Cornelia Giebler

Es gibt Einsätze, die Feuerwehr Leute nicht so schnell vergessen. Der Brand des Gashauses Alt-Stocken im Jahr 2010 gehört dazu, ebenso der Brand des früheren Polizeireviers im Jahr 1992 – oder das heftige Hagelunwetter Anfang Juli 2004, das Millionenschäden in der ganzen Stadt verursacht hat. Am Nachmittag des 8. Julis, einem Donnerstag, wurde in Stockach kurz nach 15 Uhr der Himmel finster. Die erste Gewitterböe fegte mit urkräftiger Gewalt durch die Straßen. Regen und Hagel prasseln nieder – der starke Wind trieb sie waagrecht gegen Hauswände und Bäume.

Die Eismassen verstopfen die Gullys, die Wassermassen wurden zu Sturzbächen. Eine Woge aus Wasser und Hagelkörnern floss die Kolpingstraße hinab und über die Winterspürer Straße direkt auf den Westflügel der Realschule zu. Die Fenster der drei Klassenräume im Untergeschoss hielten dem enormen Druck nicht stand. Innerhalb von Sekunden waren die Zimmer 1,20 Meter hoch mit Hagelkörnern gefüllt. Das Wasser floss unter den Türen in den Gang ab und weiter Richtung Pausenhof. Zurück blieben drei Kältekammern, gefüllt mit Eis. Zwei Feuerwehrleute, ein früherer Lehrer und der Hausmeister erinnern sich zurück:

  • Markus Schnopp, damals wie heute Hausmeister der Realschule Stockach: „Bevor der Hagel kam, war der Himmel unheimlich dunkelgelb. Schüler standen im Buswartehäuschen, dann prasselten Hagel und Regen herab. Die Gullydeckel wurden von unten hochgedrückt und aus dem Kanal kamen die Wassermassen. Ich musste nach Seelfingen, denn meine Frau rief an, die Dächer im eigenen und alten Haus seien undicht. Zurück an der Schule war zum Glück die Feuerwehr schon da. Die Einsatzkräfte hatte Schaufeln mitgebracht. Auch Oswald Stetter vom Bauhof war da, mit Schaufeln und Schubkarren. In den Zimmern waren die Schränke von den Wasser- und Hagelmassen hochgehoben worden, die Tische an die gegenüberliegende Seite der Fenster gedrückt. Bis 22 Uhr waren wir beschäftigt, den Hagel nach draußen zu befördern. Lange noch lag der Eishaufen auf dem Schulhof. Vier Wochen lang mussten die Räume und Gänge getrocknet werden. Es brauchte neue Türen und Schränke, die Pulte erhielten neue Tischplatten. Heute soll ein Damm das Untergeschoss schützen. Die Ableitung erfolgt zwischen dem Westflügel und dem neuen Anbau.“
  • Wilhelm Joos, damals Lehrer an der Realschule und Stockacher: „Unser Konrektor, Manfred Kehlert, rief an und bat um Unterstützung. Wir sollten Gummistiefel anziehen. Von der Tür her haben wir uns mit Schaufeln zu den Fenstern vorgekämpft. Eigentlich war es ein sehr heißer Tag, doch drinnen im Eis war es kalt. Wir waren drei oder vier Lehrer, die die Einsatzkräfte unterstützt haben. Für die Schülerinnen und Schüler bedeuteten die zerstörten Klassenzimmer keinen Unterrichtsausfall. Sie konnten in den Räumen der ehemaligen Zehnten unterrichtet werden. Doch Bücher, Hefte, Zeugnisse waren vollkommen verdreckt oder verschwunden. Mich hat beeindruckt und schockiert, wie hilflos wir gegen Naturgewalten sind, dass der Mensch gegenüber der Natur doch sehr klein ist und sich gegen Wasser kaum wehren kann.“
  • Frank Oßwald, damals Gesamtkommandant der Freiwilligen Feuerwehr Stockach: „120 Einsatzkräfte mit 15 Fahrzeugen aus den Abteilungen Stadt, Wahlwies, Espasingen und Winterspüren waren bis spät in die Nacht mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Der Städtische Bauhof der Stadt Stockach unterstützte die Einsatzkräfte. Auch das Technische Hilfswerk Stockach wurde zur Unterstützung angefordert. Wir wurden als erstes ins Industriegebiet Hardt zu einem angeblichen Dacheinsturz gerufen. Das Ausmaß des Schadens in der Realschule war zu Beginn nicht klar. Wir wunderten uns nur, denn die dort eingesetzten Kameraden kamen und kamen nicht zurück. Kräfte wurden nachgefordert und der Anblick, der sich uns bot, war richtig unwirklich. Der Hagel, wie glattgestrichen, reichte bis zu den Tischen. Drinnen war es wie im Kühlhaus. Ich sehe noch Lehrer Wilhelm Joos vor mir, wie er mit der Schubkarre die Hagelkörner nach draußen befördert. Bilder vom Hagel in der Stockacher Realschule wurden bundesweit im Fernsehen gezeigt.“
  • Roman Brandys, heute Kommandant der Abteilung Stadt, war in Singen, als er zum Einsatz nach Stockach gerufen wurde: „Viele hatten Probleme, zum Feuerwehrhaus zu kommen. Auf den Straßen hat es schlimm ausgesehen, voller Bäume, Äste und Blätter. Viele der Bäume waren entlaubt, Gärten zerstört, Jalousien durchlöchert und Fensterscheiben zertrümmert. Ich erinnere mich an 50 bis 60 Einsatzstellen. Dächer mussten provisorisch abgedichtet werden, Keller leergepumpt und vor allem der Hagel weggebracht werden, damit er nicht die Gullys verstopft. Eine der größten Einsatzstellen war in der Realschule. Unsere Geräte mussten nach den Einsätzen tagelang gereinigt und gewartet werden. Die Zahl der Unwettereinsätze nimmt zu. Wir beobachten, dass die Unwetter sehr schnell kommen, sehr intensiv sind und meist nur lokal begrenzt."

 

Fünf der größten Brände und Unwetter im Raum Stockach im vergangenen Jahrzehnt

  • Unwetter mit Schlammlawinen (2017)
    Starkregen hielt im vergangenen Sommer in Ludwigshafen mehrfach die Feuerwehr auf Trab und spülte Wasser sowie Schlamm vom Neubaugebiet Haiden abwärts durch den Ort. Keller liefen voll und Straßen standen unter Wasser. So gab es zum Beispiel 94 Feuerwehreinsätze in der Nacht vom 21. auf den 22. Juli 2017. Innerhalb kürzester Zeit fielen 200 Liter Regen pro Quadratmeter und das Wasser stand in Garagen und Kellern teilweise 50 Zentimeter hoch. Die Bahnstrecke bei Ludwigshafen war in der Nacht zeitweise wegen eines umgestürzten Baumes gesperrt.
  • Brand in Metall-Betrieb (2015)
    114 Einsätzkräfte der Feuerwehr und des Technischen Hilfswerks (THW) waren im August 2015 bei einem Brand im Einsatz. Eine Alupresse in einem metallverarbeitenden Betrieb in Stockach stand in Flammen. Die fest eingebaute Löschanlage des Unternehmens hatte dieses Feuer nicht unter Kontrolle bekommen. Die Feuerwehr war bis tief in die Nacht dort. Die Feuerwehrleute mussten dabei 96 Stahlplatten der Metallpresse von Hand auseinander schieben, um dazwischen alle Flammen löschen zu können. Es gab wegen Gasen immer wieder kleinere Verpuffungen.
  • Flammen zerstören Clubhaus (2013)
    Im Golfclub Langenstein bei Orsingen brannte im Oktober 2013 das Clubhaus. Ein Anwohner entdeckte die Flammen am frühen Morgen. Die Einsatzkräfte der Feuerwehr konnten verhindern, dass das Feuer auf das dahinter liegende Rebhaus übergriff. Es entstand rund eine Million Euro Schaden. Hinzugezogene Kriminaltechniker und ein Sachverständiger gingen aufgrund ihrer Ermittlungen von einem technischen Defekt der Elektroleitungen als Brandursache aus. Das Clubhaus wurde neu gebaut und im April 2016 eingeweiht.
  • Feuer zerstört Hof (2011)
    Ein Brand in Mindersdorf hat im August 2011 rund 35 Einsatzkräfte aus Hohenfels sowie 13 Kameraden aus Stockach auf Trab gehalten und rund 250 000 Euro Schaden verursacht. Die örtliche Sirene alarmierte die Feuerwehr gegen 1.15 Uhr in der Nacht. Fast gleichzeitig ging auch die Meldung des Feuers über die Leitstelle ein. Von der Scheune mit Heu breiteten sich die Flammen auf den Stall und das angrenzende Haus aus. Eine Kuh, die trotz Brand im Innenhof herumrannte machte es den Einsatzkräften schwer, doch am Ende kamen keine Menschen oder Tiere zu Schaden.
  • Großbrand in der Oberstadt (2010)
    Im Oktober 2010 brannte in der Stockacher Oberstadt das historische Gebäude mit dem Lokal Alt-Stocken sowie darüber liegenden Wohnungen aus. Der Schaden betrug rund 500 000 Euro. Das Obergeschoss über der Gaststätte stand beim Eintreffen der Feuerwehr bereits im Vollbrand. Die rund 100 Einsatzkräfte der Feuerwehr-Abteilungen Stadt, Espasingen, Wahlwies, Winterspüren und Zizenhausen konnten verhindern, dass die Flammen auf die direkt mit ihren Giebeln angrenzenden Häuser übergriffen. Die Brandruine wurde später abgerissen und das Haus neu gebaut. (löf)