Das Hegau-Jugendwerk (HJW) in Gailingen wird 50 Jahre alt. Das wird das ganze Jahr über gefeiert (siehe Text unten). Für die Führungsriege des Hauses war das Jubiläum auch Anlass, bei einem Pressegespräch auf Geschichte und Herausforderungen zu schauen. Mit der Reha-Klinik für Kinder und Jugendliche verfüge der Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN) über ein sehr besonderes Haus, sagt dessen Geschäftsführer Bernd Sieber: „Wir sind froh, das HJW im Verbund zu haben.“ Das Haus spiele eine so besondere Rolle, dass es vom Freitagabend, 11. März, der Presse vorgestellten Gutachten zur Zukunft des GLKN gar nicht betroffen sei. Mit anderen Worten: Das HJW ist nicht von Umstrukturierungsideen betroffen. Auch bundesweit sei das Haus wichtig. Das unterstreicht Pflegedienstleiterin Ina Rathje. Patienten kämen schwerpunktmäßig aus Baden-Württemberg, Bayern und Hessen, aber auch aus ganz Deutschland.

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Diese Position betont auch die ärztliche Direktorin Corina Kiesewalter beim Pressetermin. Anfang 2021 habe sie ihre Arbeit dort begonnen, für einen neurologischen Reha-Mediziner gebe es am Hochrhein „ein tolles Setting“, sagte sie. Die Klinik arbeite nach einem visionären Modell, das beinahe einzigartig in Deutschland sei. Der entscheidende Punkt sei der ganzheitliche Ansatz, sagt die kaufmännische Direktorin Barbara Martetschläger. Ein Patient könne den gesamten Rehabilitationsprozess in einer Klinik absolvieren. Damit werde der Vorgang nicht unterbrochen. Und die jungen Patienten können sogar zur Schule gehen und Abschlüsse machen. 42 Vollzeit-Lehrerstellen halte das Land Baden-Württemberg dafür vor, ergänzt Roland Sing, Vorsitzender des HJW-Aufsichtsrats. Zum Konzept gehören auch berufsbegleitende Maßnahmen, sagt Martetschläger. Der größte Teil der jungen Patienten komme mit Schädel-Hirn-Trauma, also grob gesagt Verletzungen am Kopf, in die Einrichtung, sagt Kiesewalter. Auch Menschen mit Cerebralparese, die auf frühkindliche Schädigung des Hirns zurückzuführen sind, seien dort: „Wir behandeln neurologische Erkrankungen ab der Geburt.“

Anfänge in einer Zeit des Aufbruchs

Angefangen hat der Betrieb 1972, vorausgegangen waren jahrelange Vorarbeiten. Damit fiel die Gründung in eine Zeit der Umbrüche wie etwa Willy Brandts Ostpolitik, erklärte Sieber. Doch es war auch eine Zeit des sozialpolitischen Aufbruchs, als eine Versorgung von Patienten über verschiedene Bereiche und Kostenträger hinweg geschaffen wurde, erklärt HJW-Aufsichtsrat Sing. Ein Trägerverein wurde 1968 gegründet. Gründervater des HJW war Friedrich Schmieder, der in Gailingen auch die Schmieder Kliniken gründete, die ebenfalls in der neurologischen Rehabilitation arbeiten – allerdings für Erwachsene. Danach sei er dann in Richtung der Behandlung von Kindern und Jugendlichen gegangen, so Sing. Später habe es Differenzen gegeben, weswegen das HJW heute nicht zu den Kliniken Schmieder gehöre. Was damals dazu führte, wisse er hingegen nicht, so Sing. Doch die Familie Schmieder sei heute im Trägerverein vertreten und dort sehr konstruktiv. Und GLKN-Chef Sieber ergänzt, es gebe freundschaftliche Verbindungen mit der Familie.

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1999 habe das HJW dann eine wirtschaftlich schwierige Zeit durchgemacht, erklärt Roland Sing. Es habe Schwierigkeiten gegeben, Gehälter zu zahlen. Das HJW suchte Rettung beim damaligen HBH-Klinikum Singen, das 51 Prozent der Anteile übernahm. Die Minderheit blieb beim bisherigen Trägerverein. Diese Struktur sei noch heute so, sagt Sing, der auch Vorsitzender des Trägervereins ist. Das frühere HBH-Klinikum ist heute Teil des GLKN.

Doch bei aller positiven Stimmung zum 50-Jährigen gibt es auch Pläne und Sorgen. So soll demnächst die unterstützte Kommunikation für Patienten, die nicht sprechen können, ausgebaut werden, erklärt Martetschläger. Und die Impfpflicht für Mitarbeiter in Gesundheitseinrichtungen ist eine große Unbekannte für die Zukunft. Die Impfquote sei zwar hoch, aber keine Berufsgruppe erreiche volle 100 Prozent, sagt Pflegedirektorin Rathje. Auch der Fachkräftemangel sei spürbar, trotz der sinnstiftenden Arbeit mit den jungen Patienten. Sorgenfalten treiben den Verantwortlichen außerdem Überlegungen der Politik auf die Stirn, auch im Reha-Bereich wie bei Krankenhäusern nach Fallpauschalen abzurechnen. Derzeit gelten Tagessätze. Für die sehr individuellen Bedürfnisse der Patienten und die lange Behandlungsdauer sei das nicht sinnvoll, so der Tenor.

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