Der Stockacher Ortsteil Wahlwies hat einen neuen Hausarzt. Thorsten Gottschalk arbeitet seit Oktober in der Praxis (siehe Test unten), die zuletzt Andreas Hagemann betrieben hatte. Hagemann war im April an der Krankheit Covid-19 gestorben, die durch das Coronavirus ausgelöst wird. Der Todesfall hat große Bestürzung in der Region ausgelöst. Ein knappes halbes Jahr später ist nun der Fortbestand der Praxis durch den 45-jährigen Gottschalk gesichert. Darüber sei sie überglücklich, sagt Hagemanns Witwe Luise Hagemann. „Wir sind ein tolles Team“, lautet ihr Fazit nach den ersten Wochen. Doch was sie über die Neubesetzung zu erzählen hat, wirft Fragen auf.
Zum Beispiel die, ob die Bürokratie auf dem Weg zum neuen niedergelassenen Arzt ein Grund für den oft beklagten Mangel an Haus- und Landärzten sein könnte. Denn wenn ein Arztsitz frei wird, beginnt das Verfahren für die Neubesetzung. Und wenn ein Arzt stirbt, der die Praxis sonst weiter geführt hätte, seien dafür die Erben verantwortlich, sagt Luise Hagemann – in diesem Fall also sie selbst.
Im Hintergrund steht die Sorge, dass die Praxis geschlossen werden könnte
Sie berichtet von einem Verfahren mit vielen Etappen und Gesprächspartnern. So gehe es ohne Erbschein nicht weiter. Den zu bekommen, sei normalerweise mit langer Wartezeit verbunden. Doch die habe sie sich nicht leisten können. Denn im Hintergrund, so schildert sie, stand immer die Sorge, dass die Praxis geschlossen werden könnte.
Denn in der Rechnung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Baden-Württemberg ist das Gebiet um Stockach mit Hausärzten überversorgt. Das heißt: Ein Arzt kann sich nur dann neu niederlassen, wenn er einen bestehenden Arztsitz übernimmt. Neue Niederlassungen sind nicht möglich. Sie habe regelmäßig nachweisen müssen, dass Patienten in die Praxis kommen und diese somit notwendig sei, erzählt Luise Hagemann.
Das gehe aber nicht ohne Vertretungsarzt, den sie in Michael Lehmann über private Kontakte gefunden habe. Hinzu komme das Neubesetzungsverfahren der KV mit seinen vielen Fristen und beteiligten Instanzen, über die man den Überblick behalten müsse. Die Zulassungsausschüsse der KV müssen sich bei ihrer Arbeit an die Regeln aus dem Sozialgesetzbuch und der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte halten, heißt es dazu von Martina Troescher von der Pressestelle der KV.
Und der Mangel bei den Hausärzten? Luise Hagemann fallen noch weitere Gründe ein. Es gebe nur noch wenige Hausärzte, die zu einer Niederlassung bereit seien, lautet eine ihrer Einschätzungen. Zudem seien Frauen im Studium in der Mehrheit und viele junge Ärztinnen würden sich lieber anstellen lassen, wenn sie sich eine Familie wünschen: „Mit einer Niederlassung ist das praktisch nicht vereinbar.“