Die Hoffnungen, dass Villingen-Schwenningen in den nächsten Jahren zur Großstadt wird, lässt sich wissenschaftlich nicht vorhersagen. Die Statistikstelle der Stadtverwaltung hat jetzt hochgerechnet, dass das Oberzentrum die Marke von 100 000 Einwohner knapp verfehlen dürfte. Nach dieser Vorausberechnung wird die Bevölkerung von derzeit knapp 86 000 auf rund 95 000 Einwohner im Jahre 2035 ansteigen, um dann wieder abzuflachen.
Warum diese Zahlenspielerei? Für die Stadtverwaltung und den Gemeinderat ist die Bevölkerungsentwicklung eine entscheidende Größe für fast alle Planungen und viele politische Weichenstellungen: Etwa für die Planung der Kindergartenplätze und der Schulen, für Senioreneinrichtungen, besonders für den Wohnungsbau und vieles mehr. Dies betonten bei der Präsentation der neuen Zahlen, die alle fünf Jahre fortgeschrieben werden, Bürgermeister Bührer und die Leiterin des Stadtplanungsamtes, Angelique Ahn.
Die Besonderheit der städtischen Daten, erläuterte Heike Heuser, die Leiterin der Statistikstelle, liegt in der „Kleinteiligkeit“ des statistischen Materials, das sämtliche Stadtbezirke und Wohnquartiere in VS umfasst. Stolz zeigte sich Heuser, die das Zahlenwerk mit ihren Kolleginnen Manuela Bumiller und Isabelle Metzger erarbeitet hat, dass die Vorausberechnungen in der Regel eine realistische Planungsgrundlage darstellten. So lag ihre letzte Bevölkerungsberechnung von 2014 bis 2019 nur 1,7 Prozent neben der tatsächlich eingetretenen Entwicklung.
Aus der Statistik der vergangenen Jahre lassen sich viele interessante Fakten zur Bevölkerungsentwicklung herauslesen. In den vergangenen fünf Jahren ist die Doppelstadt um 3732 Einwohner gewachsen. Allerdings gab es kein natürliches Wachstum. Die Geburtenrate in VS liegt zwar mit 1,8 Kindern je Frau über dem Durchschnitt Deutschlands und Europas. Dies ist keineswegs nur auf kinderreiche Ausländerfamilien zurückzuführen. Auch die deutschen Frauen bekommen wieder deutlich mehr Kinder. Doch die Sterblichkeitsrate war noch höher als die Geburtenrate, weil in der Stadt viele ältere Menschen über 70 Jahre leben. Aus Sicht des natürlichen Saldos von Geburten und Sterbefällen würde VS also schrumpfen.
Zuwanderung aus Osteuropa
Der Zuwachs der Einwohnerschaft ist vor allem durch Zuwanderung aus dem Ausland entstanden. Die Flüchtlings-Situation von 2015 spielt dabei interessanter Weise kaum eine Rolle. Über 90 Prozent der 2015 in der Stadt aufgenommenen Flüchtlinge sind 2016 wieder weggezogen, vermutlich hauptsächlich in Ballungszentren. Den Bevölkerungszuwachs verursacht haben nach Feststellung der städtischen Statistikerinnen vor allem EU-Arbeitsmitgranten aus Osteuropa, etwa aus Rumänien, Bulgarien, Kroatien und Polen. Von 2016 bis 2019 sind insgesamt 4233 aus osteuropäischen Staaten hierher gezogen. Der Ausländeranteil stieg damit um 40 Prozent auf rund 16 000 Einwohner an.
„Durch die Zuwanderung aus dem Ausland ist zu erwarten, dass im Jahr 2035 rund 50 Prozent der neugeborenen Kinder mindestens ein Elternteil haben, das nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besetzt“, stellen die Statistiker fest. Diese Entwicklung müsse besonders bei den Sozialplanungen der Stadt, etwa für die Integrationsforderung, berücksichtigt werden.
Junge Familien halten
Im Gegensatz dazu sind in den Jahren 2016 bis 2019 junge deutsche Familien aus VS weggezogen. Erfasst wurde der Abgang von 184 Kindern bis zehn Jahren. Diese Familien verließen die Stadt überwiegend in die umliegenden Städte und Gemeinden. Bürgermeister Bührer erklärt dies damit, dass in den vergangenen Jahren in VS zuwenig Bauplätze für Eigenheime oder günstiger Wohnraum vorhanden gewesen sei. Ziel der Stadt müsse es sein, diese Familien künftig zu halten: Zum einen, um Gutverdiener in der Stadt zu halten, zum anderen, um Pendelverkehr zu minimieren. Durch die Schaffung vieler neuer Baugebiete mit bis zu 5200 möglichen neuen Wohneinheiten sieht er die Stadt bis 2035 dafür aber gut aufgestellt.
Es fehlt an Mietwohnungen
Was die Wohnsituation angeht, gibt es ebenfalls klare Erkenntnisse aus dem statistischen Material. „Derzeit haben wir einen großen Bedarf an sozial gefördertem Wohnraum“, berichtet Heike Heuser. Aber auch Wohnungen, deren Mietkosten knapp darüber liegen und in die Kategorie „preiswertes Wohnen“ fallen, seien knapp. Auch hier gebe es großen Bedarf. Besonders gefragt seien günstige Ein- und Zwei-Zimmer-Wohnungen. „Es fehlt generell an Mietwohnungen in der Stadt“, ergänzte Planungsamtsleiterin Angelique Ahn.
Überalterung setzt sich fort
Die Alterung der Bevölkerung wird sich bis 2035 fortsetzen. „25 Prozent der Bevölkerung wird dann 65 Jahre alt und älter sein“, prognostiziert Heike Heuser. Das Verhältnis der jungen Leute bis 18 Jahre zur Erwerbsbevölkerung (18 bis 65 Jahre) wird sich weiter zu Ungunsten der Jungen entwickeln.
Villingen zieht davon
Das berechnete Bevölkerungswachstum bis 2035 wird sich vor allem im Stadtbezirk Villingen abspielen. Hier soll die Einwohnerzahl von 39 000 auf 46 000 wachsen. Schwenningen wächst von 35 000 auf 36 500 Einwohner. Grund des ungewöhnlichen Wachstums in Villingen sind die großen Neubaugebiete auf dem ehemaligen Kasernen- und Klinikgelände sowie das geplante Gebiet Lämmlisgrund.