Diebstahl, Gewalt und „immer mehr Kinder- und Jugendpornografie“. Waldemar Folwaczny weiß, wovon er spricht. Er leitet das neue Haus des Jugendrechts an der Villinger Bahnhofstraße 10.

Die Einrichtung arbeitet für die Stabilität der Gesellschaft und für jene, die sich im jungen Alter einen Fehltritt geleistet haben. Das Ziel vor allem: Eine neue Chance aufzeigen, schnell und gerecht mit Auflagen auf die Vergehen antworten.

Leitet das Villinger Haus des Jugendrechts: Kriminalhauptkommissar Waldemar Folwaczny. Insgesamt arbeiten hier sechs Polizisten als ...
Leitet das Villinger Haus des Jugendrechts: Kriminalhauptkommissar Waldemar Folwaczny. Insgesamt arbeiten hier sechs Polizisten als Sachbearbeiter. | Bild: Trippl, Norbert

Festnehmen, vernehmen und ab vor den Richter – das funktioniert in Deutschland nicht. Junge Menschen, die straffällig geworden sind, werden im Haus des Jugendrechts vernommen.

Das Gesetz stellt junge Menschen unter einen besonderen Schutz. Zwei Stufen gibt es dabei vor allem: Wer unter 14 Jahre alt ist, wird als nicht schuldfähig eingestuft und und kann strafrechtlich nicht verurteilt werden. Das ist in Paragraph 19 des Strafgesetzbuchs festgelegt.

Schnelle Konsequenzen zu einer Tat sind wichtig

Ab 14 Jahren gelten Jugendliche als bedingt strafmündig und können für gesetzwidrige Handlungen bestraft werden. Entscheidend für die Behandlung eines Falles ist auch die Reife des Jugendlichen. Die entscheidende Frage: Konnte die Person das Unrecht der Tat einsehen und hätte aufgrund dieser Erkenntnis anders gehandelt werden können. Es gilt das Jugendstrafrecht.

Das Vernehmungszimmer im Haus des Jugendrechts in Villingen. Auf dem Stuhl im Vordergrund sitzt der Jugendliche, auf dem Stuhl hinter ...
Das Vernehmungszimmer im Haus des Jugendrechts in Villingen. Auf dem Stuhl im Vordergrund sitzt der Jugendliche, auf dem Stuhl hinter dem Schreibtisch im Regelfall der Polizeibeamte. | Bild: Trippl, Norbert

Die neue Villinger Einrichtung soll Behörden-Power bündeln und Abläufe straffen. Die Ziele im Einzelnen:

  • Reduzierung der Jugendkriminalität,
  • Die Beschleunigung der staatlichen Reaktion auf ein Vergehen ist wichtig. Wird eine strafähnliche Auflage zeitlich von der Tat durch jahrelanges Hin und Her entkoppelt, begreifen Straftäter und Jugendliche ganz besonders die Folge nicht mehr als Konsequenz des eigenen Vergehens,
  • Optimierte behördenübergreifende Zusammenarbeit auf örtlicher Ebene soll sich beim Kinderschutz positiv bemerkbar machen,
  • Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Einrichtungen wie etwa einem kommunalen Jugendamt soll die Beurteilung einer Tat verbessern und die Zielgenauigkeit von erzieherischen Hilfen erhöhen.

So wird gearbeitet

Ein Fall wird im Haus des Jugendrechts so bearbeitet: Wer sich gesetzeswidrig verhält und erwischt wird, dessen Tat wird von der Polizei erstprotokolliert. Die Akte kommt auf den Tisch des Staatsanwalts.

Die Strafverfolgungsbehörde lässt die Polizei gegebenenfalls nachermitteln, was bereits zum Tathergang bekannt ist. Im nächsten Schritt erfolgt die Einladung ins Haus des Jugendrechts. Hier sollen alle relevanten Institutionen und auch das Umfeld eines Täters am Tisch sitzen und mit dem jungen Täter sprechen.

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Beteiligte Institutionen sind etwa Staatsanwaltschaft, Polizei, Justiz, Behörden wie das Jugendamt Villingen-Schwenningen oder das Jugendamt des Landkreises Schwarzwald-Baar. Zum Umfeld des jungen Straffälligen gehören hauptsächlich die Eltern und Schule.

Mit welcher Form von Kriminalität werden Jugendliche in der Region überhaupt aktenkundig? Waldemar Folwaczny kennt die vielschichtige Polizeiarbeit. Früher wirkte er jahrelang sowohl bei der Kriminalpolizei als auch für das Schwenninger Revier.

Vom Raub bis zu Schlägereien ist vieles dabei

Neben Diebstahl und Schlägereien machen ihm vor allem „die Zunahme von Fällen mit Kinder- und Jugendpornografie“ Sorgen. „Das ist leider so,“ betont er. Werden Mädchen deutlich weniger als Jungs straffällig? Folwaczny schüttelt mit dem Kopf. „Leider nein“, sagt er.

Schwerere Fälle gebe es auch, führt er weiter in einem Gespräch mit dem SÜDKURIER aus. Generell sieht er „im Jahr 2022 auffällig viele Fallzahlen“. Er erklärt sich das so: „Auch die jungen Leute wollen die neue Freiheit nach den Corona-Jahren genießen“, fasst er seine Erfahrungen zusammen. Die Zahl der Tatverdächtigen unter 21 Jahren liegt im Schwarzwald-Baar-Kreis im Fünf-Jahres-Schnitt bei 861 Personen.

Viele Irrwege führten letztlich dabei zu Polizei und Staatsanwalt. Auch schwerere Fälle wie etwa Raub gebe es immer wieder. Als Beispiel nennt er Bedrohungen und „das Abnehmen von Handy oder Geld bei anderen jungen Leuten“.

Waldemar Folwaczny leitet als Koordinator das Villinger Haus des Jugendrechts. Digitalisiertes Arbeiten ist hier geboten, die ständig ...
Waldemar Folwaczny leitet als Koordinator das Villinger Haus des Jugendrechts. Digitalisiertes Arbeiten ist hier geboten, die ständig angepasste Rechtsprechung beispielsweise erfordert Nachschlage-Möglichkeiten auf dem aktuellen Stand. | Bild: Trippl, Norbert

Wer im Haus des Jugendrechts nach einem Gesetzbuch schaut, der sieht: Nichts. Waldemar Folwaczny schmunzelt und erklärt: „Wir haben das alles digital. Da ändert sich laufend so viel, etwa durch Grundsatzurteile“, dass „wir so einfach besser auf dem Laufenden sind“, sagt er.

Was er nicht sagt: Die Digitalisierung von Behörden ist ein großes Ziel im Land, hier scheint die Herausforderung die Ausstattung und den Arbeitsalltag längst geprägt zu haben.

Kleine Pointe: Das Haus an der Bahnhofstraße 10 ist die alte Wache der Villinger Polizei, die nun zusätzlich wiederbelebt wird. Schon ...
Kleine Pointe: Das Haus an der Bahnhofstraße 10 ist die alte Wache der Villinger Polizei, die nun zusätzlich wiederbelebt wird. Schon vor Jahrzehnten sind hier die Bürger in schweren Minuten Tag und Nacht ein und aus gegangen. | Bild: Trippl, Norbert

„30 bis 40 Fälle im Monat bearbeiten wir hier“, sagt Waldemar Folwaczny. „Wir haben hier auch Kinder, die etwas Illegales getan haben“, sagt der Polizist weiter. Das Alter der jungen Menschen bewege sich von zehn bis 21 Jahren, die hier zum ernsten Gespräch einbestellt würden.