Der Herbst ist da und so geht das Wiederansiedlungs-Nabu für den Kiebitz in die nächste Runde. Daran arbeiten zusammen das Umweltzentrum Stockach, das Nabu-Bodenseezentrum und die Stadt Stockach.

Das Projektgebiet liegt im Großen Ried zwischen dem Naturschutzgebiet Bodenseeufer und dem Naturschutzgebiet Schanderied. Es befindet sich im Eigentum der Stadt Stockach. Bewirtschafter ist der Erlenhof des Pestalozzi Kinder- und Jugenddorfs Wahlwies, hier ist Karl-Hermann Rist der Betriebsleiter.

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Für sehr vielversprechend hält die Fläche Malte Bickel vom Regierungspräsidium Freiburg, der unter anderem für Kiebitz-Projekte zuständig ist. Er empfiehlt in dem Gebiet noch die Entfernung weiterer Gehölze. Außerdem sollten zusätzliche Blänken angelegt werden. Das sind kleine, offene Wasserflächen, die besonders wichtig bei der zunehmenden Trockenheit sind. Außerdem empfiehlt der Kiebitz-Experte, die Fläche zu beweiden.

Vorbereitungen für die Ankunft laufen

Aktuell werden darum mit der Unteren Naturschutzbehörde Konstanz und der Stadt Stockach etliche Vorbereitungen für die Ankunft des Kiebitzes ab dem kommenden Februar erledigt.

Ein Kiebitz (Vanellus vanellus) steht im Mai 2022 auf einem Feld in Brandenburg (Symbolbild).
Ein Kiebitz (Vanellus vanellus) steht im Mai 2022 auf einem Feld in Brandenburg (Symbolbild). | Bild: Patrick Pleul

Und warum nun ist es ausgerechnet ein Ried, das für die Wiederansiedlung dieses in Baden-Württemberg vom Aussterben bedrohten Vogels auserwählt wurde? Hanns Werner, ehrenamtlich aktiver Ornithologe im Nabu und im Umweltzentrum Stockach sowie Ideengeber für das Projekt, erklärt: „Der Kiebitz liebt offene Flächen mit kurzrasiger Vegetation, vegetationsfreie Flächen und Feucht- und Riedwiesen, auch Ackerland.“

Die richtige Fläche ist entscheidend

Ein wichtiger Grund dafür sei, dass der Vogel während der Brutsaison im März und April seine Nester am Boden baue, und zwar dort, wo es keine Büsche oder Bäume gebe. Denn von dort aus könnten sich Beutegreifer wie Krähen oder Säugetiere wie Rotfuchs anschleichen und dem Nachwuchs gefährlich werden.

Die Küken, welche aus vier bis maximal fünf Eiern schlüpfen, sind sogenannte Nestflüchter. Das bedeutet, dass sie kurz nach dem Schlupf vom Weibchen geführt das Nest verlassen und sich ihr Futter, also kleine Käfer, Larven und am liebsten Regenwürmer, suchen.

Das geht auf Feuchtflächen oder Moorwiesen im Schlamm am allerbesten. Die Kiebitze bedienen sich bei der Futtersuche eines Tricks: Durch das sogenannte Fußtrillern, bei dem sie mit den Füßen auf den Boden klopfen, können die Kiebitze sogar Regenwürmer aus dem Boden herauslocken.

Population innerhalb weniger Jahrzehnte eingebrochen

Noch vor 50 Jahren war der Kiebitz fast überall in Deutschland auf Feldern und Wiesen anzutreffen. Jedoch sind die Bestände in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch eingebrochen. In der Espasinger Niederung seien Kiebitze fast alljährlich während ihres Frühjahrsdurchzugs beobachtet worden, weiß Lisa Maier zu berichten. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für Ornithologie im Nabu-Bodenseezentrum. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind der Schutz von Wiesenbrütern und insbesondere der Kiebitz-Schutz.

Einzelne Paare machten wohl immer wieder bei Espasingen Brutversuche mit Balzflügen, allerdings bisher ohne längeren Verbleib im Gebiet. Dagegen sei es im Jahr 2021 zum Brüten mehrerer Kiebitz-Paare auf einem Maisacker direkt neben dem Mooshof gekommen, etwa in 1000 Meter Luftlinie von der Espasinger Niederung entfernt.

Auch andere Arten profitieren

Zu den bisher umgesetzten Maßnahmen im Espasinger Ried zählen die Schaffung von Blänken, die Anlage kurzrasiger Nahrungs- und Bruthabitate, sowie der Rückschnitt von Gehölzen.

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Es wurden beispielsweise Gräben angelegt und der Große Wiesenknopf, den es sowohl im Aachried als auch im Schanderied schon gibt, wurde ausgesät. Den frisst wiederum die Raupe des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings (ein Schmetterling). Und von der Bearbeitung der Fläche profitieren viele andere Arten – wie zum Beispiel die Großen Brachvögel, die hier zwar nicht brüten, aber rasten, die Feldlerche, das Braunkehlchen, die Goldammer oder die Graugänse.

Die hinten im Bild zu sehenden Bäumchen sollen, zum Schutz der Küken, noch entfernt werden.
Die hinten im Bild zu sehenden Bäumchen sollen, zum Schutz der Küken, noch entfernt werden. | Bild: Constanze Wyneken

Im Rahmen des landesweiten Biotopverbunds eigne sich das Projekt hervorragend als Verbundmaßnahme, erklärt Sabrina Molkenthin, die Leiterin des Umweltzentrums Stockach. Sie sagt: „Für den Schutz der Biodiversität ist es wichtig, dass solche strukturreichen Riedflächen wie hier feucht bleiben, damit verschiedenste Arten, der Laubfrosch, Wiesenknopf-Ameisenbläulinge oder eben der Kiebitz, hier eine Heimat finden.

Elektrozaun soll Vögel schützen

Sollte es dann tatsächlich zu Brutversuchen kommen, werden die Nester der Bodenbrüter durch einen Elektrozaun vor Beutegreifern geschützt. Die Maßnahmen werden als Ökopunkte der Stadt Stockach gutgeschrieben. Die Kosten belaufen sich laut Umweltzentrum Stockach abgesehen von viel Engagement bisher auf 8620 Euro. Für die Brutsaison 2023 könnten Kosten in Höhe von 10.000 Euro entstehen.

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Weitere Kosten für die Brutsaison 2024 könne man noch nicht exakt kalkulieren. Es ist eine Beweidung auf dem Projektgebiet geplant, wofür dann Zäune für die Weidetiere gezogen werden müssten. Es sei hoffentlich ein „Projekt mit Open-End“, sagt Sabrina Molkenthin. Denn wenn ein Kiebitz-Paar sich entscheiden würde, hier zu brüten und einen Bruterfolg habe, dann sei es sehr wahrscheinlich, dass das Gebiet auch für weitere Kiebitze attraktiv werde. Dann würden auch weitere Vögel kommen.