René Pfisters Bergschuhe sind mit Steigeisen versehen. Die braucht der junge Bauarbeiter auch acht Meter über der Landesstraße, die durch das Bregtal führt. Pfister steht mit beiden Füßen in einem Stahlnetz. Mit seinen Fingern biegt er einen Metallclip, mit dem er überlappende Flächen des Stahlnetzes fest verbindet.

Spezialtiefbauer aus Tirol

Pfister gehört zu einer vierköpfigen Kolonne, die in diesen Wochen Felssicherungsarbeiten vornimmt. Kapo Thomas Hönig, Andreas Rottensteiner, René Pfister und Janos Florian nennen sich Spezialtiefbauer, was mit Tiefe aber eher wenig zu tun hat. „Man muss hoch oben tiefe Löcher bohren“, lacht Hönig. Er fährt montags und freitags seine Mannschaft zwischen Schwoich bei Kufstein und dem jeweiligen Arbeitsort. In Schwoich sitzt die HTP Baugesellschaft, eine Tochterfirma des drittgrößten österreichischen Baukonzern Swietelsky.

Janos Florian ist Netzwerker Video: Wursthorn, Jens

Die Aufgabe im Bregtal ist eher ein „Kindergeburtstag“, wenn man sie mit anderen Vorhaben vergleicht. Im Alpenraum, vorzugsweise in Tirol, wenn etwa eine neue Skipiste entsteht, werden weitaus größere Höhen überspannt. Das geht oft nur angeseilt. Eine spezielle Ausbildung sei zwar nicht vonnöten; wer in der Freizeit gerne klettert, tut sich aber leichter beim Standardprogramm Felsbefestigung, meint der Kapo.

Die Erosion hat ihren Job getan

Im Bregtal hat das Quartett mit eher hartem Sandstein zu tun. „Er ist schon stark zerklüftet, die Winter haben ihm zugesetzt, die Erosion hat ihren Job getan. Und deshalb sind wir hier“, so Hönig weiter. Die Felssicherung erfolgt nach einem festen Ablauf: nachdem der Auftraggeber festgelegt hat, welche Lösung an welcher Stelle umgesetzt wird.

Angeseilt am Steilhang: Janos Florian im Stahlnetz im Bregtal.
Angeseilt am Steilhang: Janos Florian im Stahlnetz im Bregtal. | Bild: Wursthorn, Jens

Am Anfang steht aber immer der Grünschnitt. „Die Felsen müssen blank sein. Die mähen wir komplett ab“, erläutert Janos Florian. Wenn das steil gelegene Arbeitsfeld komplett sichtbar ist, werden die Bohrstellen markiert. Die Rasterung gibt ein Geologe vor. In die Felsen gebohrt werden Felsnägel aus Stahl. Sie sind drei Meter lang und haben einen Durchmesser von mehreren Zentimetern. Damit sie „für die Ewigkeit halten“, wird das Bohrloch mit Induktionsmörtel verfüllt. „Beton geht da nicht“, sagt Florian. Der ließe sich nicht in den schmalen Zwischenraum spritzen.

Die Netze werden überwachsen

Im ersten großen Sanierungsabschnitt sind die Felsnägel gesetzt, In jeweils drei Meter Abstand blinken sie in der Morgensonne. Anderthalb Meter höher verläuft, die Nägel um anderthalb Meter versetzt, die nächste Reihe. Sechs Reihen übereinander geben dem nackten Felsen eine unbewohnt funkelnde Pracht. Sicher nicht zu lange, beruhigt Hönig. „Es dauert nur ein paar Jahre, da sind die Netze überwachsen.“ Auch die Nagelköpfe werden matt.

Andreas Rottenstein steuert den Kran.
Andreas Rottenstein steuert den Kran. | Bild: Wursthorn, Jens

An diesem Morgen wird ein Stahlnetz vom sogenannten „Galgen“ abgerollt. Der „Galgen“ hängt an einem Kran, den Andreas Rottenstein via Fernsteuerung bedient. Hönig und Pfister, beide angeseilt, stehen in der Steilwand und zerren von beiden Seiten am Netz, damit es sich nach unten öffnet.

Das Netz wird abgerollt Video: Wursthorn, Jens

Wenig später ist die zweite Bahn an der Reihe. Pfister und Florian verbinden sie mit den Clips. Die Überlappung muss ein Rastermuster ergeben. „Vorschrift vom Hersteller“, sagt Florian.

Eine schwere Arbeit: Andreas Rottenstein zieht das Randseil aus einer Spule.
Eine schwere Arbeit: Andreas Rottenstein zieht das Randseil aus einer Spule. | Bild: Wursthorn, Jens

Während das Netz auch an den Nägeln verfestigt wird, zieht Rottenstein ein Stahlseil von einer meterhohen Holzspule. Eine Kraft fordernde Arbeit, bis etwa 30 Meter Stahlseil abgewickelt auf dem Boden liegen. Dieses Randseil wird an den seitlichen Rändern in das Netz gezogen, damit die es sich nicht abhebt vom Felsen. Damit das Seil keinen Spielraum mehr hat, wird es mit Pressklauen fixiert. Die sind stärker als die Clips und können nur mit einer Zange gebogen werden.

Der Steiger im Einsatz.
Der Steiger im Einsatz. | Bild: Wursthorn, Jens

Zwei Drittel der Arbeit im Bregtal ist seit Mitte dieser Woche getan, der Rest folgt etwa dreienhalb Kilometer talaufwärts ganz knapp auf Vöhrenbacher Gemarkung. Bevor es dort weitergeht, wird die aktuelle Baustelle „geplündert“, wie es Janos Florian ausdrückt. Material, Baufahrzeuge – wie etwa die Steiger genannte Hebebühne – ziehen um. „

Die Baustelle an der Landesstraße von oben Video: Wursthorn, Jens

Von uns aus sind wir noch zwei bis drei Wochen beschäftigt“, schätzt Florian. Allerdings bestimme der Auftraggeber die Qualität der Sicherungsmaßnahme. Mitunter reicht es, Felsen zu stabilisiert, indem sie unterfüttert werden. In anderen Fällen werden sie durch Stahlnägel ohne Netz fixiert.

Ein Blick aus dem Steiger: Aus zehn Meter Höhe sieht man weit in Richtung Wolterdingen.
Ein Blick aus dem Steiger: Aus zehn Meter Höhe sieht man weit in Richtung Wolterdingen. | Bild: Wursthorn, Jens

Oder es wird eine einfache Übersteigung angewendet. Das ist ein rustikales Verfahren. Lose Felsen werden mittels Brechstange oder Bagger nach unten geworfen. Nächste Woche wird ein Spinnenbagger aus Tirol ins Bregtal transportiert. Das hochgebirgsfähige Monstrum dürfte eine spektakuläre Arbeit verrichten, wirbt Florian. Möglicherweise werden sie Autofahrer zu sehen bekommen. Denn die Baustellenampel, die während der Felssicherung eine einspurige Verkehrsführung verursacht, zieht talaufwärts mit. Sie gehört zur Ausrüstung der Spezialtiefbauer.