Ein Besuch bei Oma im Pflegeheim. Sie sitzt auf ihrem Rollstuhl, blickt starr vor sich hin. Sie ist kaum noch erreichbar.

Angehörige bekommen häufig Angst, wenn sie mit Demenz konfrontiert werden: Sehe ich hier meine eigene Zukunft vor mir? Werde ich auch einmal von einer Demenz betroffen sein? Oder kann ich diesem Schicksal entrinnen?

Chefarzt gibt Entwarnung

Achim Gowin ist Chefarzt des Zentrums für Altersmedizin des Gesundheitsverbundes Landkreis Konstanz. Er gibt Entwarnung: „Die meisten Demenzen hat man sich im Laufe des Lebens erworben.“ Die Rolle der Vererbung werde überschätzt, so Gowin.

Achim Gowin, Chefarzt des Zentrums für Altersmedizin, setzt sich dafür ein, betagte Menschen in die Gesellschaft mit einzubeziehen.
Achim Gowin, Chefarzt des Zentrums für Altersmedizin, setzt sich dafür ein, betagte Menschen in die Gesellschaft mit einzubeziehen. | Bild: Hegau-Bodensee-Klinikum SIngen

Stattdessen gebe es zwei Bereiche, die man aktiv beeinflussen und damit eine Demenz hinausschieben, verzögern oder sogar verhindern könne: Einerseits sollten ältere Menschen weiterhin in Beziehung mit anderen Menschen leben. Andererseits könne man einer Demenz vorbeugen, indem man gut mit seinen Blutgefäßen umgehe.

Interessen nachgehen statt Gehirnjogging betreiben

Ein spezielles Hirnleistungstraining, das einer Demenz vorbeugen soll, nütze wenig, betont Professor Christof Klötzsch, der die neurologische Klinik im Hegau-Bodensee Klinikum Singen leitet. „Es macht keinen Sinn, sich mit sogenanntem Gehirnjogging zu beschäftigen und dabei zum Beispiel anzufangen Kreuzworträtsel zu lösen, obwohl man die sein Leben lang gehasst hat. Viel eher sollte man sich mit Dingen beschäftigen, die einen begeistern.“

Wer sich aus Interesse mit Theater, Geschichte oder Atomphysik beschäftige, erreiche daher wesentlich mehr als derjenige, der ein standardisiertes Hirnleistungstraining durchlaufe.

Das könnte Sie auch interessieren

Zentral sei es, seine Beziehungen zu pflegen. Wer alleine und zurückgezogen lebe, sei verstärkt gefährdet, an einer Demenz zu erkranken, so Klötzsch.

Integrieren statt isolieren

Ähnlich sieht es Achim Gowin: „Wir sollten ältere Menschen nicht isolieren. Bereits in den vergangenen Jahren sind die Großfamilien auseinandergebrochen. Corona hat dies nun noch verschlimmert.“ Dadurch sei Demenz zur Volkskrankheit geworden.

Die wichtigste Vorbeugung sei, Ältere in das soziale Leben einzubeziehen und ihnen Aufgaben zu geben. „Wir sollten die Alten nicht outsourcen“, so Gowin. Wer eine Funktion habe, sei weniger gefährdet, an einer Demenz zu erkranken.

Das könnte Sie auch interessieren

Eine weitere wichtige Rolle spielen die Blutgefäße. Hirnerkrankungen seien fast immer Folge von Gefäßerkrankungen, formuliert es Achim Gowin etwas überspitzt.

Eine gute Herzinfarkt-Prophylaxe sei daher zugleich auch eine gute Demenz-Prophylaxe. Gowin fasst zusammen: „Gehe ich gut mit meinen Blutgefäßen um, gehe ich auch gut mit meinem Gehirn um.“

Weitere Schlüssel sind Ernährung und Bewegung

Professor Christof Klötzsch sieht das auch so: „Alles, was einen Schlaganfall und einen Herzinfarkt verhindert, kann auch das Demenz-Risiko verringern.“ Dazu gehöre etwa eine gesunde, mediterran orientierte Ernährung, der Verzicht auf Nikotin und die konsequente Einstellung des Blutdrucks und des Blutzuckers bei Altersdiabetes.

Christof Klötzsch, Leiter der neurologischen Klinik im Hegau-Bodensee-Klinikum Singen, betont, wie wichtig es ist, in Beziehung zu leben.
Christof Klötzsch, Leiter der neurologischen Klinik im Hegau-Bodensee-Klinikum Singen, betont, wie wichtig es ist, in Beziehung zu leben. | Bild: Hegau-Bodensee-Klinikum SIngen

Außerdem beuge es einer Demenz vor, wenn man Übergewicht reduziere und in Bewegung bleibe. „Studien haben gezeigt, dass körperlich inaktive Menschen schneller geistig abbauen“, so Klötzsch. Aber auch moderate Bewegung könne helfen. „Wer nicht gerne Sport treibt, dem kann es schon helfen, wenn er jeden Tag spazieren geht.“

Christof Klötzsch betont, dass es aus vielen Studien Hinweise darauf gebe, dass ein gesundes Leben mit regelmäßiger Bewegung, ausgewogener Ernährung und einer kontinuierlichen geistigen Beanspruchung dementielle Entwicklung bremsen beziehungsweise hinauszögern könne.

Er fasst zusammen: „Wir empfehlen Demenz-Patienten und ihren Angehörigen neben regelmäßiger körperlicher Aktivität auch regelmäßige Sozialkontakte und die Beschäftigung mit Dingen, die ihnen lieb sind.“

Rückmeldung an den Autor geben