Dort, wo er arbeitet, würden wohl die meisten Menschen zittrige Knie und Schwindel bekommen und wären zu keiner Bewegung mehr fähig. Denn Alexander Berger aus Bad Dürrheim putzt seit 21 Jahren die Fenster des Stuttgarter Fernsehturms. In 150 Metern Höhe. In einer Gondel. Außen. „Eine Routine bekommt man nie“, sagt der 60-Jährige.
Beschwerliche Arbeiten in luftigen Höhen
Auf den Einsatz, den er nun zu absolvieren hatte, wartete Berger seit drei Jahren sehnsüchtig. Denn das Wahrzeichen der Landeshauptstadt war aufgrund von Sicherheitsbedenken geschlossen, drei Jahre lang durfte keiner den Turm betreten – „meinen Turm“, wie Alex Berger ihn nennt. Dieses Mal hatten es er und sein Kollege Lutz Geier nicht ganz so leicht. Denn als die Außenreinigung des Fernsehturms auf der Agenda stand, hatte es Temperaturen um minus fünf Grad. Damit das Putzwasser nicht einfriert gaben die Reinigungsexperten ausnahmsweise Spiritus hinzu. Trotzdem froren immer wieder dünne Eisschichten am Glas fest. Der rauen Witterung ausgesetzt war Alexander Berger aber auch, als er auf der obersten Aussichtsplattform ein Grafitti entfernen musste. Der Wind wehte so stark, dass sich die Arbeiter kaum auf den Füßen halten konnten. Eine Situation wie diese ist die einzige, die ihn vom Fensterputzen abhalten könnte. „Regen oder Schnee machen nichts.“ Der Sturm aber schon. Und da kann Alexander Berger von einer Erfahrung berichten, die ihm heute noch das Schaudern zurückbringt. „Es war im Jahr 2000, auch am Fernsehturm, als die Gondel von einer Windböe gepackt wurde und sich sechsmal gedreht hat.“ Erst dann konnte Alex Berger sich mit seinen „langen Armen“, wie er sagt, am Geländer festhalten.

Ansonsten habe er keine Angst. „Ich mache mir im Vorfeld aber auch keine Gedanken, ob etwas schiefgehen könnte. Aber vorab träume ich von dem Einsatz.“ Er beschreibt das Gefühl vor diesem Spezialauftrag eher mit Vorfreude, mit Freiheit. „Nur Fliegen ist schöner.“ Wenn Alexander Berger und sein Kollege dann auf der Plattform in die Gondel einsteigen und über die Brüstung gehoben werden, sei es ihm schon mulmig zumute, gibt er zu. „Aber wenn man draußen ist, ist man draußen.“ Außerdem seien die Fensterputzer gesichert.
Die Aussicht belohnt alle Mühen
Wenn er an „seinen“ Turm darf, startet der 60-Jährige besonders früh, um trotz möglicher Staus rechtzeitig da zu sein. „Wenn man Glück hat, wird man dann mit einem wunderschönen Sonnenaufgang belohnt.“ Alexander Bergers Lebensgefährtin Sigrid Schwamberger berichtet mit Lächeln: „Schon an dem Tag, bevor Alex nach Stuttgart fuhr, waren die Sachen gerichtet.“
Der gebürtige Karlsruher erzählt: „Dieses Mal haben wir für zwei Etagen fünf Stunden gebraucht. Sonst werden wir mit den vier Etagen in dieser Zeit fertig.“ Aber da die Turmfenster drei Jahre lang nicht gereinigt wurden, setzten sich Unmengen Staub und Dreck darauf fest. „Wir haben nicht alles wegbekommen. Aber wir optimieren unsere Technik von Mal zu Mal.“ Das wird im Sommer, wenn der Tatortreiniger das nächste Mal in den luftigen Höhen unterwegs ist, nachgeholt. Gibt es noch ein Bauwerk, dessen Fenster er auch gerne einmal putzen würde? „Ja“, sagt Alexander Berger schmunzelnd und ohne zu überlegen. „Den Thyssen-Krupp-Test-Turm in Rottweil.“