Der Schock saß tief bei Angelika Gattmann. Anfang des vergangenen Jahres erfuhren die stellvertretende Vorsitzende und weitere Vereinsmitglieder, dass der Mietvertrag des Vereins „Pfad für Kinder“ mit dem Land nach zehn Jahren nicht verlängert wird. Der Verein kümmert sich um Pflegeeltern und -kinder und musste bis Ende 2023 aus dem geliebten Vereinshaus „Trampel-Pfad“ auf dem Hohentwiel ausziehen, das sie jahrelang in mühe- und liebevoller Arbeit saniert und verschönert hatten. Und das, obwohl es bereits eine mündliche Zusage gegeben habe, den Vertrag zu verlängern.

„Es tut uns weh, dass wir das Haus auf dem Hohentwiel aufgeben mussten. Das war ein Schlag, weil wir dort viel Zeit investiert und uns wohlgefühlt haben. Das Haus war uns und den Kindern sehr ans Herz gewachsen“, sagt Gattmann, die selbst mehrere Pflege- und Adoptivkinder hat.

Eines der Zimmer, in dem die Kinder übernachten können, ist bereits eingerichtet. Doch ansonsten ist noch viel Arbeit notwendig.
Eines der Zimmer, in dem die Kinder übernachten können, ist bereits eingerichtet. Doch ansonsten ist noch viel Arbeit notwendig. | Bild: Mario Wössner

Doch ein Zurück gab es nicht. Denn der Verein hatte das Haus vom Amt für Vermögen und Bau gemietet. Das Amt in Konstanz betreut Immobilien, die im Besitz des Landes Baden-Württemberg sind. Das Grundstück, auf dem das alte Haus steht, ist verpachtet. Und der Pächter der Domäne, Schäfer Michael Thonet, wollte mit seiner größer werdenden Familie aus Platzgründen wieder in das Haus einziehen, wozu er laut Amt auch berechtigt war.

Verein ist auf eigenes Zuhause angewiesen

Doch für den Verein ist ein eigenes Heim unersetzlich. Denn es ist gleichzeitig ein zweites Zuhause für die Kinder und Lehrort für die Pflege- und Adoptiveltern, beschreibt Gattmann. Bei den Fortbildungen für Pflegeeltern könnten jüngere von den erfahrenen lernen, man tausche sich gegenseitig aus und lade auch Fachkräfte für Schulungen ein. Einige, die einst Pflegekinder waren, betreuen nun selbst andere Kinder.

Und Veranstaltungen wie Wanderungen, Grillen, Freizeiten und Gesprächsrunden seien eine wichtige Unterstützung im Alltag für Kinder. Denn die Kinder seien zu fit für Freizeiten mit behinderten Menschen, aber nicht fit genug, um mit gesunden Kindern mitzuhalten. „Sie alle kommen aus schwierigsten Verhältnissen, viele leiden unter dem Fetalen Alkoholsyndrom, da die Mutter während der Schwangerschaft Alkohol trank“, erläutert die stellvertretende Vorsitzende. Die Folgen sind geistige, psychische oder körperliche Einschränkungen.

Da viele Kinder deshalb in ihrer Entwicklung langsamer sind, fehlt ihnen die Reife. Einige von ihnen hätten noch nie außerhalb ihrer Pflegefamilien übernachtet – außer eben im Verein. Ein freies Wochenende ist für viele Pflegeeltern ohne den Verein daher nicht möglich, erläutert Angelika Gattmann. „Wir sind die Auffangstation für diese Kinder“, sagt sie über die Übernachtungs-, Freizeit- und Ferienangebote.

Das könnte Sie auch interessieren

Zudem diente das alte Heim als Ort, an dem leibliche Eltern und Kinder auf die Pflege- oder Adoptiveltern treffen und sich so aneinander gewöhnen konnten. Denn es sei als neutraler Ort des Austauschs besser geeignet als ein Amtsgebäude. Für den Verein war deshalb klar: Ohne eigenes Haus geht es nicht, es musste eine Alternative her.

Renovierungen dauern bis Ende 2024 an

Doch die Suche gestaltete sich schwierig. Inzwischen hat der Verein nach langer Suche aber eine neue Bleibe gefunden: Ein dreistöckiges Häuschen in Eckartsbrunn in Eigeltingen, das Angelika Gattmann selbst gehört, aber baufällig ist. Der Verein hat es für 30 Jahre für eine geringe Summe gemietet. „Das Dorf hier steht hinter uns, das finden wir ganz toll“, sagt Gattmann. Der Umzug erfolgte zu Beginn des Jahres. Nun stehen aber erst einmal lange Renovierungsarbeiten an, größtenteils in Eigenregie. Die Kinder hätten beim Herunterreißen der alten Tapeten geholfen. Ein Schlafzimmer ist bereits hergerichtet.

Blick unters Dack: Noch ist hier eine Baustelle, doch in etwa einem Jahr sollen hier unter einem isolierten Dach mehrere ...
Blick unters Dack: Noch ist hier eine Baustelle, doch in etwa einem Jahr sollen hier unter einem isolierten Dach mehrere Schlafmöglichkeiten für die Kinder sein. | Bild: Mario Wössner

Doch vieles fehlt noch: Das Dach soll mit Solarmodulen versehen und isoliert werden, damit direkt darunter weitere Schlafplätze entstehen können. Die Sanitäranlagen fehlen noch ebenso wie die Heizung, auch die Küche ist noch nicht fertig. Für den Außenbereich soll eine Außendusche entstehen, und auch die alte Elektrik müsse erneuert werden.

Das könnte Sie auch interessieren

„Das wird auf jeden Fall bis Ende des Jahres dauern“, sagt Gattmann über die notwendigen Arbeiten, die Handwerker entweder gegen Bezahlung oder Spendenquittung erledigen können. Es dauert also noch, bis der Verein wieder Übernachtungen anbieten kann. Dennoch wolle man in den Sommerferien eine Kinderfreizeit anbieten. Bei gutem Wetter könne man schließlich auch draußen zelten. Denn hinter dem Haus befindet sich eine große Wiese mit Wohnwagen und Garten.

Entstehen soll hier letztlich ein „neuer Seelenort“, wie Angelika Gattmann es beschreibt. Ein Zuhause, an dem sich die Kinder wohlfühlen. „Dieses Haus soll eine Begegnungsstätte, ein Ort zum Austausch, der Hilfe und der Weiterbildung zugleich sein“, beschreibt sie ihren Wunsch.