach musste ich mich erstmal hinsetzen. Mein Rachen war komplett gefühllos. An dieser Stelle haben meine Zuschauer Herz bewiesen und sagten ich soll sofort aufhören." Sich aber grundlos für sein Publikum zu deren Belustigung verletzen: Das würde er nicht machen. Zum Schluss seiner Übertragung und ein wenig im Schutze der leeren Altstadtgassen, springt er schließlich in einen Pappkartonhaufen vor einem Geschäft für Damenunterwäsche. Ein wenig Nervenkitzel darf es dann doch sein.