Drei Jahre Haft hat das Amtsgericht Konstanz wegen zahlreicher Drogendelikte über einen 42-jährigen Mann aus Stockach verhängt. Das Gericht ordnete an, dass der seit vielen Jahren Drogenabhängige vor Verbüßung der Haftstrafe eine Entzugstherapie antreten kann. Eine mitangeklagte Mutter zweier Kinder, ebenfalls aus Stockach, verurteilte das Gericht wegen Beihilfe zum Drogenhandel zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je zehn Euro.
"Ich wollte mit der örtlichen Drogenszene nichts mehr zu tun haben", begründete der 42-Jährige seine Bestellungen im Darknet vom Sommer vorigen Jahres. Vier Mal orderte er dort die verbotenen Drogen Amphetamin (Speed) und MDMA (ein synthetisches Amphetaminderivat). Die Postsendungen ließ er an die Wohnadresse seiner Bekannten schicken. Deren inzwischen verstorbener Ex-Ehemann sei sein bester Freund gewesen und habe ihn in die Funktionsweise und Nutzung des Darknets eingewiesen, berichtete er. Der Freund war an einer Überdosis gestorben.
Eine Komplizin leistete Beihilfe
Die Mitangeklagte bestätigte, dass sie die kleinen Päckchen, die in ihren Briefkasten eingeworfen wurden, an den 42-Jährigen weitergegeben hatte. Die Frage des Gerichts, ob sie gewusst habe, was sich in den Postsendungen befand, verneinte sie. Es habe sie nicht interessiert, behauptete sie, schob dann aber nach: "Ich hätte es mir denken können". Ob sie selbst etwas vom Inhalt der brisanten Postsendungen abbekommen hatte, wollte sie nicht sagen. Warum er sich die Drogen nicht an seine eigene Adresse schicken ließ, begründete der 42-Jährige so: Er habe sich damals offiziell in einem Drogenersatz-Programm befunden, aber trotzdem weiterhin illegale Drogen konsumiert. Das sollte niemand bemerken.
Auch Handel mit Kokain
Das Gericht hielt in diesem Tatkomplex den Handel mit einer Menge von insgesamt 30 Gramm MDMA oder Amphetamin für erwiesen. Die Mitangeklagte habe durch das Entgegennehmen und Weitergeben der Drogenpäckchen Beihilfe dazu geleistet. Noch schwerer wog eine zweite Anklage der Staatsanwaltschaft, die dem 42-Jährigen einen regen Handel, vorwiegend mit Kokain, aber auch mit Marihuana vorwarf. Die Beweisaufnahme mit mehreren Zeugen, darunter frühere Kunden des Angeklagten und zwei Polizeibeamte, ergab folgendes: Bis zum Herbst 2016 verkaufte der 42-Jährige jeweils im Stadtgarten, auf Supermarktparkplätzen, beim Stockacher Krankenhaus und hinter dem Gebäude der Zentralgenossenschaft Kokain und auch Marihuana an insgesamt vier Abnehmer aus Stockach. Den Gewinn aus dem Drogenhandel berechnete man mit 8000 Euro. Die Summe soll eingezogen werden.
Aufgeflogen war der 42-Jährige nach der Anzeige eines 55-jährigen Mannes aus Stockach. Vor Gericht berichtete dieser, sein Sohn, der aufgrund exzessiven Drogenkonsums mittlerweile mit 34 Jahren ein Pflegefall sei, habe ihm den Angeklagten als seinen Lieferanten genannt. Er habe dem Mann mehrmals verboten, sich seinem Sohn zu nähern. Ein inzwischen im Ruhestand befindlicher Polizeibeamter berichtete, es habe im Jahr 2016 in Stockach zwei oder drei Gruppierungen gegeben, über die der Drogenhandel der Stockacher Szene gelaufen sei. Der 42-Jährige habe maßgeblich dazu gehört.
Zwischenzeitlich clean gewesen
Der im Schwarzwald-Baar-Kreis aufgewachsene Angeklagte, der seit 15 Jahren in Stockach lebt, betonte, dass er trotz seiner Sucht immer fleißig gearbeitet und seine Familie ernährt habe. Zwischendurch sei er mehrmals in Therapie und danach clean gewesen. Der Tod seines Bruders vor fünf Jahren habe für ihn einen Rückfall mit Kokain- und Heroinkonsum zur Folge gehabt. Er konnte belegen, dass er sich mittlerweile wieder in ein Substitutionsprogramm unter ärztlicher Aufsicht begeben hat und mit der Drogenberatung in Kontakt steht. "Ich brauche aber auf jeden Fall noch einmal eine richtige Therapie", meinte er.
Die Mitangeklagte berichtete, sie habe mit 15 angefangen zu kiffen. Später sei dann die Droge Ecstasy dazu gekommen. Vor elf Jahren sei sie schließlich heroinabhängig geworden. Auch ihr Anwalt legte dem Gericht einen Substitutionsausweis und Bestätigungen für regelmäßige Kontakte mit der Drogenberatung vor. Eine Therapie steht auch bei ihr noch aus.
Was versteht man unter dem Darknet?
- Ein verborgener Bereich des Internets: Das so genannte Darknet ("Dunkles Netz") versteckt sich in einem "Tor-Netzwerk" genannten Bereich des Internets, der eine anonyme und sichere Kommunikation ermöglicht. Diese Sicherheit wird auch von Kriminellen genutzt, um ihre dunklen Geschäfte abzuwickeln. Die Grundvoraussetzung zum Abrufen von Darknet-Seiten ist ein "Tor-Browser". Weil auch die Computerspezialisten der Kriminalämter dazu gelernt haben, ist es nicht mehr so einfach, auch im Dunkelnetz wirklich anonym zu bleiben. (emv)
- Die Daten werden häufig verschlüsselt übertragen. Ihre Anwendung reicht von (oft illegalen) Tauschbörsen-Netzwerken für Filme und Musik bis hin zum Handel mit verbotenen Waren und Substanzen (etwa: Drogen, Waffen aller Art). Eine 2016 veröffentlichte Studie des britischen Thinktanks International Institute for Strategic Studies stufte die Mehrheit (57 Prozent) aller untersuchten aktiven Seiten im Darknet inhaltlich als „illegal“ ein.
- Besondere Bedeutung hat das Darknet allerdings auch für Whistleblower und Regimekritiker in autoritären Staaten, diesbezüglich haben auch schon bedeutende Zeitungen wie etwa die amerikanische New York Times Seiten im Darknet eingerichtet, um dort anonymisiert vertrauliche Informationen erhalten zu können