Nach drei Jahren Leidensgeschichte erleben Schüler und Eltern aus Gottmadingen und Gailingen derzeit eine rasante Wende im Schülerverkehr. Hatten die Betroffenen im Winter 2020 kaum noch Hoffnung auf ein Ende des wiederholten Bahn-Chaos‘ auf der Strecke Singen-Schaffhausen, so kommen die Lösungen jetzt Schlag auf Schlag. Vorausgegangen waren eine Resolution des Gottmadinger Gemeinderates und unzählige Briefe von Bürgermeister Michael Klinger an die DB-Regio sowie das Verkehrsministerium Baden-Württemberg als Auftraggeber. Jetzt hat ein digitales Treffen zwischen der Gottmadinger Bürgerinitiative, dem Ministerialdirektor Uwe Lahl vom Verkehrsministerium und Bürgermeister Michael Klinger stattgefunden. Gudrun Winkler, eine der Initiatorinnen der Petition, bezeichnet das Treffen als sehr konstruktiv und ermutigend.

Das Bahn-Chaos strapaziert die Nerven von Pendlern
Immer wieder war es – besonders im morgendlichen Schülerverkehr – zu Zugausfällen oder zu geringer Wagenkapazität auf der Strecke gekommen. Schüler und Pendler mussten sich in die Züge quetschen oder blieben überhaupt am Bahnsteig stehen. An Abstände, wie sie zur Eindämmung der Corona-Pandemie verordnet werden, war dabei nicht mehr zu denken. Schüler aus Gottmadingen und Gailingen verpassten regelmäßig den Unterrichtsbeginn in den weiterführenden Schulen in Singen.
Projekt Mobilitätswende wird durchkreuzt
Die Bahn entschuldigte sich zwar und gelobte Besserung. Auch wurden Busse eingesetzt, die die Schüler direkt zu den Schulen bringen sollten. Es kam aber weiter zu Zugausfällen. Einige Eltern wollten sich gar nicht mehr auf den Öffentlichen Nahverkehr verlassen und organisierten Fahrgemeinschaften. Das widerspricht der von der Gemeinde Gottmadingen angestrebten Mobilitätswende.
Kleine Anfrage an den Landtag und eine Petition können nicht ignoriert werden
Zuletzt kam Bewegung in die Sache, nachdem auch der FDP-Landtagsabgeordnete Jürgen Keck zusammen mit Bürgermeister Klinger eine Kleine Anfrage an den Landtag richtete. Die Antwort brachte Erstaunliches zutage: Über 12 000 bestellte Kilometer wurden 2020 von der DB nicht gefahren. Über 370 Züge waren zu kurz. Flankierend zu dieser Anfrage sammelten vier Gottmadinger Mütter über 1000 Unterschriften und reichten sie zusammen mit einer Petition bei der Landesregierung ein.
Im Verkehrsministerium platzt der Geduldsfaden
Die Reaktionen aus dem Ministerium kamen prompt. Der Amtschef im Ministerium für Verkehr, Uwe Lahl, hatte nach all den Beschwerden bereits signalisiert, dass seine Nachsicht mit der DB Regio aufgebraucht ist. Jetzt hatte er die Gottmadinger Mütter, die sich mit ihrer Petition an das Verkehrsministerium gewandt hatten, zu einer Besprechung eingeladen. „Wir haben viele Fragen gestellt und auf alles eine Antwort erhalten“, schildert Gudrun Winkler die Atmosphäre in dem etwa einstündigen Gespräch. „Im Verkehrsministerium hatte man sich sehr gut auf unsere Anliegen vorbereitet. Die Zwischenlösung wird sehr viel Entlastung im Schülerverkehr bringen.“

Ab Dezember halten auch Interregios in Gottmadingen
Das Ergebnis fasst der Sprecher des Ministeriums, Oliver Hillinger, so zusammen: „Von Dezember 2021 an wird morgens in Gottmadingen ein IRE halten, der die Schüler rechtzeitig zu den Schulen nach Singen bringen wird.“ Es werde kurz nach 7 Uhr sein. Die genaue Uhrzeit stehe noch nicht fest, der Unterricht könne jedoch rechtzeitig erreicht werden. „Der Amtschef im Ministerium für Verkehr, Uwe Lahl, hat dies den Eltern, die die Petition gestellt haben, in der Besprechung so zugesagt“, so der Sprecher. Es handle sich um einen Doppelstockzug. Zusammen mit dem üblicherweise verkehrenden Schülerzug wären dann morgens mehr als 500 Sitzplätze und noch mal die gleiche Anzahl an Stehplätzen vorhanden. „Damit wird kein Schüler mehr auf dem Bahnsteig zurückbleiben“, betonte Lahl.
Vertragsausstieg für Dezember 2022 geplant
Zuvor hatten sich das Verkehrsministerium und die DB Regio auf einen vorzeitigen Ausstieg aus dem Beförderungsvertrag für Dezember 2022 geeinigt. Das beruhigte die besorgten Eltern nur mäßig, weil ihre Kinder noch zwei Winter mit dem aktuellen Dienstleister zurechtkommen müssen. Der IRE-Halt werde die Situation entspannen. „Voraussetzung ist allerdings, dass möglichst viele Schüler in den früheren Zug um kurz nach 7 Uhr einsteigen, damit für jene, die mit dem Bus aus Gailingen kommen im nachfolgenden Zug genug Platz ist“, erklärt Gudrun Winkler.
Qualität geht vor Preis
Bei der Neuvergabe soll nicht der Preis, sondern die Qualität den Ausschlag geben. Die Bahn hatte die zahlreichen Zugausfälle vor allem mit Problemen bei der Reparatur der störanfälligen Wagen im fernen Stuttgart begründet.