Kommen künftig die Rolling Stones in den Allensbacher Seegarten? Der Physiker Robert Conradt aus Kaltbrunn meint sarkastisch, die neue Bühne, die nun in ihrer Dimension zu sehen ist, würde es möglich machen. Denn die Bühne sei viel zu groß und zu hoch für den Seegarten.

„Das Verhältnis von Bühnengröße zum Areal passt nicht. Das ist ein Seeufer mit einer filigranen Bebauung“, betont Conradt. Es werde viel Geld ausgegeben und gehe viel schöne Landschaft verloren. „Heimelig ist anders.“ Und der Kaltbrunner berichtet: „Ich bin oft am See und habe bisher noch niemanden gehört, der nicht erschrocken war über das Ausmaß der Bühne.“

Fast sieben anstatt vier Meter

Conradt moniert, dass die Bühne nicht den Vorgaben der Ausschreibung entspreche, nach der vor einigen Jahren vier Architekturbüros Entwürfe anfertigten. Zum einen sei dort eine Höhe von vier Meter vorgegeben gewesen, nun sind es fast sieben Meter.

Er mutmaßt, dass die Gemeinde entweder bei der Plan nicht von Beginn an gewusst habe, was sie da tue; oder aber dass sie eine Politik der vollendeten Tatsachen betreibe. Die Bühne sei jedenfalls definitiv zu hoch, meint Conradt. Die Gemeinde argumentiert hier damit, dass sich die Höhe an der Bühnengröße orientieren müsse aus klanglichen und akustischen Gründen.

Die Sicht auf den See versperrt

Doch auch dem widerspricht der Physiker aus Kaltbrunn. Er mache selbst Musik und kenne als Konzertbesucher auch bekannte Bühnen. Das Argument der Höhe ergäbe nur Sinn, wenn auf der Bühne rein akustische Ensembles wie zum Beispiel Streicher spielen würden. Die meisten Bands, die hier spielen, verwenden aber eine Tonanlage – aus einfachem Grund, so Conradt. Die Bühne stehe im offenen Gelände. Und da gebe es immer eine trockene Akustik, weil es keinen Raum gebe, der reflektiere. „Da kann gar kein guter Konzertklang entstehen“, so der Physiker.

Und Conradt moniert wie andere Bürger den Standort. In der Ausschreibung sei vorgegeben gewesen, die Bühne nahe der Straße und offen zum See hin zu bauen. Drei der vier beteiligten Büros hielten sich daran. Nur der Entwurf des Architekten Helmut Hagmüller, den der Gemeinderat ausgewählt hat, nicht. So versperre sie die Sicht auf den See.

Bürgermeister erhofft sich eine hervorragende Akustik

Bürgermeister Stefan Friedrich sieht das alles völlig anders. Er kennt die Kritik und appelliert stets an die Bürger: „Lasst uns die Bühne bewerten, wenn sie fertig ist.“ Jetzt sei es eine Baustelle, da wirke das Ganze wuchtiger und sei schwierig zu beurteilen. „Die Architektur passt an den Platz“, meint Friedrich. „Ich glaube, dass sich das einfügt. Und ich glaube, dass sich das super einspielt, wenn dort Veranstaltungen sind.“ Und zu den Maßen betont Friedrich: „Die Zahlen sind nicht neu.“ Die Größe sei so gewählt, dass dort alle Arten von Produktionen, Theater und Musik, spielen könnten – also auch größere Ensembles. Zugleich könne durch Schiebewände und Vorhänge der Bühnenraum individuell gestaltet werden. Und wenn keine Konzerte sind, gebe es keine Wände und deshalb freie Sicht.

Zur Höhe erklärt Friedrich, diese habe sich erst ergeben, als klar war, welcher Entwurf gewählt werde. „Ein Höhe vorzugeben, wäre völlig unpraktisch gewesen“, so der Bürgermeister. Die Höhe habe ein Akustikbüro berechnet, und der Gemeinderat habe diese ja sogar noch mal um knapp einen Meter reduziert. „Wir werden eine hervorragende Akustik haben“, ist Friedrich überzeugt.

Direkt betroffene Anwohner wehren sich

Zum Standort erklärt der Bürgermeister: „Wir haben das größtmögliche Augenmaß auf die Anwohner gelegt.“ Deshalb habe man in der Ausschreibung zunächst den anderen Standort vorgegeben. Doch der Architekt Hagmüller habe versichert, dass er auch an diesem Standort alle Erfordernisse erfüllen könne. Und so sei es auch. Ein Schallschutzgutachten besage, dass alle erlaubten Werte eingehalten werden können, betont Friedrich. Und von diesem Standort aus gehe die Musik künftig Richtung Seegarten-Restaurant, wo in der Regel viele Leute sitzen. Und zugleich könnten Besucher, die vor der Bühne sitzen, parallel zur Musik den Sonnenuntergang genießen. „Ich glaube, dass das ein entscheidender Vorteil unserer Bühne ist.“

Doch Friedrichs Argumente überzeugen offenbar zumindest bisher viele Bürger nicht – am wenigsten die direkt betroffenen Anwohner wie Jürgen Messmer sowie Karin und Wighard Strehlow. „Das ist ein Monstrum, das integriert sich nicht in die Landschaft“, meint Wighard Strehlow. Im Modell, das es nach der Ausschreibung zu sehen gab, habe die Bühne kleiner gewirkt. „Das war ganz anders als das, was jetzt dasteht. Mir kommt das überdimensioniert vor. Glücklich ist hier keiner der Anwohner, wie das jetzt aussieht.“

Planung offenbar nur unter technischen Aspekten

Hier sei offenbar nur unter technischen Aspekten geplant worden, meint Strehlow, mit dem Holzhammer, aber ohne Fingerspitzengefühl für die Landschaft. „Wir haben immer gedacht, ein bisschen müsste sich das einfügen in diesen historischen Ortskern.“ Doch nun versperre die Bühne die Sicht auf den See – vor allem auch für einige Anwohner, moniert Strehlow: „Das ist die Sonnenuntergangsecke.“ Auch er findet die Bühne zu hoch.

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Im November 2019 habe der Bürgermeister noch eine Ortsbegehung mit den Anwohnern gemacht. Damals seien aber nur auf dem Rasen die ungefähren Ausmaße abgesteckt gewesen, berichtet Strehlow. Er und seine Frau hätten danach Unterschriften gegen die Bühne in dieser Größe gesammelt und im Rathaus abgegeben, berichtet Strehlow. Geantwortet habe darauf nur eine Sekretärin: „Schönen Dank für diesen Brief.“

Wichtige Daten der neuen Seegartenbühne

Die Maße: Die Größe entspreche dem, was vom Landratsamt genehmigt sei, erklärt Jürgen Böhler vom Ortsbauamt. Mit Vordach sei die Gesamtbreite 24,19 Meter, die Tiefe 10,80 Meter. Die Bühne selbst sei 16,80 Meter breit und 8,50 Meter tief und liege circa 70 Zentimeter über dem Gelände. Die Firsthöhe betrage 6,93 Meter, die Traufhöhe 6,53 Meter.

Die Kosten: Der Gemeinderat ha jüngst im Umlaufverfahren per E-Mail als letztes Gewerk die Neugestaltung der Außenanlagen vergeben. Den Auftrag bekommt als günstigster Bieter eine Firma aus Konstanz zum Preis von rund 92 650 Euro brutto (77 850 netto). Darin enthalten ist auch der Bühnenboden. Laut Ortsbauamt liege das Angebot deutlich unter der Kostenberechnung. Der Bürgermeister erklärt, dass die Gesamtkosten nun bei rund einer Million Euro liegen. Die Gemeinde erhält vom Land einen Zuschuss von 325 000 Euro aus der Tourismusförderung und 50 000 Euro von der Sparkasse Reichenau.

Die Arbeiten: Zuletzt seien die Schiebewände auf der Bühne eingebaut worden, erklärt Böhler. Nach Ostern solle die Verglasung erfolgen. Ab dem 20. April werde das Schienensystem für die Vorhänge installiert und die Elektrikerarbeiten gemacht. Die Fertigstellung der Bühne sei bei normalem Verlauf in der ersten Maihälfte geplant, so Böhler. Für die Außenanlagen wolle die Firma nach Ostern die Baustelle einrichten und am 20. April mit den Arbeiten beginnen. Hierfür sei mit fünf bis sechs Wochen zu rechnen – vorbehaltlich möglicher Verzögerungen, weil es wegen der Corona-Krise Lieferschwierigkeiten von einigen Materialien geben könnte. Die Eröffnung der Bühne war ursprünglich am 22. Mai geplant, was nun nicht möglich ist. „Es gibt im Moment andere Probleme“, betont der Bürgermeister. Aber dann werde die Bühne eben ein oder zwei Monate später eröffnet. „Wir holen das nach.“ (toz)