Gudrun Trautmann und Albert Bittlingmaier
Wiederholt kam es am Gottmadinger Bahnhof zu solchen chaotischen Situationen. Weil sich ein Triebwagen der DB in Reparatur befindet, ...
Wiederholt kam es am Gottmadinger Bahnhof zu solchen chaotischen Situationen. Weil sich ein Triebwagen der DB in Reparatur befindet, reicht die Kapazität für die Beförderung der Schüler zu den Singener Schulen nicht aus. Zwei Ersatzbusse sind dem Bürgermeister von Gottmadingen, Michael Klinger, nicht genug. Er beschwert sich jetzt direkt beim Verkehrsminister. | Bild: Tesche, Sabine

„Die Situation ist unhaltbar und erhöht die Corona-Ansteckungsgefahr erheblich, wenn Schüler dicht gedrängt in den Zügen stehen oder sitzen. Seit Jahren schreiben wir die Deutsche Bahn an, weil Schüler auch zu spät in den Unterricht kommen, da sie in den überfüllten Zügen keinen Platz mehr finden. Wir bekommen aber nur ungenügende oder gar keine Antworten“, sagt Stefan Fehrenbach, Leiter der Hohentwiel-Gewerbeschule in Singen

Zusatzbusse auch für den Seehas

Indes monieren immer mehr Bahnfahrer, dass auch der Seehas und Busse überfüllt seien. „Besteller und damit auch verantwortlich für die Züge ist das Land Baden-Württemberg. Der Landkreis kann hier nicht entscheiden, nur hinweisen und auffordern“, sagt Jens Bittermann, Pressesprecher des Landratsamtes Konstanz. „Für den Regionalbus haben wir zunächst die Situation beobachtet und einen Handlungsbedarf bewertet. Das werden wir auch weiterhin tun. Aktuell haben wir zwei Verstärkerbusse am Nachmittag eingesetzt“, so Bitterman. Im ÖPNV seien die Abstandsregeln nicht einzuhalten, weswegen auf einen zusätzlichen Schutz besonders geachtet werden müsse. Auch an den Haltestellen, so Bittermann.

Die Nerven liegen blank

Die Kritik wird lauter, der Ton schärfer. In Gottmadingen liegen die Nerven blank. Nachdem gleich zu Beginn des neuen Schuljahres wieder zwei Triebwagen der Deutschen Bahn ausgefallen sind und die Transportkapazität für die zahlreichen Schüler aus Gottmadingen und Gailingen nicht ausreicht, um rechtzeitig zum Unterricht in die Singener Schulen zu kommen, ist die Geduld mit der DB erschöpft. Auch die jüngsten Entschuldigungen des Konzernbevollmächtigten Thorsten Krenz führen nicht mehr zur Beruhigung. Die angebotene Lösung, mit zwei Bussen ab Bietingen und Sicherheitsleuten der Bahn das morgendliche Pendler-Chaos am Bahnhof Gottmadingen zu entschärfen, hält der Bürgermeister Michael Klinger für inakzeptabel. Für ihn ist das Maß längst voll.

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Vorwürfe direkt an den Minister

Mit einem scharfen Schreiben wendet er sich jetzt direkt an den Verkehrsminister des Landes Baden-Württemberg, Winfried Hermann. Klinger zitiert aus den Akten, listet auf, was von Gottmadinger Seite in der Vergangenheit alles unternommen wurde, um auf die wiederholten Probleme bei der Schülerbeförderung aufmerksam zu machen und beklagt die fehlende Reaktion von Seiten des Ministeriums. Die Gemeinde fühlt sich schlicht im Stich gelassen. Auch auf die Resolution des Gemeinderates vom November 2019, in der konkrete Fragen zum Umgang mit dem Versagen der Deutschen Bahn gestellt wurden, habe er bis heute keine Antwort erhalten. Klinger will von Hermann wissen, welche Strafen die Bahn bei Schlechtleistung oder bei komplettem Zugausfall zu erwarten hat und warum das Land als Auftraggeber der Bahn noch keine Kündigung des Vertrages angedroht hat.

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Dauerproblem vermiest Lust auf ÖPNV

Der Bürgermeister macht deutlich, dass er Verständnis für Zugausfälle in Sondersituationen hat. Ihm geht es in seiner Beschwerde um die Regelmäßigkeit, mit der die Bahn ihre Leistungen nicht erfülle. An dem Minister schreibt er: „Wir tun als Kommune sehr viel dafür, öffentlichen Personennahverkehr zu fördern.“ Diese Bemühungen, Menschen zum Umstieg zu bewegen und damit etwas für den Klimaschutz beizutragen, würden torpediert und zunichtegemacht, weil die Berufspendler aufgrund fehlender Verlässlichkeit wieder aufs Auto umstiegen und Eltern ihre Kinder wieder mit dem Auto nach Singen in die Schulen brächten.

Sie müssen zurückbleiben. Weil ein Triebwagen der DB ausgefallen ist, können nicht alle Fahrgäste von Gottmadingen nach Singen ...
Sie müssen zurückbleiben. Weil ein Triebwagen der DB ausgefallen ist, können nicht alle Fahrgäste von Gottmadingen nach Singen transportiert werden. Die Geduld ist erschöpft. | Bild: Tesche, Sabine

Krasse Vermutung

Angesichts des von der Bundespolizei geschilderten Gefahrenpotenzials durch das Gedränge unter Corona-Pandemie-Bedingungen fordert Klinger den Minister dazu auf, den Druck auf die Bahn zu erhöhen. Am Morgen hatte er von der Bundespolizei erfahren, dass sich die Lage durch einen weiter Zugausfall noch mal verschärfen werde. Wenn stimmt, was der SÜDKURIER-Leser Oliver Geißinger in seiner E-Mail vermutet, dass die Bahn ihre Triebwagen lieber an andere Gesellschaften vermietet, statt sie für Ersatz auf den eigenen Strecken zu sorgen, wäre das mehr als ein Grund für den Verkehrsminister, akut einzuschreiten. Bürgermeister Klinger hat auch nochmals an die Deutsche Bahn ein Beschwerdeschreiben gesandt, in dem er den Ton deutlich verschärfte.

„Die Unterstützung von Abellio mit Fahrzeugen ist vom Aufgabenträger ausdrücklich gewünscht, sodass der Schienenverkehr im Bereich von Nord-Württemberg aufrecht erhalten werden kann“, erklärt eine Sprecherin der Deutschen Bahn. Dies gelte entsprechend für die Fahrzeuge, die auf dem Radolfzeller Bahnhof bereitstünden. Sie seien vertraglich gebunden für den Einsatz auf der Rheintalbahn. Der Gottmadinger Stefan Burger, der via Bahn zwischen seinem Wohnort und der Arbeitsstätte in Bodmann-Ludwigshafen pendelt, hatte festgestellt, dass auf dem Radolfzeller Bahnhof seit mehreren Wochen mindestens acht Garnituren Regionalbahnen in Landesdesign stehen.