Nach langer Stagnation stehen einige Veränderungen in der Oberstadt an. Die kommenden Wochen bringen den neuen Zuzug sowie zwei Umzüge bestehender Geschäfte in neue Räume. Damit füllen sich Leerstände, gleichzeitig tun sich jedoch auch andere auf. Das Modewerk zieht von der Kaufhausstraße in die Hauptstraße 10, die Räume, die die Stadt gekauft hat und nun vermietet. Eröffnung ist am 7. September.

Neben der Unteren Apotheke in der Hauptstraße zieht eine Kombination aus Friseur, Nagel- und Kosmetik-Studio in das schon lange leerstehende Geschäft. Renovierung und Umbau laufen dort auf Hochtouren, ein Schild im Schaufenster kündigt die Eröffnung auf 1. Oktober an. Änderungen bei Kik gibt es bereits zum 28. August. Die Filiale wechselt von der Pfarrstraße in die Tuttlinger Straße, wo bisher Vögele war. Nach nur ganz kurzem Leerstand des Blumengeschäfts in der Kaufhausstraße gibt es dort außerdem mit Antiquitäten und Kunst ein neues Angebot für die Kunden.
Oberstadt, Unterstadt, Altstadt, Innenstadt – es kursiert eine Vielzahl von Begriffen. Siegfried Endres, Vorsitzender des Vereins Handel, Handwerk und Gewerbe (HHG), sagt am liebsten Innenstadt und meint damit Ober- und Unterstadt als eine Einheit. “Es freut uns, dass sich etwas tut – vor allem in der Hauptstraße bei attraktiven Läden an prominenter Stelle”, sagt der Vorsitzende Siegfried Endres. Solche Geschäfte seien Publikumsmagnete, da sie schon beim Durchfahren zu sehen seien. Und obwohl Kik bei seinem Umzug vermutlich einen Leerstand hinterlässt, wertet Endres diesen als gute Veränderung, da Kik sich vergrößert.

Anja Schmidt, eine der Geschäftsführerinnen von Modewerk, freut sich auf ihren bevorstehenden Raumwechsel. Als sie und Sabine Pelikan sich vor rund sieben Jahren Räume in Stockach angesehen haben, sei das Geschäft in der Hauptstraße 10 eigentlich ihr “Traumladen” gewesen. Damals klappte es nicht – aber jetzt mit der Stadt als Vermieter. “Wir haben schon länger nach größeren Räumen gesucht und wollen bewusst in der Altstadt bleiben.” In der Unterstadt sei zwar mehr Laufkundschaft unterwegs, dort gebe es aber nicht so viele schöne historische Gebäude. Schmidt, die auch stellvertretende Vorsitzende im HHG ist, bedauert nur “den desolaten Zustand” vieler leerstehenden Geschäftsräume. Sie wünscht sich mehr Unterstützung für die Oberstadt.

Mit dem Umzug in die Hauptstraße, “von der zweiten in die erste Reihe”, wie Anja Schmidt sagt, erhofft sie sich eine höhere Kundenfrequenz. Die neuen Räume seien etwa doppelt so groß und es werde eine Sortimentserweiterung gebe. “Es ist ein mutiger Schritt für uns, weil es der Einzelhandel schwer hat”, sagt sie. Das neue Geschäft solle in punkto Öffnungszeiten auch ein Vorbild sein: Wie bisher durchgehend geöffnet – aber künftig auch Mittwochmittags. “Ein großes Lob an die Stadt, dass sie sich den Räumen angenommen und von Grund auf renoviert hat.” Dem schließt sich auch Siegfried Endres an. Der HHG finde es gut, dass die Stadt den Laden gekauft habe und zu einem realistischen Preis vermiete.

Trotz dieser Welle des Wandels gibt es immer noch zahlreiche Leerstände: die ehemaligen Schlecker-Räume, das ehemalige Marco-Geschäft, der frühere Spielwaren Jäger, die einstige Räume der HDI-Versicherung, der frühere NKD, der ehemalige Gemischtwaren List, das frühere Elektronikgeschäft Rademacher und das von einem Brand zerstörte “Emmas Sohn”. Anja Schmidt und Siegfried Endres wünschen sich eine Anlaufstelle, die sich um die Leerstände kümmert.

Jemanden, bei dem es Informationen über verfügbare Räume für Interessenten gibt, aber auch Beratung für die Besitzer. “Ich könnte mir diese Stelle bei der Wirtschaftsförderung im Rathaus vorstellen”, sagt Endres. Anja Schmidt weiß aus Erfahrung: “Viele wollen eine zu hohe Miete verlangen.” Ein Teil der Leerstände seien auch wahre "Schandflecken", sind sich beide einig. Endres nennt den ehemaligen Marco als Beispiel. In dem leeren Geschäft steht Gerümpel und bisher waren die Schaufenster häufig wild mit Plakaten oder deren Überresten übersäht. “Das ist auch für uns ein Ärgernis”, so Endres.

“Es gibt eine Tendenz zu größeren Flächen, die in der Oberstadt nicht oder nur sehr begrenzt angeboten werden können,” sagt Bürgermeister Rainer Stolz zum Thema Einzelhandel. “Der Kunde wünscht sich den möglichst bequemen Einkauf möglichst vieler seiner Einkaufswünsche.” Bei Geschäften in Stadtkernen seien besondere Konzepte gefragt, die “den Kunden in besonderer Weise und persönlich ansprechen”. Wie die Kommunen müsse sich der Handel den gesellschaftlichen Entwicklungen und den Markterfordernissen stellen. Auch Siegfried Endres sieht, dass sich kleine Läden schwer tun und Kunden Flächen suchen, auf denen sie alles gleichzeitig bekommen.

“Der Weg spielt dabei keine Rolle mehr.” Dass immer weniger Kunden den Weg in die Oberstadt finden, hat Isabel Hämmerle dazu bewogen, das Modegeschäft Diva Fashion neben der Adler Post auf Jahresende 2017 zu schließen. Es sei einfach zu wenig los, sagt die Betreiberin, die zuvor schon in anderen Räumen in der Oberstadt Mode und Accessoirs verkauft hat.

Tradition und Ketten
Obwohl die Oberstadt seit einigen Jahren mit den Worten Leerstand und ausbluten in Verbindung gebracht wird, gibt es auch traditionsreiche Konstanten unter den Geschäften in der Innenstadt. Beispiele: Jährling, Herrenmoden Moser, Juwelier- und Uhrengeschäft Neumeister, Papier Fritz oder die verschiedenen Apotheken in Ober- und Unterstadt. Gleichzeitig ist über die Jahre Friseurketten und mit Tattoo-Studios bisher nie Dagewesenes in die Stadt gekommen. (löf)


