An der Bushaltestelle an der Stockacher Grundschule herrscht morgens Stille. Hier startet der Selbstversuch, mit dem Bus Ziele im Raum Stockach zu erreichen. Irgendwann trudeln drei Frauen an der Haltestelle ein und verteilen sich auf zwei Busse, die nacheinander kommen. Eine der Frauen steigt in die Linie 104 nach Heudorf.
Ihr Name ist Andrea Brecht. Sie wohnt in Eigeltingen-Münchhof und pendelt normalerweise nach Überlingen zum Arbeiten – einen Teil der Strecke mit dem Auto und von einem Parkplatz mit dem Bus in die Stadt weiter. Heute hat sie jedoch ihren freien Tag und ist auf dem Weg nach Hause.
Bis vor Kurzem besaß sie ein Monatsticket für Überlingen, das 44 Euro im Monat gekostet hat. Nun hat sie sich das 49-Euro-Ticket gekauft, weil es sich ihrer Meinung nach lohnt. Wegen diesem Ticket fahre sie heute hier Bus.

„Zur Arbeit fahren kann ich mit dem Bus nicht“
Dennoch sei die Fortbewegung mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf dem Land sehr schwierig. „Zur Arbeit fahren kann ich mit dem Bus nicht“, sagt sie, denn dann würde sie zu spät kommen. Trotzdem könne das 49-Euro-Ticket auf dem Land sinnvoll sein, meint Andrea Brecht. Es komme immer sehr auf die Strecke an. Was man den Landbussen auf jeden Fall lassen müsste: Sie seien stets pünktlich.
Dass das Deutschlandticket sinnvoll ist, findet auch Ralf Bendel, der Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Hegau-Bodensee: „Das Deutschlandticket ist ein großartiges Angebot an Fahrgäste. Sehr günstig, in ganz Deutschland gültig und einheitlich geregelt, sollte es den Fahrgästen einfach machen auf den ÖPNV umzusteigen. Detaillierte Kenntnisse zu Preisen, Zonen oder Tarifen braucht es nicht mehr.“
Über sieben Millionen Abonnenten in Deutschland
Außerdem kämen die Bestandskunden in den Genuss, weniger für das Abo bezahlen zu müssen. Direkt über den VHB hätten bereits 3500 Menschen das Ticket gekauft, so Bendel. Bundesweit liege die Zahl der Abonnenten bereits bei über sieben Millionen Nutzer, so die Internetseite der Bundesregierung. Etwa zwei Millionen Nutzer davon hätten davor noch kein Monatsabo für den öffentlichen Nahverkehr gehabt.
An der Haltestelle in Münchhof steigt Andrea Brecht aus. Dann ist der Bus leer. Am Fenster zieht eine sonnige Landschaft mit grünen Wiesen und einem knallig gelben Rapsfeld vorbei. In Heudorf angekommen, wendet der Bus und fährt dieselbe Strecke zurück nach Stockach. Fahrgäste gibt es immer noch nicht. Erst in Hindelwangen steigt der nächste Fahrgast zu.
Am Busbahnhof in Stockach stehen mehrere Busse, deren Fahrer gerade eine Pause machen, und später in verschiedene Richtungen fahren – zum Beispiel die Stockacher Ortsteile. Der Busfahrer der Linie 100 sagt, mit diesem Bus komme man nicht in den Ortsteil Hoppetenzell, da die Linie über die Besetze und Zoznegg fahre. Da müsste man in Mühlingen-Mühlweiler aussteigen und hätte dann nach Hoppetenzell noch eine halbe Stunde Laufweg.

Große Leere an Haltestellen und in Bussen
Besser sei es mit einer anderen Linie, für die an der Haltestelle jedoch kein Fahrplan zu finden ist. Nach zehn Minuten kommt ein anderer Bus, der zunächst einmal quer durch Stockach fährt. Ob man wohl am Schulzentrum Nellenburg mehr Glück hat, einen Bus zu erwischen, der aus Stockach hinausfährt?
Um die Mittagszeit kommen zahlreiche Kinder und Jugendliche aus dem Schulgebäude zur Bushaltestelle. Kaum sind sie da, rollen auch schon zwei gelbe Busse in die Haltestelle ein. Sie füllen sich mit Schulkindern, die dem Busfahrer beim Einsteigen brav ihre Monatskarten zeigen.
Fahrpläne nicht aufeinander abgestimmt
Ganz vorne in dem Bus nach Mühlingen-Hecheln sitzt eine einzige erwachsene Person und unterhält sich mit dem Busfahrer über die Fahrpläne. Genauso wie Andrea Brecht arbeitet die Frau in Überlingen. Sie fährt oft Bus und braucht kein 49-Euro-Ticket, da sie aufgrund einer Behinderung kostenlos Bus fahren kann.
Sie ärgert sich sehr darüber, dass die Buspläne an der Haltestelle Bahnhof in Stockach nicht ausreichend auf die Ankunftszeiten der Züge abgestimmt seien. Im Allgemeinen findet sie den Fahrplan im Vergleich zu früher jedoch super, obwohl die meisten Linien nur stündlich oder höchstens halbstündlich fahren.
Nachdem die Schulkinder in den Dörfern nach und nach ausgestiegen sind und auch die Dame den Bus verlassen hat, erzählt der Busfahrer Karl-Heinz Mauch, dass fast alle Passagiere mittlerweile ein 49-Euro-Ticket hätten.

49-Euro-Ticket häufig günstiger als reguläres Monatsticket
In der Regel lohne sich das Ticket, da es schließlich deutschlandweit gilt und häufig weniger oder nur geringfügig mehr als ein reguläres Monatsticket koste. Karl-Heinz Mauch ist seit 20 Jahren mit Herzblut Busfahrer, wie er sagt, klagt aber dennoch über den immer größer werdenden Personalmangel in seinem Beruf: „Wir Busfahrer sind eine aussterbende Spezies.“
Das Deutschlandticket findet er für Vielfahrer nicht schlecht, aber die Beantragung des Tickets sei „typisch deutsch – total bürokratisch.“ Der Ticketkauf sei nur über das Internet möglich und man brauche dafür sogar eine Schufa-Prüfung, um zu beweisen, dass man monatlich zahlungsfähig ist. Besonders für ältere Menschen sei das Internet jedoch häufig ein Hindernis.
Deutschlandticket ohne Internet? – Fehlanzeige
„Überbürokratie“ nennt Mauch das und schüttelt verständnislos den Kopf. VHB-Geschäftsführer Ralf Bendl benennt dieses Problem ebenfalls, hebt aber auch die Vorteile der digitalen Variante hervor: „Die rein digitale Ausgabe ist modern und herausfordernd zugleich.“
Auch der Bus nach Hecheln befindet sich auf einem Rundkurs und bewegt sich nun wieder in Richtung Stockach. Zeitweise befinden sich etwa sechs Fahrgäste darin, aber dennoch sind auch auf dieser Fahrt die meisten Plätze leer.