Nur sieben Monate lagen zwischen den letzten beiden Hauptversammlungen der Narrizella Ratoldi. Dazwischen gab es für die Narren eine Fasnacht in einer etwas leichteren Version. Und der Vorstand nutzte die Zeit, um umfangreich eine neue Satzung auszuarbeiten. Über diese stimmten die Zunftmitglieder bei der Versammlung im kleinen Saal des Milchwerks ab.
Der Verein verbreitert mit der Satzungsänderung auch sein Angebot und präsentiert sich dabei als ein unterjährig arbeitender Kulturbetrieb. Im Rahmen der Versammlung stellte Präsident Martin Schäuble den Vereinsmitgliedern auch die Pläne für die Renovierung des Narrenschopfs vor.
Erneuerung in fünf Etappen
Der Narrenschopf in der Gewerbestraße soll in fünf Etappen erneuert werden. Das von der Zunft vor 37 Jahre errichtete Gebäude kostete damals rund 160.000 Deutsche Mark. Das dazugehörige Grundstück ist in Besitz der Stadt und ist in Erbpacht angemietet. Die Zunft möchte Schritt für Schritt die Hallentoren ersetzen sowie den Eingang, die Heizung und die sanitären Anlagen modernisieren.
Als letzte Schritte soll das Gebäude einen Neuanstrich erhalten und das in die Jahre gekommene Hallendach ersetzt werden. Künftig soll das meiste von der Zunft erwirtschaftete Geld in die Renovierung fließen, so Präsident Martin Schäuble.
Größere finanzielle Spielräume
Die Renovierung hatte auch Auswirkung auf die neue Vereinssatzung. Bei der Änderung wurden sowohl dem Vorstand als auch dem Elferrat größere finanzielle Spielräume für die Rechtsgeschäfte eingeräumt. Nach der alten Satzung hätte laut Schäuble für jeden Bauabschnitt eine Versammlung der Mitglieder einberufen werden müssen.
Die Satzungsänderung präzisierte die Aufgabenbereiche des Vorstandes, des Narrenrats und der Abteilungen. Nach ihr versteht sich die Narrizella nun als ein unter den Jahren arbeitender Kulturanbieter. Die neue Satzung legt das Stimmrecht bei der Versammlung auf das vollendeten 16 Lebensjahr fest sowie die Beschlussfähigkeit bei der Anwesenheit von mindestens einem Zehntel seiner Mitglieder. Die neue Satzung nahm ein eigenes Reglement der Ehrenordnung auf und regelt zudem mit einer Ordnung den Mitgliedsbeitrag.
Zwei neue Abteilungen
In der neuen Satzung findet sich auch die Jugendvertretung „Narrenellipse“ sowie die Gruppe „Schlegele-Beck mit seinen Höllteufeln“ als zwei neue Abteilungen der Narrenzunft wieder. Künftig ist jedes Mitglied im Narrenrat nur in geheimer Abstimmung wählbar. In der neuen Satzung ist festgelegt, dass zur Wahl für das Präsidentenamt sowohl jedes Narrenratsmitglied mit dreijähriger Zugehörigkeit wie auch jedes aktive Mitglied mit einer Zugehörigkeit von mindestens fünf Jahren vorgeschlagen werden kann.
Zunftmeister Sacha Hain ließ mit einem Kurzbericht die Fasnacht 2022 Revue passieren: Die Auftaktveranstaltung mit dem Drei-König-Frühschoppen wurde coronabedingt um einen Monat in den Februar verlegt. Und auch sonst war die diesjährige Fasnacht noch immer von Corona geprägt. Eine Abordnung der Zunft habe in zehn Kindergärten die Figuren der Fasnacht präsentiert, so Sacha Hain: Doch auf den närrischen Unterricht sei in diesem Jahr verzichtet worden.
Keine großen Veranstaltungen
Die beliebten, großen Saalveranstaltungen der Zunft wurden ebenso abgesagt wie der Hemdglonker-Umzug am Vorabend des Schmutzigen Dunschtigs – eher informell trafen sich die Narren in den Gassen zu einem Lauf durch die Innenstadt. Am Schmutzigen Dunschtig fand die Machtübernahme im Rathaus nur mit den Mitgliedern der Narrenzunft auf dem Marktplatz statt.
Beim Rathaussturm wurde Oberbürgermeister Simon Gröger vom Narrenpräsidenten Martin Schäuble mit einer Hebebühne aus dem Fenster seines Amtszimmers im dritten Geschoss gezerrt und entmachtet. Und am Nachmittag stellten die Holzhauer in einem rekordverdächtigen Tempo den Narrenbaum auf dem Marktplatz auf.
Nächstes Jahr volles Programm
Präsident Schäuble bedankte sich beim anwesenden Oberbürgermeister und bei der Verwaltung für die Kooperation zur Fasnacht. Letztlich habe die gute Zusammenarbeit eine abgewandelte Version der Fasnacht für die Narren ermöglicht. Schäuble versprach OB Simon Gröger, dass er im nächsten Jahr das volle Programm Radolfzeller Fasnacht abbekommen und nicht so glimpflich davonkommen werde. Ziel für das Jahr 2023 sei es, dass wieder eine gewohnte Fasnacht mit allen Veranstaltungen stattfinden soll, so Schäuble.
Die Narrizella erarbeitete für ihre Fasnacht auch neue erfolgreiche Formate: Künftig könnte der Narrengottesdienst im Münster vor den Sonntagsumzügen stattfinden. Auch die Verbrennung am Konzertsegel wurde gut angenommen. Und die Bühne vor dem Zunfthaus als Ersatz für den Narrenspiegel zeigte sich ebenso erfolgreich. Die Bühne könne für weitere Veranstaltungen der Zunft genutzt werden, ist sich Schäuble sicher.
Mehr Platz für die Narren?
Die Narrizella nutzt das Erdgeschoss im Nachbargebäude vom Zunfthaus in der Kaufhausstraße und zeigt Interesse auch an diesem Gebäude. Martin Schäuble meldete beim Oberbürgermeister einen Bedarf für die Zunft an und holte dabei auch das mit der Stadt bereits erarbeitete Konzept für das Gebäude in Erinnerung.
Oberbürgermeister Gröger dachte zunächst bei der Fassadenfolie zwischen dem Rathaus und dem Zunfthaus, dass es sich dabei um einen Witz handle – bis er sich eines Besseren belehren ließ. Nach einem Sturm überprüfte er, ob nur die Folie oder auch das gesamte Gebäude weggefegt wurde, sagte Gröger und brachte die Versammlung zum Lachen: Sein Werbespruch „Frischer Wind für Radolfzell“ hätte da „enorm rein gehauen“. Gröger zeigte sich nicht nur begeistert vom Zunfthaus. Er blickte auch neidvoll auf die närrische Konkurrenz.
Denn nahezu alle Hochzeiten würden im Zunfthaus abgehalten, sagte Gröger: Das sei auch ein Statement, so der Oberbürgermeister. Simon Gröger rechtfertigte die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie während der Fasnacht. Die Situation sei heikel gewesen. Dem Bürgermeister bereitete es Sorgen, welche Bilder von der Stadt in die Welt gesendet werden könnten: An einem Tag ein großes Fest und am anderen Tag Notaufnahmen.
Beeindruckt von Fasnacht-Light
Gröger zeigte sich jedoch bei der Fasnacht-Light beeindruckt von der Disziplin der Narren und dass sie die von der Stadt gesetzten Zügel gehalten hatten – bis zu jenem Moment als er selbst beim Rathaussturm aus dem dritten Stock ungesichert aus dem Bürofenster auf die Hebebühne stieg. Das sei im Nachhinein bescheuert gewesen, so Gröger und habe weder bei ihm noch beim Präsidenten im Drehbuch gestanden, berichtet er vor den lachendenden Mitgliedern in der Versammlung.