Die Krisen-Wellen lassen nicht nach. Erst Corona, dann der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, gefolgt von der Gaskrise und jetzt auch noch ausgetrocknete Flüsse überall in Deutschland. Immer wieder taucht die Frage auf: Ist der gewohnte Lebensstandard haltbar – oder noch finanzierbar – zum Beispiel bei den öffentlichen Bädern wie in Villingen-Schwenningen.

Die Einrichtungen geraten in den Fokus, seit die Politik erwägt, dass Energie rationiert werden muss, um überall mit einer warmen Stube über den Winter zu kommen.

Stillgelegt: Das Villinger Hallenbad wartet ab Mitte September wieder auf Kundschaft.
Stillgelegt: Das Villinger Hallenbad wartet ab Mitte September wieder auf Kundschaft. | Bild: Trippl, Norbert

In Villingen-Schwenningen sind die kommunalen Schwimmbäder immer schon defizitär. Exakt 2.371.074,48 Euro umfasst das Minus, das die Bäder im Wirtschaftsjahr 2021 hinterlassen. Wer bezahlt diesen Verlust von 2,4 Millionen Euro eigentlich?

Es ist nicht direkt der Steuerzahler, der hier zur Kasse gebeten wird. Muttergesellschaft der Bäder Villingen-Schwenningen GmbH sind die Stadtwerke des Oberzentrums. Ein so genannter Ergebnis-Abführungsvertrag datiert auf das Jahr 1992. Das heißt: Die Stadtwerke gleichen die roten Zahlen der Bäder aus.

Einer der großen Posten im Bilanzgefüge der Bäder sind die Personalkosten. Hier ist die VS-GmbH auf Sparkurs. Wurden die Bäder 2020 rechnerisch noch von 49,25 Mitarbeitern betrieben, waren es 2021 noch 45 Mitarbeiter, darunter auch elf Aushilfen, wie es im Jahresabschlussbericht heißt.

Die Bäder GmbH ist eine 100-prozentige Tochter der VS-Stadtwerke.
Die Bäder GmbH ist eine 100-prozentige Tochter der VS-Stadtwerke. | Bild: Trippl, Norbert

„Man muss fairerweise erwähnen, dass das Jahr 2021 auch von der Corona-Pandemie geprägt war und ein regulärer Bäderbetrieb überhaupt nicht möglich war“, betont Oliver Bauer, Sprecher der Stadtwerke. So sei „das Neckarbad komplett bis zur Kalenderwoche 39 geschlossen“ gewesen, führt er aus. Er ergänzt: „Dazu gab es im Kneippbad und auch in den Hallenbädern in VS den Pandemiebetrieb, der sich ebenfalls auf die Besucherzahlen ausgewirkt hat.“

Allerdings: Welche Verhältnisse das nächste halbe Jahr bringen wird, ist unklar – auch wegen Corona, auch wegen Energiekosten und nicht zuletzt wegen der städtischen Finanzen. Deshalb gibt es auch diese Rechnung:

Eine Einzelkarte für das Villinger Hallenbad und das Schwenninger Neckarbad kostet jeweils 5 Euro. Für Kinder 3,30 Euro. Weil das für eine vierköpfige Familie einen stattlichen Eintrittspreis von 16.60 Euro ergibt, mindert ein Familientarif den Gesamtaufwand noch ab. Kinder bis zur Größe von 1,20 Meter zahlen gar nichts. Die Folge des guten Willens: Die wahren Kosten des Betriebs werden nicht ansatzweise ausgeglichen.

Neckarbad: 57,16 Euro Kosten pro Besucher

Oliver Bauer bestätigt das und legt folgende Rechnung auf Anfrage des SÜDKURIER vor. Zum Ausgleich der VS-Bäderbilanz müssten ganz andere Tarife aufgerufen werden. Werden die Kosten je Bad mit der 2021 verbuchten Besucherzahl dividiert, so wäre laut dem Stadtwerkesprecher diese Tarifierung erforderlich: „Hallenbad Villingen: 34,56 Euro. Neckarbad Schwenningen: 57,16 Euro und beim Kneippbad: 29,28 Euro.“

Die Kommunalpolitik hat das Thema bislang umschifft, ob im kommenden Winter angesichts drastisch höherer Energiepreise die Bäder noch geöffnet bleiben können. Nur: Welche Folgen hat das Bemühen um die Aufrechterhaltung des Angebots eigentlich?

Immer wieder fragen sich Bürger ob leerer Parkplätze am Kneippbad, so wie hier am Montag am späten Vormittag um 11 Uhr. Der Betreiber ...
Immer wieder fragen sich Bürger ob leerer Parkplätze am Kneippbad, so wie hier am Montag am späten Vormittag um 11 Uhr. Der Betreiber spricht aber von guten Zahlen. | Bild: Trippl, Norbert

Bei den Stadtwerken sieht die Lage auf den ersten Blick komfortabel aus. 4,2 Millionen Euro wird als Jahresüberschuss ausgewiesen. Dieses Geld fließt nicht komplett in die Stadtkasse. Dorthin übertragen werden lediglich 2,4 Millionen Euro. An den neben der Stadt Villingen-Schwenningen zweiten Gesellschafter, die Thüga AG, mussten 1,8 Millionen Euro abgeführt werden.

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Wer Strom-, Wasser- oder Gasrechnungen bei den Stadtwerken bezahlt, gleicht damit auch immer die Betriebskosten der VS-Bäder mit aus. Gegen diese Querfinanzierung zogen in Villingen-Schwenningen sogenannte Gas-Rebellen zu Felde. Stadtverwaltung, Stadtwerke und Gemeinderat blieben jedoch auf Kurs.

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Noch im Januar 2022 wurde in einem Schreiben an den neuen Stadtwerke-Chef Gülpen die alte Kritik wieder ausgepackt: Dividiere man das Bäderminus durch die Zahl der Gaskunden der Stadtwerke, ergebe sich ein Betrag von über 180 Euro im Jahr, der rechnerisch zum Ausgleich der Bäder-Defizite aufgewendet werden müsste.

20. Juli 2022: Villinger Kneippbad: Was wird die Zukunft für die Einrichtungen bringen?
20. Juli 2022: Villinger Kneippbad: Was wird die Zukunft für die Einrichtungen bringen? | Bild: Hans-Juergen Goetz

Dieser Betrag wird nun durch den Bäderbetrieb bei steigenden Energiekosten anwachsen. Und die Stadtverwaltung sieht sich wie alle Kommunen durch den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck aufgerufen, den Energieaufwand zu senken. Bislang ist Villingen-Schwenningen nachts weiter üppig beleuchtet. Die Verwaltung hat eine 15-Punkte-Liste vorgelegt.

Darin heißt es außer dem Ziel, Heizungsanlagen gezielter zu warten, unter anderem: Von der Bädergesellschaft wird in der kalten Jahreszeit eine Streichung der Warmbadetage erwartet. Die Beheizung des Kneippbades soll ohne Gaseinsatz erfolgen. Im Schwenninger Neckarbad wird die Wassertemperatur gesenkt. Das Villinger Hallenbad ist bereits bis Ende der Sommerferien geschlossen.

Beim Kneippbad ist das schon seit Längerem umgesetzt. „Wir heizen mit Solarthermie und ohne Gas“, so Oliver Bauer.

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