Wie barrierefrei sind Stockachs Bushaltestellen? Um das herauszufinden, hatte der CDU-Stadtverband Stockach zu einer Bustour quer durch die Stadt und alle Ortsteile eingeladen. Zwar blieben die Mitglieder und die Kandidaten für die anstehende Kommunalwahl bis auf wenige Gäste unter sich, wertvolle Erkenntnisse gewannen sie dennoch.
Zum einen, weil Busfahrer Gerhard Heim, selbst CDU-Kandidat in Seelfingen, die Gruppe fachkundig über die Problematik vieler Haltestellen aufklärte. Zum anderen, weil Cornelia Giebler, Behindertenbeauftragte der Stadt Stockach, und Oswald Ammon, ihr Kollege für den Landkreis Konstanz, mit an Bord waren und interessante Informationen bereit hielten. Ein Ergebnis vorweg: Nur vier Haltestellen in Stockach und seinen Ortsteilen sind tatsächlich vollständig barrierefrei.
Modernisierung und Barrierefreiheit
Mobilität ist gerade im ländlichen Raum elementar. Angesichts des zunehmenden innerstädtischen Verkehrs gewinnt auch in Stockach der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) immer mehr an Bedeutung. Spätestens nach der 2013 in Kraft getretenen Novelle des Personenbeförderungsgesetzes stellt sich die Frage nach der Barrierefreiheit. Denn diese soll auch in Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention bundesweit bis 2022 vollständig erreicht werden.
Da mögliche Modernisierungen vom zukünftigen Gemeinderat beschlossen werden müssten, wolle man sich einen Eindruck verschaffen, sagte Christoph Stetter, Vorsitzender des CDU-Stadtverbands. Er machte deutlich: "Barrierefreiheit ist nicht nur ein Thema für Menschen mit Behinderungen. Auch für Senioren, Familien mit Kindern und Menschen, die vorübergehend in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, ist sie im Alltag unverzichtbar."
Das Problem ist oft wenig Platz
Busfahrer Heim berichtete zu Beginn, dass die zehn Busse des Typs, in dem man gerade unterwegs sei, nach nur einem Jahr zum Ende des Jahres wieder ausgemustert würden, da sie die notwendigen Kriterien nicht erfüllten. Busse müssen genügend Platz für zwei Rollstühle oder zwei Kinderwagen bieten, dazu Doppeltüren haben, absenkbar sein, eine ausklappbare Rampe besitzen und dürfen nicht zu lang und zu breit sein, um gerade in engen Dorfstraßen nicht mit dem Gegenverkehr zu kollidieren, Verkehrsschilder zu streifen oder über Randsteine zu fahren.
Der Platz ist ein großes Problem für Barrierefreiheit. Oft hält ein Bus ohne Haltebucht auf der Straße. Häufig sind die Buchten zu kurz – 18 Meter müssten es sein, bei Langbussen sogar 22, sagte Heim. Cornelia Giebler, die sich ein Jahr lang ins Thema eingearbeitet hatte, erläuterte, Haltestellen müssten nach den Vorgaben mit einem Wartehäuschen mit unterschiedlich hohen Sitzgelegenheiten und ausreichenden Bewegungsflächen für Rollstuhlnutzer ausgestattet werden. Dazu kämen tastbare Bodenleitsysteme in Rillen- und Noppenform, im Kontrast zum Umgebungsbelag, und ganz elementar eine Bordsteinkante in bestenfalls 18 Zentimeter Höhe. Diese Zahl erklärte Gerhard Heim damit, dass so die Neigung der ausgeklappten Rampe sechs Prozent betrage, was ideal für Rollstuhlfahrer sei.
Giebler zählte allein auf den Buslinien nach Meßkirch, Tuttlingen und Überlingen 30 Haltestellen, die vorrangig bearbeitet werden müssten. Die Maßnahmen sollten angemessen sein, deshalb habe sie beispielsweise Richtung Meßkirch nur eine Haltestelle pro Ortschaft berücksichtigt. Die Städte und Gemeinden seien als Baulastträger verantwortlich, die Koordination müsse ihrer Meinung nach aber vom Landkreis ausgehen.
Bereits viel Zeit verstrichen
Oswald Ammon nannte Kosten von bis zu 40 000 Euro für den Umbau einer Haltestelle. "30 mal 40 000 Euro, das wäre der Anfang. Aber davon gibt es noch keine Handwerker, die es machen würden", sagte Giebler. Oswald Ammon kritisierte, entsprechende Positionen hätten längst in die Haushalte eingestellt werden müssen. Man habe zu viel Zeit verstreichen lassen und müsse sich nun verstärkt um Barrierefreiheit kümmern.
Barrierefreiheit
Sie beinhaltet, dass Gebäude und öffentliche Plätze, Arbeitsstätten und Wohnungen, Verkehrsmittel und Gebrauchsgegenstände, Dienstleistungen und Freizeitangebote so gestaltet werden, dass sie für alle ohne fremde Hilfe zugänglich sind. Barrierefreiheit geht auch Menschen ohne Behinderung an, weil sie irgendwann womöglich auf gut zugängliche Busse, Gebäude und Dienstleistungen angewiesen sind. In den meisten Fällen löst Krankheit eine Behinderung aus. Auch Unfälle können eine Ursache sein. Gut ein Viertel der Menschen mit Schwerbehinderung ist laut Aktion Mensch 75 Jahre oder älter, die Hälfte zwischen 55 und 75.