Früher waren die Fahrten einmal ein fröhlicher Anlass: Jahrelang kamen ukrainische Kinder, größtenteils Kinder mit Behinderung, aus der Stadt Komsomolsk nach Stockach, um hier ihre Ferien und einige Wochen unbeschwerte Zeit zu verbringen.

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Am Freitagmorgen kam einmal mehr ein Bus aus der ukrainischen Stadt in Stockach an, dieses Mal waren die rund 27 jungen Frauen und Kinder, die ausstiegen, aber keine Urlauber sondern Kriegsflüchtlinge. Organisiert wurde die Evakuierung von der Stockacher Stadtverwaltung, denn die Städte sind durch diese Ferienfreizeiten für Kinder mit Behinderungen schon lange freundschaftlich verbunden, erklärt Hauptamtsleiter Hubert Walk im Gespräch mit dem SÜDKURIER. „Bürgermeister Rainer Stolz hat seinem Amtskollegen aus Komsomolsk angeboten, einen Bus dieser Kinder mit ihren Müttern in Stockach aufzunehmen“, so Walk.

Vorbereitungen im ehemaligen Qiagen-Gebäudes laufen

Derzeit sind gerade Mitarbeiter der Technischen Dienste damit beschäftigt, einen Teil des ehemaligen Qiagen-Gebäudes, in dem auch der Stockacher Impfstützpunkt untergebracht ist, als Unterkunft für die Neuankömmlinge herzurichten. Vorerst wurden die Frauen und Kinder in der Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in der Oberstadt untergebracht. In den kommenden Tagen sollen sie jedoch Zug um Zug in kommunalen und privaten Räumlichkeiten untergebracht werden.

Alle waren sehr gefasst

Verschiedene Busunternehmen seien für die Hilfsaktion angefragt worden, berichtet Walk. Schließlich sei Bürgermeister Stolz bei der Tuttlinger Firma Stadtbus Klink fündig geworden, die auch den Regionalbusverkehr im Landkreis Konstanz organisiert. Mit im Bus, der die Frauen und Kinder in Ubla an der slowakischen Grenze abgeholt hat, war auch Katja Stolz. Die Stockacherin mit Wurzeln in Kasachstan fungierte als Übersetzerin.

Blick in eines der frisch eingerichteten Zimmer im ehemaligen Qiagen-Gebäude, in dem bald Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine unterkommen ...
Blick in eines der frisch eingerichteten Zimmer im ehemaligen Qiagen-Gebäude, in dem bald Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine unterkommen sollen. | Bild: Dominique Hahn

„Überraschenderweise waren die Frauen und Kinder alle sehr gefasst, als wir sie abgeholt haben“, berichtet Katja Stolz. Die Erleichterung sei ihnen dennoch deutlich anzumerken gewesen, berichtet sie im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Ob sie mitfährt, musste sie nicht lange überlegen, sagt sie. „Es sind Mütter mit beeinträchtigten Kindern, da war für mich sofort klar, dass ich helfen will“.

Formalitäten können dauern

In Stockach angekommen, galt es für die erleichterte aber übermüdete Flüchtlingsgruppe nach der Begrüßung durch den Bürgermeister und einem gemeinsamen Frühstück allerdings noch die Registrierungsformalitäten zu erledigen. „Die Stadtverwaltung hat das aber sehr gut organisiert, sodass alles reibungslos und zügig über die Bühne ging“, lobt Katja Stolz das Engagement aus dem Rathaus.

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Trotz allem Engagements: Bis die Registrierung abgeschlossen ist und die Flüchtlinge Sozialleistungen beziehen können, mit denen sie sich selbst versorgen können, könne es noch einige Zeit dauern, macht Walk deutlich. Das sei eine schwierige Situation, denn „die Menschen kommen hier vielfach nur mit einem Koffer an. Sie erhalten von uns deshalb eine kleine Bargeldausstattung aus den Mitteln des städtischen Spendenkontos, damit sie sich mit dem notwendigsten versorgen können“, erklärt Walk.

Die Möbel, mit denen nun die Unterkunft beim Impfstützpunkt ausgestattet wird, stammen aus dem städtischen Vorrat für die Unterbringung von Obdachlosen, allerdings habe man bereits nachbestellen müssen.

Weitere kommunale Unterbringungsmöglichkeiten anvisiert

Das sei aber auch kein einfaches Unterfangen gewesen „Der erste Lieferant, den wir angefragt haben, hat uns eine Absage erteilt“, berichtet Walk. Der Grund: Er bezieht seine Möbel aus der Ukraine und kann derzeit nicht liefern. In der Zwischenzeit habe man allerdings Ersatz gefunden. Rund zwölf bis 15 Menschen sollen beim Impfstützpunkt unterkommen. Als weitere kommunale Unterkunft komme das ehemalige Gesundheitsamt beim Stadtgarten in Betracht.

Die Schwierigkeit sei daran, dass viele Menschen ganz besondere Bedürfnisse haben. So könne man alte Menschen oder die Kinder mit Behinderung nicht ohne weiteres in Räumen unterbringen, die viel Treppensteigen erfordern, macht Walk deutlich. Auch ein wichtiger Punkt, der oft vergessen werde, sei die Versorgung mit Internet über WLAN. „Das ist wichtig, damit die Frauen und Kinder mit ihren Männern und Vätern, die im Kriegsgebiet bleiben mussten, Kontakt halten können“, sagt Walk.

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Insgesamt sei zu befürchten, dass der Krieg in der Ukraine noch länger dauert und die Flüchtlinge längere Zeit hier untergebracht werden müssen. Darauf müsse man sich einstellen, so die Einschätzung bei der Stadtverwaltung. Aktuell beherbergt Stockach rund 150 Flüchtlinge. Neben den 27 Frauen und Kindern aus Komsomolsk zählen dazu auch diejenigen, die über die staatlichen Verteilungsstrukturen nach Stockach gekommen sind.

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