Ein Schaufenster für die Höri-Kunst öffnet das Singener Kunstmuseum in diesem Sommer. "Unter dem Titel Form und Farbe zeigen wir einen Einblick in die Schätze unserer Sammlung, erklärt Museumsleiter Christoph Bauer. Einem, der diesen Spannungsbogen weiter führt, widmet das Haus im Obergeschoss der Singener Ausstellungshalle eine Sonderschau. Die Ausstellung "Walter Becker – Traum und Wirklichkeit" wird am Sonntag, 15. Juli, um 11 Uhr eröffnet. "Mit der Sommerausstellung machen wir auf einen zu Unrecht viel zu wenig bekannten Maler und Grafiker des deutschen Spätexpressionismus aufmerksam", so Bauer. Becker gelte als Musiker unter den Expressionisten und trat zunächst als Grafiker und Illustrator großer Werke der Weltliteratur hervor.

"Zahlreiche stilistische Einflüsse verarbeitend schuf er ein kraftvoll farbiges, expressiv gestaltetes, flächenbetontes Werk ganz eigener Prägung, dessen Spannweite von stiller Melancholie bis zu ungestümer Vitalität reicht", betont der Museumsleiter. Beckers Bildwelt speise sich aus Erinnerungen, Träumen und der griechischen Mythologie. Rund 90 Arbeiten umfasst die Sonderausstellung. Dabei handelt es sich überwiegend um Figurenbilder. Werke aus allen Schaffensphasen geben einen Einblick in die Entwicklung Beckers, der vor 125 Jahren in Essen das Licht der Welt erblickte.

Die enge Verbindung des Malers mit dem Hegau knüpfte der unvergessene Kunstvereinsvorsitzende Paul Gönner. Er schätzte Beckers Werk und veranstaltete in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mehrere Ausstellungen. "Sie finden sich folglich nicht nur in der Sammlung des Kunstmuseums, sondern auch in privaten Sammlungen wie der Sparkasse, aber auch in zahlreichen Privathaushalten", weiß Bauer. Eine vergleichbare Biographie und Rezeptionsgeschichte verbinde Becker und die Höri-Künstler. Dies will Bauer mit der Ausstellung deutlich machen. "Mit dem Wegfall ideologischer Trennlinien seit 1990 ist es möglich, die gesamtdeutsche Kunstgeschichte neu zu befragen und zu schreiben. Zu diesem Gesamtbild, das aus vielen Mosaiksteinen neu zusammengesetzt wird, leistet das Kunstmuseum Singen mit dieser Ausstellung einen Beitrag."

Geboren in Essen, ausgebildet an der dortigen Kunstgewerbeschule, später an der Kunstakademie Karlsruhe und nach 1922 an der Dresd'ner Akademie, trat Becker bereits in den 20er-Jahren als geistreicher Grafiker hervor. Illustrationen bibliophiler Buchausgaben zeigt de Ausstellung ebenso, wie großformatige Ölgemälde in kräftigen Farben. Sie machen die Hinwendung zur Malerei, wie sie bei den französischen Fauves ebenso zu sehen war, wie bei den Künstlern der „Brücke“ und des „Blauen Reiter“, sichtbar. Diese Malerei, meist Akte, Interieur- und Straßenszenen, führten 1952 zur Berufung als Professor für Malerei an die Karlsruher Kunstakademie. Nach der Lehrtätigkeit begann ab 1958 eine große Schaffensphase, bevor er 1974 nahezu erblindete. Am Ammersee verstarb er 1984.

Sommerliche Ausblicke in die Singener Sammlung

  • Im Erdgeschoss: Parallel zeigt das Kunstmuseum Singen im Erdgeschoss die Ausstellung „Farbe und Form. Künstler der Nachkriegszeit am Bodensee.“ aus eigenem Sammlungsbestand. Die Ausstellung setzt das Format der Sommerpräsentationen im Kunstmuseum Singen fort, die den Höri-Künstlern, ihrem Umfeld und der Kunst der klassischen Moderne am Bodensee vorbehalten sind.
  • Schätze aus der Sammlung: Die Werke der Höri-Künstler, die ab 1933 und im Krieg Zuflucht am Bodensee fanden, bilden den Kern der kunsthistorischen Sammlung des Singener Kunstmuseums. Es ist berets Tradition, diesen Teil der Sammlung in den Sommermonaten vorzustellen. Die aktuelle Sommerausstellung präsentiert mit rund 80 Arbeiten eine Auswahl an Gemälden, Aquarellen und Grafiken von Max Ackermann, Otto Dix, Erich Heckel, Curth Georg Becker, Walter Herzger, Julius Bissier und all jener Künstler, die die verfolgte Moderne an den Bodensee brachten.
  • Beitrag zum Jahr der Bildhauerei: Eine Sonderpräsentation gilt dem bildhauerischen Werk Berthold Müller-Oerlinghausen, die in die Ausstellung eingebettet ist. Im „Jahr der Bildhauerei“ des Kunstmuseums soll so einer der wenigen Plastiker unter den Künstlern der Nachkriegszeit am Bodensee gewürdigt werden. Müller-Oerlinghausens Oeuvre setzt die klassische Linie der deutschen Bildhauerei fort, verband diese mit expressionistischen Tendenzen der Moderne, um so seine Plastiken strenger zu gestalten.
  • Termin für Kunstinteressierte: Zur Ausstellung „Farbe und Form. Künstler der Nachkriegszeit am Bodensee.“ bietet das Kunstmuseum am Sonntag, 12. August, um 11 Uhr eine öffentliche Führung, sowie Gruppenführungen auf Anfrage an.