Die in Frankfurt lebende Autorin Anna Yeliz Schentke hat im Rahmen der „Erzählzeit“ in der Filiale der Stadtbücherei in Friedingen aus ihrem Debütroman „Kangal“ gelesen. Darin erzählt sie von der Situation junger Türken nach dem Putschversuch des Militärs im Juli 2016 – von einer Generation, die im eigenen Land Unterdrückung erlebt und nach Sicherheit und Zugehörigkeit sucht.
Seit dem Putschversuch hat sich die Stadt Istanbul und das Leben des jungen Paars Dilek und Tekin, um das es in „Kangal“ vor allem geht, verändert. Mit vielen anderen haben die beiden gegen die türkische Regierung protestiert, zudem steht unter dem Tarnnamen Kangal1210 ein Bild von Dilek im Netz. Es zeigt sie während einer Protestaktion von Frauen. Tekil will kämpfen, solange es möglich ist. Ohne sein Wissen verlässt Dilek fluchtartig die Türkei zu ihrer Cousine Ayla nach Deutschland, mit der sie in Kindertagen auch freundschaftlich verbunden war.
„Die Angst erwischt dich überall“
In Rückblicken erinnert Anna Yeliz Schentke an die Proteste: „Die Angst erwischt dich überall, man muss wissen mit wem man was spricht“, lässt sie Protagonistin Dilek sagen.
In Deutschland muss diese erfahren, dass auch hier lebende Türken Anhänger des autoritären Erdogan-Regimes sind. In Dileks neuer Heimat kann man sich nicht vorstellen, dass alle Regeln ausgesetzt wurden: Ayla ist Türkin und weiß von den Protesten, fragt aber, was sich die Menschen in ihrer Heimat dabei gedacht haben. Dilek ist betroffen, Aylas Frage macht ihr das schlechte Gewissen, nicht genug getan zu haben.
Anna Yeliz Schentke wurde im Jahr 1990 als Tochter eines türkischen Vaters und einer deutschen Mutter in Frankfurt am Main geboren und ist noch heute familiär mit der Türkei verbunden. Dorthin zu reisen wäre nach dem Erscheinen ihres ersten Buches nun aber zu gefährlich, sagt Schentke.
Sie habe für ihren Debutroman viele Gespräche über die Proteste in der Türkei geführt und alles, was im Buch stehe, sei mindestens ein Mal so oder ähnlich passiert.
Die verschiedenen Sichtweisen auf die Türkei würden auch die in Deutschland lebenden Türken spalten: „Die meisten Oppositionellen versuchen, untereinander wenig Kontakt zu haben, wer gegen das Erdogan-Regime ist, muss auch hier Angst vor existenziellen Folgen haben“, erklärt Anna Yeliz Schentke zu den Hintergründen ihres Buches, das Anfang März 2022 beim Fischer-Verlag erschienen ist und es auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2022 geschafft hat.